Jahrgang 1915 Mannheimer Wochen⸗Chronik des„Mannheimer General Anzeiger, Badiſche Neueſte Nachrichten“ Abonnementspreis monallich J Pfg. für die Abonnenten des 1; „Manpheimer General-Anzeiger, Badiſche Neueſte Nachrichten“,. N 20 Pfg. für die Nichtabonnenten. Verlag: Dr. H. Naas ſche Buchdruckerei G. m. b. H., Mannheim. Prinz Leopold von Bayern, der Eroberer von Warſchau. (Fhototbek.) — (Phot. B. I. G.) (Phot. A. Grohs.) Münchener Jubelfeier zur Einnahme Warſchaus. Die Menſchenmenge während der Anſprache des Oberbürgermeiſters von Borſcht auf dem Königsplatz. Links oben: Der Kampf im Torfmoor. Oeſterreichiſch⸗ungariſche Infanterie hat ſich in einem Torfmoor auf dem öſtlichen Kriegsſchauplatz hinter Bruſt wehren aus Torf verſchanzt, die das Einbuddeln überflüſſig machten. In der Mitte: Die Moſchee im„Halbmondlager“, wie das Gefangenenlager Wünsdorf ſeiner vielen unfreiwilligen orientaliſchen Gäſte wegen genannt wird. Es iſt auch ein Zeichen deutſchen„Barbarentums“, daß wir für die in den Reihen unſerer Feinde kämpfenden Araber, Gurkhas, Senegalneger ein Gotteshaus errichteten, das bis in die kleinſten Einzelheiten den Anſprüchen ſtrenggläubiger Moham⸗ medaner entgegenkommt. Die Mark Brandenburg aber kann nun dreimal am Tage das ſeltſame Schauſpiel genießen, wie von ſchlankem Minarett die Verehrer Allahs zum Gebet gerufen werden. Unten: Auf dem Marſche gen Warſchau. Ausladen von Kriegsfahrzeugen auf der Weichſel. (Phot. Kühlewindt.) . 2 9 1 Warſchau i gefallen! Salutſchießen im Berliner Luſtgarten.(Phot. B. I. G) Verluſtziffern— einſt und jetzt. Es iſt ohne weiteres klar, daß das gewaltige Anwachſen der neu⸗ zeitlichen Heere und die ungeheure Steigerung der Tragweite, Treff⸗ ſicherheit und Durchſchlagskraft der modernen Feuerwaffen auch die Verluſtziffern erheblich geſteigert haben. Vergleichen wir indeſſen die uns bekannt gewordenen Zahlen aus den letzten Kriegen mit jenen, die uns von den Geſchichtsſchreibern der alten Griechen und Römer berichtet werden, ſo erfüllt es uns mit Erſtaunen, dort geradezu märchenhaften Verluſten an Menſchenleben zu begegnen. Aber bei einiger Ueberlegung erkennen wir, daß dieſe ſchier unglaublichen Zahlen keinerlei Anſpruch auf Zuverläſſigkeit erheben können. Eine bloße Be⸗ trachtung der im Vergleich zu unſern Millionenheeren als verhältnis⸗ mäßig klein zu bezeichnenden damaligen Truppenkörper zeigt ſofort, daß jene Angaben gewaltig übertrieben ſein müſſen und wohl auf Gerüchten fußen, die von Mund zu Mund verbreitet wurden und nach und nach immer weiter in die Höhe kletterten. So berichtet beiſpielsweiſe Herodot von einer Schlacht, in der allein auf einer Seite 10 000 Krieger getötet worden ſeien. Von einer andern Schlacht will er wiſſen, daß ſie 20000 Menſchenopfer gekoſtet habe. Den Vogel aber ſchießt er bei einem dritten Schlachtbericht ab. Da ſollen von 300000 Mann nur 40000 durch die Flucht entkommen und 3000 in Gefangenſchaft geraten, die übrigen 257000 Kämpfer aber gefallen ſein. Aber die Glaubwürdigkeit dieſer Angaben wird zur Genüge ſchon durch den bloßen Zuſatz gekennzeichnet, die Griechen hätten in dieſem ganz beiſpiellos blutigen Ringen— nur 159 Mann eingebüßt. Polybius, ein anderer griechiſcher Geſchichtsſchreiber, weiß von fünf Schlachten zu berichten, in denen 10000, 15000, 20000, 30000 beziehungsweiſe 40000 Mann gefallen ſein ſollen. Schon die ſaubere, 8 1 3 1* 9— — Ruſſiſche Kathedrale in Warſchau.(deue Phot. Ges.) . Warſchau, von der Vorſtadt Praga aus geſehen; von hier aus beſchoſſen die Ruſſen die von ihnen geräumte Stadt.(Neue Phot. Ges) 3 — Provianttransport in den Juliſchen Alpen.(Phot. Frankl) runde Abſtufung zeigt, was man von dieſen Mitteilungen zu halten hat. Seinen Bericht über die Schlacht bei Cannage können wir durch unſere genaue Kenntnis des Kriegsſchau⸗ platzes ziemlich ſicher nachprüfen. Wir wiſſen, daß dieſer Kampfplatz nur für eine Reiterei von ungefähr 6000 Mann Raum bot. Was aber kündet Polybius? Nach ihm ſind von den 6000 römiſchen Reitern nur 70 entkommen, 10000 Mann Fuß⸗ truppen gerieten in Gefangenſchaft, und nur lumpige 70000 wurden ge⸗ tötet. Und das alles ſoll eine Folge der Ueberlegenheit geweſen ſein, mit der die Karthager ihre Reiterei auszunutzen verſtanden. Die römiſchen Geſchichtsſchreiber zeigen ſich zwar etwas weniger ſorglos in ihren Verluſtangaben, aber auch ſie leiſten zum Teil noch recht Erkleckliches. Bei Livius zum Beiſpiel finden wir Angaben über fünfzig Schlachten, in denen die Zahl der Gefallenen zwiſchen 5000 und 56000 ſchwankt. In fünf von dieſem halben hundert Schlachten ſollen auf einer Seite allein je 40000 Mann ums Leben ge⸗ kommen ſein. 5 Bei Julius Cäſar ſteigen die Verluſtziffern ſchon beträchtlich von jenen phantaſtiſchen Höhen herab. Immerhin finden wir in ſeinen Araberpatrouille in der Wüſte.(pnot. A. Grohs9 berühmten„Kommentaren“ Verluſte von 8000, 10 000, 12 000, 15 000, 20 000 und in einem Falle gar von 30000 Mann. Auch dieſe Zahlen ſind zweifellos noch gewaltig über⸗ trieben. Eher ſchon kann man den Be⸗ richten des Thukydides Glauben ſchenken. So erzählt er, daß bei der Belagerung von Pylos, wo 800 Athener gegen 420 Gegner kämpften, 292 Feinde gefangen genommen wurden. Während eines Feldzuges von 2200 Athenern gegen die Chalzedonier büßten nach ſeinen Angaben die Gegner 430 Mann und ihre ſämtlichen Führer ein, und in der Schlacht von Mantinea, wo 4184 Lazedämonier ungefähr eben⸗ ſoviel Athenern gegenüberſtanden, wären auf ſeiten der erſteren 300 Mann gefallen, während die letzteren an Toten und Verwundeten ins⸗ geſamt 1100 Mann zählten. Gegen die Märchenziffern der Herodot und Genoſſen halte man die Verluſtziffern, die uns aus den Kriegen der Neuzeit bekannt ſind, wobei ſtets zu beachten iſt, daß es ſich bei Geſamtangaben ſtets um die Summe der Gefallenen, Ver⸗ wundeten und Vermißten handelt und daß in der Regel bedeutend größere Truppenmaſſen an den Kämpfen teilnahmen. Die Geſamt⸗ „Kriegsernte 1915.“ verluſte der deutſchen Heere während des ganzen Feldzuges von 1870/71 betrugen 1881 Offiziere und 26347 Mann an Toten und 4240 Offiziere und 84 304 Mann an Verwundeten. Dazu kamen noch als vermißt 127 Offiziere und 12 752 Mann. In der blutigen Schlacht von Gravelotte, wo über 80000 Franzoſen gegen 109 200 Deutſche mit allen Mitteln der modernen Kriegstechnik kämpften, fielen auf franzöſiſcher Seite 2293 Mann, auf deutſcher Seite betrug der Verluſt 5238 Mann. Die ſechstägige Schlacht bei Liao⸗jan im Ruſſiſch⸗Japaniſchen Kriege(1904), an der 145 000 Ruſſen und 115 000 Japaner teilnahmen, verlor der Mikado 793 Offiziere und 23 325 Mann, der Zar 511 Offiziere und 15974 Mann. Die Schlacht am Schaho brachte den Ruſſen einen Verluſt von 42 645, den Japanern einen ſolchen von 20000 Mann. In der Schlacht von San⸗de⸗pu betrugen die entſprechenden Verluſtziffern 15 000 beziehungsweiſe 10000 Mann, und in der gewaltigen, vom 21. Februar bis 10. März 1905 dauernden Schlacht bei Mukden verloren (Phot. Benningboven.) N (Phot. Korkegey.) die Ruſſen 2138 Offiziere und 89 305 Mann, darunter 31 600 Verwundete, die Japaner 41 000 Mann. Während des amerikaniſchen Bürger⸗ krieges zeitigte die dreitägige Schlacht bei Gettysburg(1863) auf ſeiten der Unionstruppen nur einen Verluſt von 5291 Mann, obwohl ſie 100000 Mann ſtark gegen 70 000 Mann der Südſtaaten fochten. Im Franzöſiſch⸗ Engliſchen Kriege in Spanien, um noch ein Beiſpiel anzuführen, ſtanden in der Schlacht von Salamanca(1812) 46398 Mann unter Wellington, 42 000 Mann unter Marmont gegen⸗ über. Die Verluſtziffer der Engländer betrug 1365, die der Franzoſen 1620. So bedauerlich die immerhin noch ſchweren Verluſte in den letzten Kriegen auch ſein mögen, ſo ſind ſie doch nicht ſo hoch, als man im Hinblick auf die furchtbaren Kriegswerkzeuge unſerer Zeit anzunehmen verſucht iſt. Wenn dies auch ein ſchwacher Troſt iſt, ſo mag es in den Tagen dieſes größten aller Kriege doch willkommen ſein, dieſe Tatſachen durch Zahlen begründet zu ſehen. Fritz Eifler. 4 Beſchwerlicher Verwundeten⸗ transport. Ein verwundeter Kamerad wird zur Verband⸗ ſtelle getragen. K Werke der Vächſtenliebe im Schützengraben. Nez Fauititeſewat beider Arbeit. Ein Leichtverwundeter Oben: Ein deutſcher„Barbar“ reicht dem verwundeten Ruſſen wird während des Gefechts einen Labetrunk. verbunden. Eine erhebende Feier am Jahres⸗ tage der Mobilmachung, zu Füßen des National⸗ denkmals auf dem Niederwald, 5 veranſtaltet von Verwundeten aus den Lazaretten von Nüdes⸗ heim und der weiteren Amgegend. er Krieges. Das erſte Sportfeſt im deutſchen Stadion, Deutſchlands größter Sportſtätte, während des Veranſtaltet wurde es vom deutſchen Schwimmverband. Beſuch: Glänzend trotz des Krieges! unf nac Die glã Von Zut Rat Adl Oef dar äuß in der zeit ſche füh reih zun Das türkiſche Der deutſche Uniformknopf. Es bedurfte der ganzen, ſo viel gerühmten Anpaſſungsfähigkeit unſerer Induſtrie, um die Unmengen von feldgrauen Knöpfen, die nach Ausbruch des Krieges angefertigt werden mußten, mit jener Schnelligkeit herzuſtellen, die in Anbetracht der Umſtände geboten war. Die deuͤtſchen Fabriken haben die ihnen geſtellte Aufgabe jedoch glänzend gelöſt und es iſt nun intereſſant, einen Blick auf die einzelnen Vorgänge zu werfen, durch die ein derartiger feldgrauer Knopf entſteht. Zunächſt einmal wird die Oberfläche des Knopfes gepreßt, ſo daß Rand und Verzierung, alſo die Krone, oder beim Gefreitenknopf der Adler, entſtehen. Dann handelt es ſich darum, auf der Rückſeite die Oeſe anzulöten. Dies geſchieht mittels der in unſerer Abbildung dargeſtellten Maſchine. Sie beſteht aus einem runden Tiſch, deſſen äußerer Rand ſich dreht. An dieſem Rand ſind Faſſungen angebracht in die eine Arbeiterin je ſechs Knöpfe einlegt. Bei der großen Anzahl der Faſſungen befinden ſich alſo immer Hunderte von Knöpfen gleich⸗ zeitig auf den Rand. Außerdem wird noch Hartlot auf jede Knopf⸗ ſcheibe gegeben, das die Verbindung dieſer Scheibe mit der Oeſe herbei⸗ führt. Die Oeſen ſelbſt befinden ſich in Haltern, die über den Knopf⸗ reihen angebracht ſind und von denen jeder gleichfalls ſechs Stück auf⸗ zunehmen vermag. Wenn ſich nun der Tiſch dreht, ſo werden dieſe 2 Der Löttiſch, an dem die Oeſen an die Uniformknöpfe an Linienſchiff„Barbaroſſa Heiredin“, das von einem feindlichen Unterſeeboot verſenkt wurde.(B. I. G.) Halter ſelbſttätig auf die Knöpfe niedergedrückt, wodurch jede Oeſe genau an den Punkt zu liegen kommt, an dem ſie angelötet werden ſoll. Dann wirken aus einem über den Knopfreihen befindlichen und von einer Arbeiterin gehandhabten Gebläſe ſechs Lötflammen gleich⸗ zeitig auf Knopf und Oeſe, wodurch eine Verſchmelzung, alſo ein Zuſammenlöten beider eintritt. Dreht ſich der Tiſch dann weiter, ſo gehen die Halter ſelbſttätig in die Höhe, während eine dritte Arbeiterin die fertigen Knöpfe herausbürſtet. Dieſe ſind aber immer noch blank. Es handelt ſich nun darum, ſie zu mattieren und ihnen ihre graugrüne Farbe zu verleihen. Zu dieſem Zweck werden ſie wiederum auf einem Tiſch aufgereiht und dann tritt das Sandſtrahlgebläſe in Tätigkeit, das feinen ſcharfkantigen Sand unter Luftdruck mit großer Gewalt über die blanken Knopfflächen hinſchleudert. Dadurch werden dieſe matt und trübe. Nun kommt ein zweites Gebläſe zur Anwendung, durch das ein Ueberzug von feldgrauer Farbe zugleich mit Zapon auf die Knöpfe geblaſen wird. Das Zapon iſt eine Löſung von Zelluloid in Aether und bildet über dem Knopf einen ſchützenden Ueberzug, der einerſeits die Farbe feſthält, während er andererſeits den Knopf vor dem Abgeſchabtwerden bewahrt, ſo daß dieſer nicht wieder blank werden kann. Es ſei noch erwähnt, daß jeder Knopf, ehe er von der Heeres⸗ verwaltung abgenommen wird, einer genauen Prüfung daraufhin unter⸗ zogen werden muß, ob er auch allen Bedingungen entſpricht. 15 I a 8 3 * gelötet werden. 570%, Fog%, aal 1 Für alles i ſt geſorgt! Oben links: Deutſche Feinbäckerei in Laon, wo es meiſt heißt: Der Laden iſt ausverkauft! Das Cafe iſt beſetzt! Oben rechts: Militärraſierſtube in Laon, wo deutſche Offi⸗ ziere und Mannſchaften bei ihrer Rückkehr aus den nahen Schützen⸗ gräben ſich deutſchen Verſchönerungsräten anvertrauen können. Unten rechts: Militärbäckerei in Laon, von wo aus die ringsum liegenden * N Werbe 1 ö 8——. 5 (Hofphot. 6. Berger.) Truppen mit Brot ver⸗ ſorgt werden. Unten links: Kalbshaxen im An⸗ marſch. Feldgraue treiben, an galiziſchen Flüchtlingen vorbei, Kälber nach einer Etappenſtation im Oſten. Hier neben: Ein Landwehr⸗ brunnen 30 m hinter den Schützengräben in Frankreich, der nicht nur Zeugnis ablegt für die vorbildliche Sorg⸗ falt, die allen Notwen⸗ digkeiten der Hygiene bei unſern Feldgrauen gewidmet wird, ſondern auch dartut, wie kunſt⸗ ſinnig unſere wackeren Landwehrleute dem Schönheitsgefühl ihrer Kameraden entgegenzu⸗ kommen wiſſen. Sie können eben alles! (Phot. Tellgmann.) Nachdruck ſämtlicher Bilder und Artikel verboten. Verantwortlicher Redakteur: i. V. Siegbert Salter, Berlin W 30. Druck: Paß& Garleb G. m. b. H., Berlin.