. tumsverein fand Sonder⸗Geilage zur„Neuen Mannheimer Feitung“ vom 15. Mai 1926 888 45 1 i i 5 II 1111 2 lz III ——— Sur Eröffnungsfeier Wie das Mannheimer Schloß⸗ Muſeum entſtand Von Profeſſor Dr. Friedrich Walter. Direktor des Mannheimer Schloßmuſeums Anſer Schloß rnuſeum iſt die Erfüllung vielſährtger Wünſche und Hoffnungen, das folgerichtige Ergebnis einer lang. Entwicklung. Es knüpft an das Erbe der Carl Theodor ⸗Zeit an, erntet die Früchte raſtloſer B. gung idealen Bürgerſinnes und bringt zu reifer Entfaltung den lange vorbereiteten Ausbau kommunaler Muſeumspolttik. 1 Die mehr als 100 Jahre zurückreichende Entwicklung nimmt ihren Ausgang von den im hieſigen Schloſſe verbliebenen Reſten jener ſtolzen Sammlungen kurfürſtlicher Zeit, die Mannhebn bei dem Wechſel der Dynaſtie an München abgeben mußte, dem Antiquarium deſſen noch von der kurpfälziſchen Akademie der Wiſſenſchaften geſammelten Beſtände den Grundſtock der archäologiſchen Abteilung unſeres Muſeuns, den Wurzelſtock ihres neuzeitlichen Emporwachſens, bilden. Neben dieſer Keimzelle aber wurden um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die neuen Triebkräfte lebendig, aus denen letzten Ende unſere heutige Neuſchöpfung hervorgeblüht iſt. Dieſe Triebkräfte wurzeln in der Bürgerſchaft, in dem gemeinnützigen Sinne jener Männer, die in ſelbſtloſer Arbeit die Grundlage zu einer heimatgeſchichtlichen Sammlung ſchufen. Ihr Werk, das der Erforſchuͤng des heimat; lichen Bodens, der Bergung von Ausgrabungsfunden, der Sunm⸗ lung aller auf die Geſchichte der Stadt und ihrer ehemals kur⸗ pfälziſchen Umgebung bezüglichen Gegenſtände gewidmet war und gleichzeitig in Wort und Schrift auf die Verbreitung der Kunde von der heimatlichen Vergangenheit, auf die Pflege heimatlicher Eigen art, auf die Stärkung der Heimatliebe und des Heimatverſtändniſſes abzielte, wuchs mit den Jahren in immer größere Aufgaben hinein. Ohne dieſe nunmehr nahezu ſiebzigjährige vielſeitige Tätigkeit des Mannheimer Altertums vereins wäre das Schloß⸗ muſeum, ſo wie es jetzt vor uns ſteht, undenkbar. Gerade der Ausblick auf ein höhere Anſprüche erfüllendes und der Bedeutung Mannheims als der früheren kurpfälziſchen Haupt ⸗ ſtadt würdiges Muſeum war es, was den Altertumnsverein ſchon um die Jahrhundertwende veranlaßte, den Treis ſeiner Sammel; tätigkeit auf Gebiete von allgemeiner kulturgeſchichtlicher und kunſt⸗ gewerblicher Bedeutung zu erweitern. Er ſah ſich bei dieſem ganzen Wirken durch opferwillige Gönner, die er immer wieder für ſerne Ideale zu gewinnen wußte und durch die Stadt, die ihm regel⸗ tnäßige Zuſchüſſe gewährte, die ihm vorhandene und neu erworbene Sammlungsgegenſtände überwies, voll Dank und Anerkennung unterſtützt. Dieſes Zuſammengehen von Stadt und Alter ⸗ tlichſten Ausdruck in der Begründung des Stadtgeſchichtlichen Muſeums, das man 1905 von den übrigen Sammlungen abzweigte, un bei der in den Schloßſamm⸗ lungen ſchon lange herrſchenden Raumnot wenigſtens dieſem Teil der Sammlungen eine beſſere Unterkunft zu verſchaffen. Dieſes Muſeum ſchufen Stadt und Altertumsverein gemeinſan; die Stadt gab die Räume und die Mittel her; der Altertumsverein verwaltete das Muſeum. d Allmählich aber ging die Aufgabe, die zu immer größeren Um⸗ fange emporgewachſenen Sammlungen im Schloß und in der Nonnenkirche zu verwalten, nutzbar zu machen und weiter aus zugeſtalten, über die Kräfte eines ehrenamtlichen Vereinsvorſtandee hinaus. Auch war inzwiſchen bei der Stadtverwaltung die Erkennt nis durchgerungen, daß in der Kunſt⸗ und Kulturpflege als einer wichtigen öffentlichen Angelegenheit auch die nachdrück⸗ liche Förderung des e'nheiniſchen Muſeumsw ſens und zwar unter unmittelbarer ſtädtiſcher Leitung und in amtlich⸗fach⸗ männiſcher Verwaltung Platz greifen müſſe. Das erſte Stadium im Aufbau des ſtädtiſchen Muſeums⸗Organismus auf breiteren Baſis war die Schöpfung der Kunſthalle. Nachdem die Kunſthalle auf feſte Füße geſtellt war, begann in einer Reihe von Verhand⸗ lungen und Denkſchriften die Prüfung der Frage, welche weiteren Hauptſammlungen noch dem der allgemeinen Volksbildung dienen⸗ den ſtädtiſchen Muſeumsorganismus einzufügen ſeien. Als zweites bedeutſames Werk glückte die Begründung eines Muſeums für Natur- und Völkerkunde, dem durch Ankauf der rieſigen Sammlung Gabriel Max eine Fülle unſchätzbarer Werte zuſtrömte. 4 1 Der Schaffung eines Altertums⸗ und kulturgeſchichtlichen Mu⸗ ſeums aber ſtellten ſich immer wieder neue Schwierigkeiten in den Weg. Das Problem einer würdigen Unterbringung und Neu⸗ aufſtellung ſchien unlösbar, ſeitdem der Plan des Reiß-Muſeums für dieſen Zweck nicht mehr in Betracht kam. Dann galt es zu⸗ nächſt, die ſchweren Drangſale der Kriegszeit zu überwinden, bevor ſolche Projekte wieder aufgegriffen werden konnten. Erſt durch die Uebergabe der Sammlungen des Altertumsvereins ſowie der ſtaatlichen Sammlungen in die Verwaltung der Stadt(1921/22) wurden die für die Geſtaltung des neuen Mu⸗ ſeums notwendigen Vorbedingungen geſchaffen. Staatsbeſitz, ſtäd⸗ tiſcher Beſitz und Vereinsbeſitz wurden nun nach Abſchluß der er⸗ forderlichen Verträge, die hauptſächlich die Wahrung der Eigentums rechte betrafen, in Hiſtoriſchen Muſeums vereinigt— dies war ja zunächſt der Name der neuen ſtädtiſchen Anſtalt. Kurfürſt Carl Theodor von der Pfalz Die Sammlungsreſte aus kurfürſtlicher Zeit waren immer im Schloſſe verblleben. Dort hatten bereits 1867 auch die Samm- lungen des Altertumsvereins Unterkunft gefunden. Darnals wurden ihm zwei Räume im weſtlichen Schloßflügel überlaſſen. Zehn Jahre ſpäter ſiedelte er in einen Teil der Erdgeſchoßräume des jetzigen Muſeums über: im Laufe der folgenden Jahrzehnte konnte er ſich bis zum Mittelbau ausdehnen. Seit 1879/80 beſtand die räurliche Vereinigung mit dem aus ſtädtiſchen Mitteln vermehrten groß. herzoglichen Hofantiquarium, dem die Sammlung von Gipsabgüſſer nach römiſchen und griechiſchen Skulpturen angegliedert wurde. Die innere Verbindung der„Vereinigten Sammlungen des Großherzog lichen Hofantiqucriums und des Mannheimer Altertumsvereins' war hergeſtellt durch die Perſon des Leiters des Antiquariums, der zugleich führendes Vorſtandsmitglied des Altertumsvereins war, des un das Aufblühen der Sammlungen und des Vereins hoch verdienten Hofrats Profeſſor Karl Baumann(geſt. 1907). Mehrfach waren die Sammlungsräume erweitert worden, aber die raſche Vermehrung hatte immer wieder neue Raumnot in den unzulänglichen Erdgeſchoßſälen zur Folge. So richteten ſich denn di⸗ Blicke auf die bisher den großherzoglichen Hofe vorbehaltenen Räume im Hauptgeſchoß des Schloſſes, als dieſe infolge der politiſchen Umwälzung dem Staate zufielen. Welche Schwierig⸗ keiten zu beſeitigen waren, bis man ſie von ihrer nachkriegszeitlichen Verwendung freimachen konnte, wie dann ſchließlich die franzöſiſche Beſeßung eine neue mehr als einjährige Verzögerung herbeiführte braucht hier nicht geſchildert zu werden Dankbar iſt daher an. zuerkennen, daß die auf Ueberlaſſung dieſer Räume gerichteten des Mannheimer Schloß-Mufeums Wünſche der Stadt bei der badiſchen Regierung verſtändnls⸗ volle Aufnahne und bereitwilliges Entgegenkommen fanden, daß der Stadt nach längeren Verhandlungen die für Muſeums⸗ und kulturelle Zwecke in Betracht kommenden Schloßräume der Stadt mietfrei überließ und dem Muſeum auch die hier verbliebenen Ein⸗ richtungsgegenſtänden des Schloſſes zur Verfügung ſtellte. Damit war von der Regierung die Bedeutung des zu ſchaſfenden Werkes anerkannt. Zunächſt mußten nun die ſtark mitgenommenen Räume, dle in den Jahren nach dem Krieg allen möglichen Zwecken gedient batten, gründlich inſtand geſetzt und für ihren neuen Zweck hergerichtet werden. Namhafte Mittel hat die Stadt für dieſe Arbeiten, die im März des vorigen Jahres begonnen wurden, aufgewendet. Die ſchwierige Aufgabe für die Muſeumsleitung war, den ver⸗ ſchleden gearteten Sammlungsbeſitz, der teils unter heimatgeſchicht⸗ lichen und kunſtgewerblichen Geſichtspunkten zuſanmengekommen war, zu einer harmoniſch wirkenden Einheit zu verſchmelzen, das Vorhandene durch bedeutende Neuerwerbungen auszugeſtalten und die kunſtgeſchichtlich wertvollen Schloßräume mit würdigem Inhalt zu bereichern. Es kam alſo darauf an, ein Muſeum zu formen, das ſeine Verbindung mit der Geſchichte und Kultur der Heimat klar und ſtolz zum Ausdruck bringt und andererſeits die Säle des Schloſſes mit neuem Leben erfüllt. So verband ſich mit der Muſeumsſchöpfung das weitere Ziel, unſer auch in Mannheim ſelbſt viel zu wenig gekanntes Schloß zum Allgemeinbeſitz im edelſten Siane des Wortes zu machen, ſeine bisher eigentlich brachliegenden und ſchwer zugänglichen Schönheiten Einheimiſchen und Fremden neu zu erſchließen. Raum und Inhalt, Raum⸗ ausſtattung und Muſeumsbeſtand mußten alſo in äſthetiſch befrie⸗ digenden Einklang gebracht werden. In wieweit uns dies gelungen iſt, möge nun die Oeffentlichkeit beurteilen. Die Entſtehung des Schloſſes und ſeine höfiſche Blütezeit fällt im die Periode des Barock und Rokoko. Die Kultur dieſer Periode, die früher ſchon ein Hauptgebiet der Sammeltätigkeit bil⸗ dete, mußte alſo— wenn man von der archäologiſchen Anteilung abſteht— den Mittelpunkt unſerer Muſeumsgeſtaltung biſden In ihr liegen die Hauptakzente unſeres Schloßmuſeums, vor allem auch ſeiner Neuerwerbungen von Möbeln, Porzellanen, Fayencen uſw. Es wurde damit in Anpaſſung an die fetzigen Verhältniſſe ein Sammelplan aufgegriffen, der zum erſtenmal 1910 in einer von mir gemeinſam mit Dr. Fritz Wichert verfaßten Denkſchrift über die Begründung einer zweiten ſtädtiſchen Hauptſammlung dargelegt worden war. Damals hatten ſich der Verwirklichung des Vor⸗ ſchlages, ein Barock⸗ und Roko,komuſeum als Qualitäts. Stilſammlung pu errichten, finanzielle und andere Schwierigkeiten entgegengeſtellt. Es war vielleicht gut, daß der weit ausſchauende Plan damals nicht in Angriff genommen werden konnte, denn durch ſeine Ausführung wäre das Altertumsmuſeum wahrſcheinlich er⸗ drückt worden oder es hätte der Gefahr der Aufſaugung ſeiner wertvolleren Beſtände, ihrer Abſplitterung von dem rein heimat. geſchichtlichen Kern kaum Widerſtand leiſten können. Die einzig richtige Löſung für Mannheim war die Verſchmel⸗ zung der vorhandenen kulturgeſchichtlichen und heimatgeſchichtlichen Sammlungen mit jener Muſeumsidee, die nun im Hinblick auf die Erforderniſſe des Schloſſes und ſeiner Haupträume zu verwirklichen war. Vieles kam bei dieſer Neugruppierung hinzu, vieles mußte in die Magazine wandern. In dieſer Verſchmelzung beruht die Eigenart unſeres Schloß⸗ muſeums, das ein auf dem Boden der heimatlichen Vergangenheit erwachſenes Kulturmuſeum ſein will. Die Bedeutung des kurpfälziſchen Mannheim als eines der wichtigſten Mittelpunkte der Barock und Rokokokultur wird dadurch neues überzeugendes Licht erhalten. Mannheim, das gegenüber dem Reichtum anderer Städte an öffentlichen Kunſtdenkmälern weit zurückſteht, muß um ſo nach⸗ drücklichere Pflege dem zuteil werden laſſen, was es beſſtzt und dies zu höchſter Wirkung bringen. Das gilt vor allem von ſeinem be⸗ deutendſten Architekturdenkmal, dem Schloſſe. Und für ein Gemein⸗ weſen mit ſo junger Kultur und ſo vorwiegend materſellem Gepräge wie Mannheim, iſt es von unendlicher Wichtigkeit, daß Kunſtb⸗ſitz, edles Muſeumsgut in die Stadt getragen und zum Beſten der All⸗ gemeinheit verwendet wird. a Möge unſer Muſeum wirken im Sinne derer, die es ſchufen, als eine Stätte der Belehrung und des Kunſtgenuſſes, lebenerhöhen⸗ der und weſensbereichernder Eindrücke für Jung und Alt. für die einheimiſchen und fremden Beſucher, die ſich in ſeinen Räumen verſammeln werden! d Die Sammlungen Baer, Hermannsdörfer und Waldeck im Alannheimer Schloßmuſeum Von Dr. Guſtav Jacob Mannheim Mit der Eröffnung des Schloßmuſeums wird die ruhmvolle pfälziſche Vergangenheit wieder lebendig. Kurfürſten wie Karl Philipp und Carl Theodor, Architekten wie Hauberat, Froimont, Pigage und Verſchaffelt, Plaſtiker wie Egell und Linck, Maler wie Brinckmann und die Kobells, Muſiker wie Stamitz, Cannabich und Holzbauer, kurz, die geiſtigen Größen, die ſich in der Sonne des furfürſtlichen Hofes tummelten, treten wieder vor unſere Seele. a Ueber die Notwendigkeit äußerer Repräſentation war man ſich im 18. Jahrhundert ſehr bewußt. Aus ihr heraus konnten ſolche kühne Baugedanken, wie ſie im Mannheimer Schloß verwirklicht ſind, Geſtalt gewinnen. Das Schloß war aus kurfürſtlicher Initia⸗ tive entſtanden durch den leidenſchaftlichen Willen, der Nachwelt ein pomphaftes Denkmal der kurfürſtlichen Zeit zu hinterlaſſen. Aus der ausgedehnten Anlage des kurfürſtlichen Schloſſes des 18. Jahrhunderts wurde in unſeren Tagen unter ſchwierigen Ver⸗ hältniſſen das Schloßmuſeum. Ein Schloß zu einen Muſeum uni⸗ zugeſtalten, iſt von vornherein ein großes Wagnis. Es gilt vor allem das Wiſſenſchaftliche mit den alten Kulturwerten in Zuſam⸗ menhang zu bringen. Es gilt eine Brücke zu finden für Vergangen⸗ heit und Gegenwart Die beiden großen keramiſchen Sammlungen des Schloß⸗ muſeums, die Sammlungen Carl Baer und Hans Her⸗ mannsdörfer, die hier eine würdige Aufſtellung erfahren haben, bilden einen organiſchen Zuſammenhang mit ihrer Umgebung. Die einzelnen Kunſtwerke, die hier aufgeſtellt ſind, ſind gleichſam mu Einzelerſcheinungen, die durch die umgebenden Schloßräume zu einem großen Ganzen verbunden ſind. Der Betrachter ſoll aus der Stimmung des Raumes heraus zu einem innigen Verhältnis zu den einzelnen Ausſtellungsobjekten gelangen. Das war die Haupt⸗ aufgabe, die bei der Herrichtung der ehemaligen Prunkräume des Schloſſes 1 muſealen Zwecken gelöſt werden mußte. Der Künſtler des 18. Jahrhunderts, gleichgültig, od er nun Baumeiſter, Plaſtiker oder Maler war, bildete keine Ausnahme ⸗ perſon, wie es heute bei uns leider der Fall iſt. Er gehörte mit zur Geſellſchaft ſeiner Zeit und war ihr lebendiger Schilderer, ſo wie der Kurfürſt ihr Repräſentant war. Die Menſchen des Rokoko waren gewiegte Weltmänner, die frei und geſetzlos ihr Daſein friſteten. So war auch die Kunſt voll eleganter und vornehmer Geſinnung; ſie wurde aus dem Gefühl der Zuſammengehörigkeit der einzelnen künſtleriſchen Erſcheinungen mit dem großen welt⸗ männiſchen Leben des 18. Jahrhunderts geboren. Es iſt nicht zu leugnen, die Kunſt war in jenen glanzvollen Tagen Carl Philipps und Carl Theodors in Mannheim eine Mode, die wie ſo Vieles eines Tages zu Grabe getragen wurde. Aber gerade dieſe beiden keramiſchen Sammlungen Baer und Hermanns⸗ dörfer vermögen uns am beſten die geiſtvolle Zeit aus Mann⸗ heims vergan Tagen lebendig zu n. Zu ihnen geſellen ſich die Kleinporträtſammlungen Carl Baer, ſowie die Gläſerſammlung Hermann Waldeck, die von dem graziöſen Stil des Nokoko zum beruhigenden Empire und bürger⸗ lichen Biedermeier hinüberleiten. 5 Wenden wir uns zunächſt den ausgedehnten Porzellanſammlungen zu. Das Porzellan beſitzt eine Fülle von Liebreiz und Zierlichkeit; ie an ſich lebloſen Porzellanfigürchen haben eine eigentümliche Seele. Jeder Werkſtoff beſitzt, wenn man ſo ſagen will, eine Seele, die zu ergründen Aufgabe künſtleriſch bildenden Menſchen⸗ hand iſt. Bei der Keramik iſt zunächſt die Form das Primäre. Die Maſſe iſt knetbar, ſie nimmt vor dem Brennen jegliche Geſtalt an der ſchaffende Künſtler hat alſo freieſten Spielraum. Iſt die Form vollendet, dann wird ihre äußere Geſtalt durch farbige Bemalung veredelt. Die Glaſur erzeugt led den höchſten Glanz; auf ihr fängt ſich das Licht und wird tauſendfältig ſchillernd zurück⸗ geworfen.— Bei der Wahl des Gegenſtändlichen iſt man nahezu vor keinem Stoff zurückgeſchreckt. Man hat alle Berufe und alle Altersklaſſen berückſichtigt, von dem niedrigſten Diener bis zu den impoſanteſten Fürſtengeſtalten, aber auch allegoriſche und mytholo⸗ giſche Themen, Koſtüm⸗ und Tanzſzenen wurden in Porzellan ge⸗ bildet. Die Welt des Theaters mit ihren amüſanten Komödien⸗ figuren, die oft ihre Vorbilder in der italieniſchen Stegreifkomödie haben, findet weitgehende Berückſichtigung. In der Sammlung Baer iſt dieſes ganze Heer von Figuren vollzählig vertreten. Dem intimen Charakter des Porzellans entſprechend fand dieſe Samm⸗ lung in kleineren Räumen mit reich dekorierten Stuckdecken, Su⸗ praporten und Deckengemälden im öſtlichen Pavillon des Mittel⸗ baues ihre Aufſtellung. Die Porzellanſammlung Carl Baer iſt mit der Kultur Mannheims im 18. Jahrhundert unmittelbar verbunden, denn ihr Hauptbeſtandteil bildet Frankenthaler Porzellan. Von beſonderen Reiz iſt es, daß die Sammlung nicht didaktiſch ihre Entſte oder einzelnen Künſtler nach e ſondern nach ihrer Zuſammengehörigkeit geordnet iſt. So bilden Kavaliere, Muſtkanten, Landarbeiter, Schauſpieler, Götter, dfiguren und Tiere einzelne beſonders charakteriſtiſche Gruppen. Wie zierlich iſt außerdem das Schachſpiel aus Purpur und Weiß abgeſtimmt, wie lebendig der Jäger aus N mit ſeinem Gefolge 8 wie ſicher die Bewegung der Tänzerinnen hingeſeßzt. ſchaglen dieſe Koſtünmnfiguren einher in ihren duftigen, mit Volants reich beſetzten Gewändern. Auch die Frankenthaler Manufaktur iſt mit dem kurfürſtlichen Manmheim ummittelbar verbunden. Sie wurde 1761 Eigentum des Kurfürſten Carl Theodor, nachdem Joſeph Adam Hannong nicht mehr imſtande war, das von ſeinem Vater Paul Anton Hannong übernommene Unternehmen aus eigenen Mitteln fortzuführen. Die plaſtiſche Produktion lag anfangs in den Händen von Johann Wilhelm Lanz und Johann Friedrich CTück. Ihre Gruppen, mamentlich aber die Jägergruppen von Lanz, zelgen eine aus⸗ gelaſſene Bewegtheit. Ein Künſtler von ſtarker Begabung iſt ferner Johann Peter Melchior. Was während der Hannong⸗Zeit und der erſten kurfürſtlichen Jahre in der Frankenthaler Fabrik an Rokoko⸗Plaſtik geſchaffen wurde, ſtammt im weſentlichen von ſeiner Hand. Kinderdarſtellungen bilden den Haupbanteil ſeiner Schöp⸗ jungen. Der wichtigſte Künſtler in kurfürſtlicher Zeit iſt Konrad Linck, der 1762 nach Frankenthal berufen wurde und ſich vier Jahre ſpäter in Mannheim niederließ. Im Gegenſatz zu Melchiors Kunſt, die märchenhaft anmutet und gerne Figuren in der Zeit tracht und in Theaterkoſtümen bildete, neigt Linck mehr zur Alle⸗ orie, wo er mit pathetiſch bewegten Gewandmaßem arbeiten kann. Frankenthal hatte außerdem eine Reihe ganz bedeutender Maler, mie Oſterſpey, Magnus und Winterſtein, die den Motivenſchatz der Porzellanmalerei auf das reizvollſte zu beleber wußten. Zwei prachtvolle Prunkvaſen mit vielfarbigen Schlachten. 0 ſtammen von der Hand von Bernhard Magnus; ſie ſind e Hauptzierde der Sammlung Baer, ebenſo wie das Service mit niedlichen Putten von der Hand Oſterſpeys bemalt. Die Ueber leitung vom graziös Tändelnden und Empfindſamen zu einem mehr bürgerlichen Genre bildet eine Gruppe der guten Mutter, die nach Greuze gearbeitet iſt. 5 Die Porzellanſammlung wird fortgeſetzt von der Klein porträt ammlung Carl Baer; ſie bildet eine Sammlung von ganz be onderer Eigenart, welche in dieſer Vielſeitigkeit wohl kaum in einem anderen Muſeum vertreten ſein wird. Es iſt eine Kunſt, die in ihrer Zierlichteit mit der Kunſt des Pordellans unmittelbar zu ⸗ fammenhängt. Biskuitbüſten und Reliefs, Wachsporträts wechſeln mit Emaillebildern, Silhouetten und Porträttaſſen mannigfaltig ab. In dietem Zufammenhang kann auf Einzelheiten micht eingegangen werden. Ein Hauptverdienſt der Sammlung iſt es aber, daß Mann ⸗ heimer Künſtler, wie Morgenroth, Klotz, Brandt, Kißling, Hoffnas, Lerebours, ferner die Künſtlerfamilie Heuberger und Franziska Schöpfer ſo ausgezeichnet zu Wort kommen. Im übrigen ſind faſt ämtliche deutſche und eine Reihe ausländiſcher Manufakturen ver. —— es ſind Arbeiten, die vom Rokoko bis zum Biedermeier reichen. N BVoreicherung durch die ereicherung uhren des Herrn Otto Baer, Porzellan⸗ und Kleinporträtſammlung Baer findet eine Sammlung von Taſchen ⸗ des Bruders des Herrn Carl Baer, der ſie dem Mannheimer Altertumsverein letztwillig ver⸗ machte. Die früheſten Exemplare ſind runde Renaiſſanceuhren, die man am Halſe trug; ſie ſind vornhmlich in Augsburg und Nürn⸗ berg, um 1550—70, entſtanden. Ovale Uhren aus der erſten Hälfle des 17. Jahrhunderts leiten zu den Rokokouhren hinüber, welche vorwiegend Uhren mit zierlicher miniaturartiger Emaillemalerei, meiſt Pariſer und Londoner Arbeiten ſind. Uhren mit beweglichen Figuren ſowie kleine am Hals getragene Genfer Uhren in Form von Früchten, Kugeln, Poſthörnern, Gitarren uſw. ſind als beſon⸗ 5 intereſſante Spielereien des ausgehenden 18. Jahrhunderts an⸗ zuſehen. Die Porzellanſammlung Carl Baer wird durch die im weſt⸗ lichen Teil des Mittelbaues im 1. Obergeſchoß aufgeſtellten groß⸗ zügig angelegten Porzellan⸗ und Fayenceſommlung des Herrn Hans Hermannsdörfer fortgeſetzt. Eine umſangreiche Sammlung von Frankenthaler Porzellan ruft auch hier jene Jahrzehnte wieder wach, die Carl Theodors Mannheimer Regententage umſchreiben. Aus ihr mögen in dieſem Juſammenhang die große Gruppe der „Toilette der Venus“ von J. W. Lanz, die bisher nur in zwei tadelloſen Exemplaren bekannt iſt, ſowie das große Chineſenhaus von Karl Gottlieb Lück, die große Konzertgruppe, welche Unikum iſt, endlich der prachtvoll modellierte Oceanus von Konrad Linch beſonders hervorgel ooen werden. 1 Eine ſpezielle Vorliebe hatte Hermannsdörfer für Meißner Porzellane. In Meißen ſtand die Wiege der europäiſchen Por⸗ zellanerzeugung. 1709 erfand Johann Triedrich Böttger in Dresden nach langen Verſuchen das Porzellan. Er wollte urſprünglich nichts weniger als das Porzellan erfinden, ſein Ehrgeiz war weit größer, er wollte Gold machen. Der Alchimiſt verließ ſeine Heimatſtad! Berlin, als ihn der König von Preußen für ſeire Zwecke ausnitzen wollte und floh nach Sachſen, wo ſein Schickſal freilich kein beſſeres war. Denn Auguſt der Starke ließ ihn feſtnehmen und für ſeine Dienſte arbeiten. Nachdem ihm ſeine Goldverſuche wenig Glück brachten, unternahm er keramiſche Unterſuchungen auf Anregung des Phyſikers Ehrenfried Walter von Tſchirnhauſen, bis ihm die Gewinnung amd Verwendung eines feuerfeſten Tones, des Koalin, gelang. Daraufhin konnte 1710 auf der Albrechtsburg bei Meißen die Fabrik ins Leben gerufen werden. Anfangs wurden Geſchirre und Plaſtiken in rotbraunem Böttger⸗Porzellan fabriziert. 1719 gewann die Meißener Manufaktur in dem Maler Johann Gregorius Heroldt einen hervorragenden Geſtalter der farbigen Aus⸗ ſchmückung des Porzellans. Zwiſchen 1722 und 1750 entſtanden von ſeiner Hand eine Reihe feinſter Tafelgeſchirre mit auserleſener Chineſenmalerei in Gold und farbig. Einen begnadeten Porzellan. plaſtiker hatte Meißen ſeit 1731 in Johann Joachim Kändler. Damit ſetzt die Blütezeit des Rokoko in der Manufaktur, die Höroldt⸗ Kändlerzeit, ein, die durch die Wirren des Siebenjährigen Krieges einen Rückſchlag erhält, um ſchließlich in der Marcolinizeit (17741814) inen letzten großen Ausklang namentlich auf dem Gebiet der Gefäßgeſtaltung zu erhalten. a Die e ung Hermannsdörfer enthält Stücke aus fämtlichen Perioden der Meißener Manufaktur, insbeſondere aber beſitzt ſie eine ganze Anzahl der hervorragendſten frühen Meißener Erzeug⸗ niſſen, vor allem Service mit reichſten Chinoiſerien in Gold und farbig, die in Höroldts frühe Zeit zwiſchen 1722 und 1730 ge. hören: Silhouettenhaft aufgemalte Figuren ſind mit reichen Orna⸗ menten zierlich eingefaßt. Vaſen in edler Form, leichte Taſſen und Teller, Kannen und Kumpen, oft mit oſtaſiatiſchen Motiven oder mit graziös hingeſtreuten Blütenzweigen und Stauden, ſowie mit Vögeln oder mit Drachen bemalt, wechſeln mit mannigfachen Ser⸗ vicen, von denen einige Stücke aus dem für den beſonders kunſt⸗ liebenden Kurfürſten und Erzbiſchof Clemens Auguſt von Köln 1741 angefertigten Jagdſervice von beſonders reicher Entfaltung ſind. Von Plaſtiken ſind köſtliche Schöpfungen Kändlers zu ſehen, Türken, Pierrots, Harlekins, Zitronenver⸗ käufer und Schiffer ſind in bunter Folge vertreten, ebenſo wie porträtmäßige Darſtellungen Auguſts des Star⸗ ken, ſowie anderer ſächſiſcher Perſönlichkeiten. 5 Die Sammlung Hermannsdörfer beſchränkt ſich aber nicht nur auf Frankenthaler und Meißener Porzellane, ſondern ſie hat nahezu alle Porzellar kturen des 18. Jahrhunderts, wis Wien, Berlin, Fürſtenberg, Höchſt, Ludwigsburg, Nymphenburg Ansbach, Fulda uſw. berückſichtigt. Von beſonderer Eigenart iſt elne Sammlung von Por zel lantaſſen mit Silhouetten und Kleinbildniſſen. Der zweite Saal der Sammlung Hermannsdörfer enthäll Fayencen. Der grundſätzlichſte Unterſchied zwiſchen Fayence und Porzellan liegt in der chiedenheit der Glaſur. Porzellan iſt nach dem Brennen eine feſte Maſſe, der Scherben iſt hart, klin⸗ gend und völlig durchſichtig. Bei der Fayence bedeckt dagegen eine undurchſichtige Feng die als Grund für die Be⸗ malung dient, den poröſen Ton. Der Maler hat nun zwei Möglich keiten, die Fayence zu bemalen: er kann die Farbe auf die un⸗ gebrannte Glaſur auftragen und ſie dann mit der Glaſur gar⸗ brennen. Es gibt nur wenige Farben, die die nötige hohe Tem⸗ peratur aushalten, es ſind blau, manganviolet, gelb und grün, die man daher als„ ffeuerfarben“ bezeichnet. Sehr viel be⸗ quemer und techniſch leichter iſt die Malerei auf die fertig gebrannte Glaſur, die in einem 3 ſchwächeren Feuer, dem ſog.„Muffel ⸗ brand“, ſich mit der Glaſur verbindet. Sie hat neben der techniſch einfacheren Handhabung vor allem den Vorteil einer viel umfang⸗ reicheren Dekorationsmöglichkeit und läßt vor allem auch Korrek⸗ turen zu, was bei der Unterglaſurmalerei, welche in die faugende Glaſur ſofort eindrüngt, unmöglich iſt. Die Technik der Fayence iſt ſehr alt. Fayence⸗Fließen ſind im Orient und bei den alten Aegyptern bereits bekannt geweſen. Im Abendland ſind Spanien und vor allem Italien die füh⸗ renden Länder der Fayencekunſt. Von Italien, wo um 1500 die italieniſchen Fayence(dort gewöhnlich unter dem Namen Majoliko bekannt) beſonders blühte, wanderte die Technik nach Deutſchland. Aus der Renaiſſance⸗ und Frühbarockzeit hat ſich in Deutſchland wanig erhalten. Als erſte Jayencemanufakturen großen Stils ſind Frankfurt und Hanau zu betrachten, die in den 60er Jahren des 17. Jahrhunderts von Holländern gegründet wurden. Der oſt⸗ aſtatiſch orientierte holländiſche Einſchlag war naturgemäß der vor⸗ herrſchende. Schenkkannen und birnförmige Krüge wechſeln mit dekorativen Wandpl. meiſt in vornehmem Blau bemalt. Dieſen beiden Manufakturen iſt ein beſonderer Schrank im Fayenoeſaal Hermannsdörfer gewidmet. Ein zweiter enthält Erzeugniſſe weiterer ſüddeutſcher Manufakturen, wie Durlach, Mosbach und Straßburg, welch letzteres durch eine Reihe von Platten in feinſter farbiger Blumenmalerei beſonders hervorragend vertreten iſt. Den fränkiſchen Manufakturen, wie Nürnberg, Bayreuth ünersberg, Crailsheim ſind thüringiſche und nord⸗ deutſche, wie Erfurt, Dorotheental, Berlin, Auguſten⸗ burg und Schleswig gegenübergeſtellt. Die hervorragendſten Stücke der Fayenceſammlung Hermannsdörfer bilden aber Haus⸗ malerarbeiten, d. h. Arbeiten, die von Künſtlern, die ihr Fayncekrüge in irgendeiner Fabrik undekoriert bezogen, in Heim⸗ werkſtätten auf das feinſte bemalt ſind. Dahin gehört z. B. die große Vaſe von Löwenfinck in Fulda um 1741—44 bemalt, ferne der Birnkrug mit Panorama von Regensburg nach Merian, in Gchwarzlotmalerei von Venckert in Lauf b. Nürnberg 1678, ver ſchiedene Krüge von Johann Georg Fliegel, um 1770, der Eng. halskrug mit großem Blumenſtrauß von Johann Melchior Gebhard, Es find Maler, die von einer ſoliden techniſchen Grundlage aus gehen, ihre verſchiedenartigen Darſtellungen allmählich mit allem Eſprit und aller Virtuoſttät verfeinerten, ſo daß ſchließlich Arbeiten von ſolch unerbörter Malkultur entſtehen konnten, wie ſte der Erg halskrug des Monogrammiſten W. R. aufweiſt, auf dem ein Königs. zug mit vielfigurigem Gefolge zu ſehen iſt. In der Dekoration kannten dieſe Künſtler kaum eine Gren de, ihr ſtets williger Pinſel kam dem Verlangen nach Anſichten, Blumenbuketts, Landſchaften, galanten Sujets, Heiligen⸗ oder Wappendarſtellungen gerne entgegen. Porzellan und Glas ſind in gewiſſem Grade miteinander ver⸗ wandt. Beide ſind zerbrechlich. Beide fangen das 1 auf und ſpiegeln es zurück. Das Glas läßt es ſogar noch durch ſeine Materie hindurchſchimmern. Die Menſchen des Rokoko waren große N r des Glases. Wie das Porzellan wurden auch zier⸗ lichen Gebilde des Glaſes zum n Ausdruck deſſen, was 88 lungen des e dem nach Stimmung verlangenden Menſchen des 18. Ja bewunderungswürdig erſchien. g Die Glaſerſammlung Hermann Waldeck enthält eine große Anzahl von Gläſern des 18. Jahrhunderts, vor⸗ miegend böhmiſcher, ſchleſiſcher und mitteldeutſcher Herkunft, die mit zierlich geſchnittenem Dekor veredelt ſind. Figuren und Land⸗ chaften, Wappen, Laub- und Bandelwerk umziehen die zierlichen Körper der Gläſer, die meiſt auf einem graziöſen baluſterförmigen Schaft ſtehen. Die beſondere Eigenart der Sammlung Waldeck be⸗ ruht aber in der Menge von Biedermeiergläſern. Es ſind kräftige maſſive Pokale und Becher im Kriſtallſtil, mit den ver⸗ ſchiedenſten Arten des Schnitts und Schliffs kunſtvoll ver⸗ ziert. Beſonders aber liebte das Biedermeier gefärbte Gläſer, die einen frohen Beſtandteil der häuslichen Einrichtung bildeten. So mancherlei wurde auf die Oberfläche dieſer Gläſer hineingeheimniſt: Blumenranken, Jagdſzenen, Sprüche, Beſitzer⸗ und Freundſchafts⸗ zeichen, Embleme, Stadtanſichten uſw. Der Biedermeiergeſchmack, wie er in dieſen Gläſern zum Aus⸗ druck kommt, iſt in der Aufſtellung in Zuſammenhang gebracht mit der Kultur des bürgerlichen Mannheim. Eine von Gläſern mit Mannheimer Stadtanſichten leiten über zu den rein ſtadtgeſchichtlichen und bürgerlichen Sammlungen des Schloß⸗ muſeums, die uns heute vielleicht näher liegen als die Kunſt des Rokoko. Aber wir ſollen nicht die Kunſterzeugniſſe dieſes liebens⸗ würdigen 18. Jahrhunderts nach ihrer„Rarität“ allein ſchätzen, ſon⸗ dern uns die Mühe nehmen, die ſchöpferiſche Leiſtungsfähigkeit aus der galanten Kultur heraus verſtehen zu lernen. Dann erſt wird ſich uns der volle innere Wert dieſer köſtlichen kunſtgewerblichen Arbeiten erſchließen. a 5 90 Sand, Paulskirche und evolution Von Kurt Jiſcher Mannheim Den vorletzten Raum in der Reihe der Zimmer, die die kulturgeſchichtliche Entwicklung des 19. Jahrhunderts zeigen, gibt eine vom Alter geſchwärzte, verſchliſſene und verblichene ſchwarz⸗ rot⸗goldene Fahne ſogleich den Stempel, der ihm gebührt. Er zeigt Ausſchnitte aus der geſchichtlichen und 1 Entwicklung des Vormärz und den Jahren 1848 und 184 ſelbſt. Trotzdem die Ge⸗ ſchichte Mannheims an Erlebniſſen nicht arm iſt, fehlen ihr doch die Höhepunkte, wie ſie andere deutſche Städte, die im Mittelpunkt namentlich kriegeriſcher Ereigniſſe ſtanden, aufzuweiſen haben. Da⸗ durch wird die kulturelle Bedeutung Mannheins noch mehr in die Höhe gehoben. Aber gänzlich ungeſtreift vom Flügelſchlag der Ge⸗ ſchichte ift auch unſere Vaterſtadt nicht geblieben. Zwei Ereigniſſe des vergangenen Jahrhunderts ſind beſonders bemerkenswert: Die Ermordung Kotzebues durch Sand und die Revo⸗ lution, die in Mannheim einen ihrer Brennpunkte gefunden hat. Die Muſeumsleitung hat in richtiger Erkenntnis auch der inneren geiſtigen Verbundenheit dieſer beiden Ereigniſſe ihnen einen beſon⸗ deren Raum gewidmet, der einer eingehenden Betrachtung wert iſt. Karl Ludwig Sand und ſein Opfer nehmen einen großen Teil der ſüdlichen Wand ein. Neben zahlreichen Bildern jener Zeit, die die bekannten Darſtellungen der Ermordung Koßze⸗ bues und der Hinrichtung Sands wiedergeben, ſind in einer Vitrine zahlreiche perſönliche Erinnerungen an die beiden Hauptperſonen aufgelegt. Wir erblicken aus der Schulzeit Sands eine Ueberſetzung von Julius Cäſars bellum civile, weiter das Original der i Immatrikulationsurkunde, Briefe an ſeinen Vater, auch die Brief. taſche mit Bleiſtifteintragungen, einen Haarring und die Feder, mit der er den letzten Brief vor ſeiner Hinrichtung ſchrieb. Auch das Original des Totenſcheins, von Dr. Eiſenlohr ausgeſtellt, findet 0 ſich dort. Von Kotzebue iſt ein Brief zu ſehen, den er am Tag 27 ſeiner 1 1 d en 92 5. befindet ſich ein Henkel von ſeinem Sarge. Als Beilpiel⸗ 1 aa 125 Auch a darnach herrſchenden Sand Kultus ſind Bilder und eine Tabakspfeife mit ſchwarz⸗rot goldener Troddel hinzugefügt. Photographien von den Gräbern Sands und Kotze⸗ bues ergänzen dieſe hiſtoriſche Abteilung, die zweifellos das größte Intereſſe des Beſchauers erwecken wird. Die Zeit von 1820 bis 1848 iſt bekannt als die der Reaktion mit ihrem Protektor Metternich. Aber in Baden bewegte ſich von den 30er Jahren ab ein freiheitlicher Hauch, deſſen Wehen man zu ſpüren vernimmt, wenn man ſich an die Fülle der Abbildungen und Darſtellungen aus 5 Zeit vertieft, die ſich an die Sand⸗Er⸗ innerungen anſchließen. Das Harnbacher Feſt 1832 ſtrahlte auch nach Baden us. Bildniſſe und Briefe der bekannten badiſchen Liberalen von Itzſtein, Welker, Baſſermann, Mathy und wi: ſie alle heißen mögen, zieren die Wände und die Glaskäſten. Sitzungspläne der badiſcher Kammer, Druckſchriften zurgeitgeſchichte, darunter ein Huldigungsgedicht Hoffmann von Fallersleben für Itz ſtein ſetzen die Einnerungsreihe fort, bis wir dann in die Pauls kirche eintreten. Hier hat das Muſeum aus ſeinen reichen Schätzen, namentlich aus den Karikaturen beigeſteuert, die ein leben diges Bild jener Zeit erſtehen laſſen. Ficklers Verhaftung auf dem Bahnhof in Karlsruhe durch Mathy, die in Mannheim die Er⸗ regung zu hohen Wogen emporſchlagen ließ, bildet eine aus der Lokalgeſchichte beſonders bekannte Epiſode. Wir erleben dann den Struwe⸗Putſch, ſehen einen„Schuldſchein der deutſchen Republik“, in Lörrach gedruckt, und ſind dann inmitten der radikalen Revolutio⸗ näre Hecker, Struwe, von Trützſchler, Streuber u. a., die mit der Geſchichte der Revolution und insbeſondere mit Mannheim untrenn. bar verbunden ſind. Originalabdrucke des bekannten Hecker⸗Liedes und der Beſchreibung des Struwwel⸗Putſches erfreuen auch heute noch durch ihre Satire in Bild und Wort. Beſonders ausgiebig iſt die Geſchichte der Revolutlons⸗ fa m e des Jahres 1640 in und um Mannheim dargeſtellt. Wir ſehen Abbildungen des Gefechts von Ladenburg, eine Uni⸗ formtafel der badiſchen Truppen von 1849, die„deutſche Republik auf der Schuſterinſel“, dann eine Reihe von Darſtellun der Beſchießung von Ludwigshafen, zum Teil in der köſt⸗ lich naiven Manier der Neuruppiner Bilderbogen. Wir ſehen weiter Otto von Corvin als Befehlshaber der revolutionären Ar ⸗ tillerte am Zollamt, deſſen Lebenserinnerungen im vorigen Jahre von neuem erſchienen und auch in dieſer Zeitung beſprochen worden ſind. Die Führer der Revolutionstruppen, der General Mieros⸗ iawski, Armand Goegg, Schlöffel(die„Reichshyäne“) und andere erſcheinen im Bilde. Und dann beginnt die Tragödie! Prinz Wil ⸗ helm von Preußen, Uniform⸗Bilderdarſtellungen, Epiſoden aus dem Zuſammenbruch, Karikaturen und Flugſchriften rollen im wechſeln⸗ den Bunt noch einmal den tragiſchen Film ab, der mit der Ver⸗ handlung Shun Trützſchler vor dem Standgericht und der Er⸗ ſchießung Bönnings und Streubers endete. Ein Vild von dem Wiedereinzug Großherzog Leopolds in Karlsruhe gibt dann den geſchichtlichen Abſchluß. 5 Ein Fülle von Reliquien ergänzt die bildlichen Dar ⸗ ſtellungen. Die Schärpe eines Hauptmanns der Bürgerwehr, Tſchakos und Kokarden, Autogramme von Struwe und Trüßzſchler, Abſchiedsbriefe Streubers, Dagueroptypen, RNevolutionsflugblätter, Streitſchriften, Erinnerungsblätter, Eintrittskarten zu den Verhand⸗ getrocknete Blätter von den Gräbern der ormen ein Bild von überaus plaſtiſcher — Erſchoſſenen uſw. uſw. Eindringlichkeit. Man verläßt das Zimmer mit einem gewiſſen Gefühl der Weh⸗ mut, weil wir heute die ade der Paulskirche für die geſchicht⸗ liche Entwicklung Deutſchlands treffender und richtiger zu beurteilen verſtehen, als die Zeitgenoſſen. Heute wiſſen wir, daß ohne 1848/49 das ſpätere 1871 nicht möglich geweſen wäre. Welche Fülle von echt deutſchem Idealismus, aber auch wieviel cnißverſtandene Ideologie, Rechthaberei und verkehrte Anſchauungsweiſe iſt in dieſer Zeit enthalten! Auf dem Fahnengang grüßen noch zwei alte ſchwarz⸗rot⸗goldene Fahnen, die eine mit den Fahnenbändern„Chre, Freiheit, Vaterland.“ Auch heute noch bilden dieſe drei Worte den Leitſpruch unſeres politiſchen Wollens, Denkens und Handelns. So ſchließt ein unſichtbarer Geiſtesring das Erinnerungszimmer des Schloſſes mit den Zeitſtrömungen der Gegenwart aneinander. der ebenſo Voltaire wie den Freigeiſt Collini gern in ſeinem Kreiſe weſentlichen nicht Selbſtzweck italieniſcher Einſchlag, der in Holland im 17. Jahrhundert ſchon ſich izene in Schwetzingen. 1 Mannheimer Malerei unter Carl Theodor als Spiegel einer höſiſchen Kultur Von Dr. Guſtav Jacob Mannheim Die Epoche Carl Theodors bedeutet für die Mannheimer Malerei zweierlei: Die Malerei wird als ſelbſtändiges Element mit in den Bereich der bildenden Künſte gezogen, ſie tritt andererſeits in erheb⸗ lichem Maße in den Dienſt der Architektur. Im erſteren Falle findet ſie im Staffeleibild, in der Landſchaft, im Porträt, im Altarbild ihre Verwirklichung, im zweiten hat ſie ihren Nieder⸗ ſchlag in der höfiſchen Allegorie. Das höfiſche Element zieht ſich durch ſämtliche Teilgebiete in der Malerei hindurch. Der Regierungsantritt Carl Theodors am 1. Januar 1743 war gleichſam das Klingelzeichen zum Aufziehen des Vorhangs der Bühne, einer Bühne, die das Mannheimer Bild entrollen ſollte. Und dieſes Bild hat ſich im Verlaufe weniger Jahrzehnte von Grund aus geändert. Und das iſt ohne weiteres klar. Ein fürſtlicher Mäzen, ſah, der in der Mannheimer Gemäldegalerie den ganzen Stab römiſcher, florentiner und venetianiſcher Künſtler ebenſo. ließ, wie die Holländer, der ebenſo italieniſche wie deutſche Stuk⸗ 5 85 beſchäftigte, konnte der Kunſt keine einheitliche Richtung en Die Malerel iſt zunächſt in Mannheim nicht im geringſten diſzi⸗ pliniert. Der fremde Einfluß, der immer mehr vorherrſchend wird, fragt auch wenig nach der öffentlichen Meinung, weil dieſe ſich ſelbſt ebenſowenig um Geſetze kümmert. Es iſt das Verdienſt Carl Theo⸗ dors, durch die Schaffung der Mannheimer Zeichnungsakademie im Jahre 1769 die Malerei in beſtimmtere Bahnen gelenkt zu haben. Verſuchen wir nun den höfiſchen Einſchlag kurz bei der Land⸗ ſchaft zu ſtizzieren. Die Vorausſetzung iſt im Staffeleibild die Be⸗ herrſchung der dritten Dimenſion, wie ſie durch den engen Anſchluß an die holländiſche Malerei von ſelbſt ſich ergab. Das abſtrakte holländiſche Landſchaftschema wird übernommen, man ſchaltet in virtuoſer Form mit ihm weiter. Man gibt ſich freilich wenig Rechenſchaft über kompoſitionelle 5 einzelner Bildteile, küm⸗ mert 1 auch weniger um abtaſtbare plaſtiſche Begriffe, ſondern man iſt beſtrebt, dem ſchmelzenden Tonwert der Holländer möglichſt nahe zu kommen. Die mittelalterliche und Renaiſſance⸗Landſchaft war im weſen, ſie war gleichſam die Bühne für das 8 das ſich 0 abſpielte. Die Holländer waren 2 der ndſchaft zu ihrer völligen Selbſtändigkeit verholfen hatten. Das 18. Jahrhundert mit ſeiner Sentimentalität ſtand einer Naturſchilderung nicht abneigend gegenüber; abſeits von den Wegen, die zu Winkelmann hinführen, fern vom Getriebe der Kunſt⸗ theoretiker, taucht ſie an den Höfen auf und erhält dort ein eigen⸗ tümliches Doppelgeſicht, indem ſich der niederländiſche Realismus A mit dem neu erwachenden Rokoko verſchmilzt. Dazu tritt noch ein Geltung verſchafft hatte. Der Widerſtreit zwiſchen geſetzmäßigem Aufbau und naturaliſtiſcher Durchbildung der Landſchaft tritt auch am Mannheimer Hofe auf. Der höfiſche Faktor tritt indes als be⸗ ſtimmendes Element in die Erscheinung, im Gegenſatz etwa zu Mainz, wo die Landſchaft im weſentlichen die Schilderung der klein⸗ bürgerlichen Welt bedeutet. Der typiſche Vertreter dieſer Land⸗ ſchaftsgatlung iſt in Mannheim Philipp Hieronymus Brinckmann, 1709 in Speyer geboren, kommt er zu Beginn 1 Jahre zur kurpfälziſchen Reſidenz an den Hof Carl g pps. 0 In Anlehnung an die Wiener Landſchafter hatte Brinckmann eine ähnliche Wandlung vom niederländiſchen Genreſtück zum höfi⸗ ſchen Geſellſchaftsſtück mitgemacht, wie viele ſeiner Künſtlerzeit⸗ genoſſen. In der Anordnung der Geſellſchaftsſtücke und dem ſatten Kolorit des Koſtüms knüpft er an Wouermann an. Sein erſter Verſuch dieſer Art waren kleine ländliche Szenen, welche die Deli⸗ kateſſe von Miniaturmalereien beſitzen. 1745 entſleht dann das Bild des„Hofgarten zu Mannheim“(Landtagsgebäude in München). Der ganze Reiz eines ſommerlichen Spätnachmittags iſt in dieſem Bild ausgebreitet. Die Sonne hat ſich bereits geſenkt: die mächtigen Bäume, die einen kleinen freien Ausblick auf das Mannheimer Schloß geſtatten, liegen bereits im Schatten. Und mun iſt das Weſentliche die Darſtellung der Kavaliere mit ihrer Dame, die ſich zu einem muſikaliſchen Trio zuſammengefunden Ein zweites Bild 1 Eleganz iſt Brinckmanns Darſtellung des Heidelberger olfsbrunnensz; freilich iſt er bei der Wiedergabe ſolcher Dinge niemals im frame Sinne „galant“. Brinckmann iſt niemals frivol in der Art des franzöſiſchen den „Louis Quinze“ Eine Verſchmelz von Schlachtendar ⸗ ſtellung und Ges rſchmelzung chlacht 8 ellſchaftsſtück iſt die Wiedergabe einer Manöver⸗ l Sie ſtammt aus dem Jahre 1755 und befindet ſich zur Zeit im kurpfälziſchen Muſeum Heidelberg. Nichts iſt vergeſſen, der Kurfürſt mit ſeinem Gefolge iſt mit Equi⸗ 4 anweſend. Eine Menge von Truppen ſind im Karree auf⸗ geſtellt— das richtige Parademanöver, wo alles nur zum Schein getrieben wird. Die Fortſe ſolcher höſiſcher Szenen bilden, wenn wir von dem„Rheinfall bei Schaffhauſen' in der Pinakothek abſehen, Brinckmanns Jagddarſtellungen. Von den Kavalieren der Haarlemer und Delfter Schule, von den Waben von Franz Hals, von Michiel Janſd v. Mierevelt und Anthonie Palamedes, von den Jagdgeſellſchaftsſtücken eines Simon van Douw bis zu den deutſchen Jagdſtücken des 18. Jahr⸗ hunderts führt eine Linie. Brinckmanns Jagddarſtellungen ſind gleichfalls aus dieſer Entwicklung heraus entſtanden, ſie führen in eine Welt friedlichen 1 die Geſelligkeit tritt auch hier wieder auf den Plan. Im Vordergrund tummeln ſich im munteren Treiben Jäger mit ihren Pferden und Hunden. Dieſe Geſellſchaftsſtücke Brinckmanns ſind eine Sondererſchel⸗ nung in der Mannheimer Malerei der erſten Hälfte des 18. Jahr hunderts. Sie finden eine analoge Fortſetzung eigentlich in Fer⸗ dinand Kobell und zwar erſt, nachdem der kurfürſtliche Hof von Mannheim verſchwunden war. 1786 malt Kobell ſeine Proſpekte Aſchaffenburgs. Das Bild des„oberen Sees von Aſchaf⸗ fenburg“ zeigt den gleichen höfiſchen konventionellen Stil. Zm Grunde genommen gibt dieſes Kapitel Mannheimer Kunſt den Ton wieder, den Rouſſeau in ſeiner„Nouvelle Heloiſe“ an⸗ ſchlug. Der kurfürſtliche Hof in Mannheim wird gleichſam zum Reſonanzboden dieſer Ideen, der die Künſtler beſchwin Die Künſtler verſtehen es ebenſo wie ihre Umgebung, das Inſtrument des weiblichen Herzens meisterhaft zu beherrſchen. Ihre figürlichen Darſtellungen ſind das treue Abbild jener Zeit, einer Periode, die der Zeitung völlig entbehren konnte, weil die Geſellſchaft eich der Vereinigungspunkt war, an dem man ſeine Gefül und Empfindungen austauſchen konnte. Wir verlaſſen nun das Geſellſchaftsſtück und uin uns dem Mannheimer höfiſchen Porträt zu. 1 f Das Porträt ſpielt in jenen en naturgemäß die Hauptrolle. Es nimmt ohne weiteres auch in Mannheim im 18. Jahrhundert die„Payſagiſten“ die erſte Stelle ein. Vezeichnenderweiſe waren recht verpönt, man hat ihnen auch bei der Gründung der Mann- heimer K e e keinen beſonderen Plotz eingeräumt. Der Einfluß des akademiſchen Syſtems tritt hier viel ſlärker zu Toge, als bei irgend einer anderen Kunſtgattung, Es gibt keinen 0 Gegenfatz, als die bewußte Sachlichkeit der holländischen orträts einerſeits und das von Frankreich importierte Kunſtgut, wie es das Porträt jener Zeit zeigt, ouf der anderen Seite. weſenllichen handelt es ſich beim Mannheimer Porträt, wenn wir genz allgemeine Geſichtspunkte gelten laſſen, nicht um die rein ſach⸗ ziche Wiedergabe des Darzuſtellenden, auch e die ungeſchminkte Ueberlieferung einer geſellſchaftlichen Oberſchicht, ſondern das. trät iſt wiederum ein Requiſit höfiſcher Kultur. 0 toni wird von Carl Theodor aus Italien berufen, um ſein Bild⸗ nis zu malen. Es iſt der Effekt nach dem T„der dieſe Pompoo Bat⸗ K Worten bis zu Trübners Bekenntnis, wonach„das Porträt der Parademarſch des Malers“ ſein ſoll, iſt in Mannheim gleichfalls ein weiter Weg. Iammerhin hat Mannheim in dem Kabinettsporträtmaler H. K. Brandt einen Künſtler gehabt, der die Fäden des 17. Jahrhun⸗ derts aufnahm und Bildniſſe von charaktervoller Eigenart ſchuf. Es iſt wiederum das Verdienſt Carl Theodors, dieſen begabten Künſtler in den 60er Jahren an ſeinen Hof gezogen und ihn zum ſtändigen Mitarbeiter der Zeichnungsakademle gemacht zu haben. Dur Reiſen nach Poris und an Höfen Deutſchlands hat er ſeine Kenntniſſe In Mannheim angeſtellt, hat er die höfiſche Geſellſchaft gemalt. Seine Bildniſſe ſcheinen von engliſche Porträtiſt Reynolds in die Worte kleidete:„Der Künſtler ſoll die Leute nicht ſondern er muß trachten, ſie durch große Ideen zu veredeln“. In ſeinen 3 5 iſt hier nicht der Ort auf ſeine zahlreichen Bildniſſe im einzelnen ein⸗ n Mannheim befinden ſich heute noch manche Zeugniſſe iner Hand(Hiſtor. Muſeum, Bretzenheimſches Haus, fetzt 120 zuglei an der Oberfläche Der Künſtler verſteht es auch, die Wechſelbeziehungen, 3 8 iſt bedauerlich, daß Brandt in ſpäteren Jahren auf Abwege geraten und ſeinen Geſichtskreis ſehr bereichert. dem Geiſt getragen zu ſein, den der große durch peinliche Genauigkeit der Nachahmung erfreuen, iſt das Weſentliche der Phyſiognomie in ſicherer Form erfaßt. e thekenbank). Jedenfalls bleiben ſeine die koloriſtiſch ſehr viel Intereſſantes bieten, hängen. die Menſchen untereinander verknüpfen, im Bilde feſtzuhalten. Bildniſſe, nicht iſt, die schließlich mit ſeinem Tod durch Selbſtmord(1787) endigten Er wäre am eheſten im Stande geweſen, die Figuralprobleme des 16. und 17. Jahrhunderts wieder aufzunehmen und das„Gruppen⸗ bildnis“ in Mannheim zur Blüte zu bringen. Die Sekretärſtelle di er an der Zeichnungsalademie einnahm, wurde nach 10 8 7.— i den Porträts dieſes Künſtlers iſt indes die umgebende Hülle, die Tracht Niemals hat die Mode eine größere So bilden gerade die Bildniſſe von Hof⸗ In den Arbeiten des um eine Generation älteren J. Ph. van Schlich⸗ tens erſcheinen die Dargeſtellten nur noch als Mannequin der Der Künſtler beſchränkt ſich nicht auf die formale Durch⸗ arbeitung des Kopfes oder der Hände, er bietet dem Beſchauer auch Taten des Fürſten So ſind für viele Mannheimer Porträtiſten, wie etwa S ier be⸗ ſchäftigte Dorothea Therbuſch Liſiewska die franzöſiſchen Modemaler er⸗ enen. Der repräſentative landſchaftliche und Draperiehintergrund 90 Pol Mode geworden war, wird immer mehr ver⸗ öfiſche 9 Der Widerſtreit zwiſchen ſachlicher Wiedergabe der Natur und der größeren — 5 e Bildes iſt durch das eintoriſche Porträt Antoßt Leydensdorff, den Carl Theo- iehen wußte, ſeine chen Hofe schuf. ſeine Stukkatur⸗ malereien auch unzweideutig von dem mächtigen Peter Verſchaffelt nur vertretungsweiſe beſetzt durch den älteren Hofnas. von weit größerer Wichtigkeit. Rolle geſpielt als damals. nas die Selbſtbekenntniſſe jenes leutſeligen Menſchentyps. Tracht. kein einheitliches Augenerlebnis, ſondern die ſollen„illuſtriert“ werden. Anton Beſolt, Anton Hickel und die 1763 vorübergehend Rigaud und Largellidre, als nacheiferungswürdiges Beiſpiel wie er ſeit van on Es entſteht damit in Mannheim das hiſtoriſche, trat. Von hier ſſt nur ein Sprung zur Hiſtorienmaleret. be eines k. überbrückt. So dor im Jahre 175 finn ge mit dem nd 155 raf inen Hof von Tirol an ſeinen u Porträt. Wache er am be Zeugniſſe höfiſcher dekoratiwer Malerei. Sin S. wieder eröffneten Galerie.— Der Beſtand erfuhr noch verſchiedenk⸗ lich 0 Am wichtigſten war der Ankauf der Gemäldeſamm⸗ lung des Geheimen Rats Anton von Klein. 21 Bilder hauplſächlich italieniſcher Meiſter wurden zuſammen mit einer herrlichen Kupfer⸗ ſtichſammlung im Mai 1810 erworben. Dazu kamen noch Bilder aus großherzoglichem Beſitz, die der Galerie überwieſen wurden, und ein paar Schenkungen. Andererſeits wurden 7 be⸗ ſonders altdeutſche Bilder den Beſtand entnommen und nach Karls ruhe überführt.. a Dieſe Sammlung wurde nach der Revolution bei der Ver⸗ mögensauseinanderſetzung zwiſchen dem Staat und dem großherzog⸗ lichen Hauſe dem Staate zugeſprochen. Sie blieb in geſchickter Neuhängung durch Prof. Süs, den damaligen Direktor der Galerie, wohl der Oeffentlichkeit zugänglich. Aber ſie war ein richtiges Stief⸗ kind des Staates. Die nötigſten Mittel für die Inſtandhaltung und Bearbeitung der Beſtände waren nicht vorhanden. Auch als an 13. Juli 1922 die Sammlungen als Leihgabe des Staates in die Verwaltung der Stadtgemeinde übergeben wurden, trat zunächſt noch keine weſentliche Beſſerung ein. Erſt im Rechnungsſahr 1924 wurden geringe Mittel zur Verfügung geſtellt, um die notwen; digſten laufenden Inſtandhaltungsarbeiten zu erledigen. Vor Jahres⸗ friſt endlich, als man daran ging, die Prunkräume des Haupt⸗ baues für das hiſtoriſche Muſeum wieder herzuſtellen, konnte daran gedacht werden, auch die Gemäldegalerie neu zu geſtalten, um ſie dann in neuem Gewande der Heffentlichkeit wieder zu übergeben. Unter der Leitung der Kunſthalle wurde dieſe Neugeſtaltung durch⸗ geführt. 5 Die Hauptaufgabe, die zunächſt erledigt werden mußte, war die vorläufige ſchnelle Durcharbeitung der Penldeſammlung Da⸗ bei ergab ſich, daß ein großer Teil der vom Grafen Luccheſt erwor⸗ benen Bilder Kopien oder bewußte Fälſchungen des 18. Jahr⸗ hunderts waren. Dieſe Bilder haben natürlich galeriemäßig gar keinen Wert. Sie mußten ausgemerzt werden. Nur einige künſt⸗ leriſch wenigſtens einigermaßen gute Kopien blieben in den Be⸗ ſtänden, während der Reſt zunächſt deponiert wurde.„Dieſer erſten inneren Säuberungsaktion, die einen verhältnismäßig ge⸗ ſunden Beſtand an Kunſtwerken übrig ließ, folgte eine äußere, welche noch nicht an den Bildern ſelbſt vorgenommen werden konnte, ſondern nur den Räumen galt. Die in düſterem bräunlichen Rot geſtrichenen Wände erhielten lichte Farben, die koſtbaren Stuckdecken wurden ſorgfältig gereinigt und der prachtvolle, zum Teil eingelegte Parkettfußboden wurde in Stand geſetzt. Der Eingang der Galerie war bisher für Einheimiſche ebenſo ſchwer zu finden wie für Ortsfremde. Von der Straße uus use keine Schilder darauf hin, daß ſich in dieſem Flügel des Schloſſes eine der Oeffentlichkeit zugängliche Gemäldeſammlung befand. Und wer von der Galerie wußte, fand ſchwer den Weg über die enge Nebentreppe an der Schloßbibliothek vorbei zu dem verſteckten Ein⸗ gang. Hier galt es, eine Aenderung zu ſchaffen. Im Oſtturm des Schloſſes, gegenüber I. 5, führt eine breite, von der Straße leicht zugängliche Treppe zu einem Eingang der Galerie, welche bisher feſt verſchloſſen war. Dieſer Eingang wurde jetzt zum Haupteingang gemacht und ſo deutlich gekennzeichnet, daß die Galerie leicht für Jedermann zu finden iſt. Durch die Sichtung der Beſtände und durch die Verlegung des Eingangs wurde eine neue Hängung und eine Aenderung der „ — beeinflußt, namentlich was die plaſtiſche Durchbildung ſeiner Pla- Raunfolge nötig. Nicht mehr rein dekorativ in drei Stockwerken fonds und Surporten anbe von Selbſtändigkeit bewahr Tiroler Eigenart zuſamme von de Mannheim, zum Fresko. Es i Architektur zu denken. Im Mannhei⸗ reichen anderen Fürſdenſt en Deutſchlands, die Na pompöſen Barock, wie er ſich in Italien im 17. 157 hatte. Die Kunſtgattung iſt im weſentlichen heima ihre Fäden überall hin, ſie iſt im wahrſten So wächſt e deres dieſer Zweig der dem engeren Intereſſenkreis des heimatli wird 5 einer Angelegenheit der Kunſt ds 18. hin. Die Entwi der Mannheimer Freskomalerei Hand mit dem Fo Coen 2 Af ch Kurfürſt Carl osmos ian Aſam's durch Kurfürſt C ein. Die gemälde doe Deckengemä— 1 0 Schloſſes, ſowie 8 m der Schoßlleche die vielleicht ni gt. wir nderts ſchl⸗ geht Hand lipp im Jahre 17 88 ihre Fortſetzung in den rl allem aber in dem Decke eſinnung, eine Kunſt, die mit allen Regeln des Iluſioni arbeiten verſteht, eine Kunſt des„ſchönen Scheins“, um ein Wort Jakob Burckhard's zu eeduege die mit der Kultur des„ſchönen Scheins“ aufs engſte verknüpft iſt. Wir haben die verſchiedenen d e der Malerei unter Carl Theodor ans uns 1 n laſſen, wir haben dem Geſellſchafts⸗ laſſen, weil es bisher n. rhalb der wenigen die Malerei jo ſchnell entwickeln konnte, verdankt Mann⸗ der bayerischen Linie r Wittelsbacher durch den Tod Max III. im Jahre 1778 und die Nachfolge und ee Theodors nach München bedeutet Epoche. ſtück etwaz Ausführlie 555 98 1 worden rzehnke 2 ſeinem fürſtlichen Mäzen. Das Ausſterben eit zukommen t. Daß ſich inne für Mannheim auf dem Gebiet der Malerei das Ende einer Auf einer hohen Stufe angelangt hat das Schickſal ſie nicht zu einem 5 Abſchluß kommen affen. 15 l 0 Die Schloßgalerie Von Dr. Edmund Skrübing Kuftos an der ſtädtiſchen Kunſthalle Mannheim 7 Als letzter Teil des gewaltigen Schloſſes wurde der Bibliotheks⸗ und den Gebäuden f igage, den Karl Theodor im Jahre 1749 nach Mannheim berufen hatte, leitete die Fertigſtellung der langen Folge der Säle, in denen jetzt die neu er⸗ Die Beſtimmung der 0 ahrhundert geweſen, die reiche Ge⸗ mäldeſammlung Karl Theodors in ihren Hauptſtücken aufzunehmen. Ueber 600 Bilder, dazu eines der größten deutſchen Kupferſtich⸗ kabinette jener Zeit mit rund 50 000 Kupferſtichen und etwa 8000 Handzeichnungen waren hier untergebracht, als Karl Theodor nach bau mit dern daran anſchließenden Galerieflügel um den Schneckenhof errichtet. Nicola 06 öffnete Gemäldegalerie untergebracht iſt. Säle war es een im 18. 9 5 München von dem abenteuerlichen— 1 e kannt. Noch heute exiſtiert geheime Tür, durch welche der damals 20 jährige Hiſtorienmaler Peter Ferdinand Deurer mit Hilfe r Gemälde eines Schreinergeſellen im März 1799 die größte de durch 5 Remiſen des angrenzenden Koſackenſtalles fortſchaffte, wäh⸗ rend vor den verſſegelten Türen der Galerieſäle auf dem Korridor die franzöſiſchen Poſten patrouillierten. Die ältere Pinakothek in München bewahrt jetzt die Meiſterwerke, die einſt unſer Schloß ge⸗ ſchnückt haben. Während der letzten Jahre der Zugehörigkeit Mannheims zur Pfalz blieben de 9 5 Räume verwaiſt. Erſt der neue badiſche Herr⸗ ſcher bemühte ſich wieder, für die großen Bilderſäle einen Schmuck Im zu 9 Im Jahre 1803 bot ſch ihm—— Se eine ganze Bildergalerie auf einmal zu kaufen. Graf Giuſeppe uc cheſi, nach den kurzen Berichten, die von ihen erzählen, der typiſche, aalglatte politiſche Geſchäftemacher ſener Zeit, der es ver⸗ ſtand, neben ſeiner dienſtlichen Miſſion für ſeine Herrin, die Königin aroline von Neapel, überall ſeinen perſönlichen Gewinn zu finden, dieſer geſchickte Unternehmer brachte es fertig, an Karl Friedrich Gemälde zu verkaufen. Er erhielt dafür eine Bezahlung von Porträts beſtimmt hat. Man iſt in e ernt von den Worten von Rafael Mengs, doß der Künſtler durch Auswahl des beſten die„natürlichen Sachen“ verbeſſern olle. Und von Mengs 0 61000 Gulden Reichswährung, von denen im 11000 Gulden dar ausbezahlt wurden. Der Reſt wurde in Fahresraten zu 10 000 Gulden getilgt. Dieſe Gemälde bilden den Grundſtock urſerer heute langt, ſo hat er ſich doch eine gute Doſtz nach zuletzt mit ſeiner Ueber die Künſtlerperſönlichkeit ur rein dekorativen Malerei in t freilich nur in der Verbindung mit der im waren es ebenſo wie bei zahl⸗ irkungen eines undert ausgelebt tlos, ſie 1 7 inne kosmopolitiſch. Sch mnceimer Malerei aus Bodens heraus und echt⸗ in reiten der Mannheimer Bautätigkeit, mit der und Jeſuitenkirche. Sie 10 mit der 1 itterſaale des Mann⸗ ſbammen von feiner 1 unter der Regierung Carl Fresken Antonio Pellegrin's in n der Hofmaler S„Baumann und Brinckmann, vor ngemälde des großen Bibliothelſaals von der ind Lambert Krahe's, die„Entſchleierung der Wahrheit durch die Zeit“ wiedergebend. Dies iſt wiederum ein Bekenntnis echt höfiſcher uſionismus zu überſiedelte. Die Schilderung Johann Chriſtian Mannlichs der Galerie nach München iſt be⸗ übereinander ſind die Bilder jetzt über die Wände verteilt, ſondern weit und licht hängen ſie in den ſchönen Sälen. Betritt man die Galerie durch den neuen Eingang, ſo ergibt ſich für den Beſucher folgender Rundgang: einen 9. 10 Man wendet ſich nach rechts in rau geſtrichenen Saal, in welchem der Hauntbeſtand der deutſchen Bilder hängt. Wir bemerken dort das köſtliche kleine Porträt des Kaufherrn Anton Fugger von der Hand des Ulmer Künſtlers Hans Maler von Schwaz. Daneben hängt das ſchöne Cranachbild, das Direktor Dr. Wichert vor wenigen Jahren erſt für die Kunſthalle erworben hat. 5 prachtvoll dekorative Gemälde von Johann Heigrich Roos geben ſchließlich dem Raum ein beſonderes Gepräge.— Der nächſte Raum umfaßt eine kleine Sammlung jener manieriſtiſchen Künſtler, die im 17. und 18. Jahrhundert beſonders in den Niederlanden teig waren. Gut heben ſich die leicht etwas ſüßlichen Farben der Bilder eines Walraven, Gerard, Hoet oder Janneck von dem herb roſa ge⸗ haltenen Anſtrich der Wände ab.— Der erſte Raun, der nun . langen Reihe von Bilderſälen iſt der kleine Eckſgal im * 8 urm. Es iſt auch der erſte in ſeiner Ausſtattung reich gehaltene — Dieſe Fresken, das Parisurtell, das des Olymp, den] Raum auf unſerem Rundgang. Vertäſelungen mit vergoldetem Triumph der Religion darſtellend, ſind aus Patronat des Kur-] Schnitzwerk zieren die Wände und die Fenſterleibungen. Eine fürſtentums heraus entſtanden. Ste prachtvolle Stuckdecke ſpannt ſich über den Raum; das Parkett des Fußbodens iſt durch eingelegte Muſter ſchön geſchmückt. In dieſem Saal kommt— wohl weil er der kleinſte iſt— am fare dae rokokohafte der Anlage zum Ausdruck, Deshalb ſind hier ein paar beſonders charakteriſtiſche Rokokobilder aufgehängt, vor allem das Paſtell vom Grafen Pietro da Rotari, das briefſchreibende Mäd⸗ chen, welches aus den Beſtänden der Kunſthalle hierher über⸗ nommen wurde. Als Blickpunkt durch die Flucht der Säle iſt ein Porträt Karl Theodors aufgehängt worden, das von zwei mehr a Bilder von Johann Heinrich Tiſchbein flankiert wird. — Der Inhalt der nun folgenden Säle iſt nach Schulen geordnet., Durch den Anſtrich der Wände wird ſ äußerlich angezeigt, wenn eine neue Abteilung beginnt. Ein blaugrüner Saal enthält die Bilder der Franzoſen, zwei gelbe ſind mit Werken italieniſcher Meiſter gefüllt, wührend zwei grüne ſchließlich die Niederländer beherbergen. Im zweiten Niederländerſaal verlaſſen wir dle fflucht der Bilderſäle und biegen nach links auf den Gang ab. Wir wenden uns zum Eingang zurück und bemerken, daß eine ganze Hälfte des Gange in Kabinette verwandelt worden iſt. Auf ruhigem, eroß⸗ gemuſtertem Stoff hängen hier die köſtlichen kleinen Arbeiten der niederländiſchen Meiſter, die bisher in den Rieſenſälen unter⸗ gegangen waren in der Menge der gleichgültigeren Bilder. Hier haben dieſe kleinen Kabinettſtücke gutes Licht, hier kann man ſie in ihrer weiten Hängung einzeln betrachten und genießen. So iſt dieſer Teil des früheren Ganges zu einem wichtigen Beſtandteil der Galerie geworden.: Wir haben noch zwei Säle der langen Flucht und den hinteren Teil des Ganges nicht beſichtigt. Wir kehren zurück 80 dem zweiten Niederländerſaal und gehen in den nächſten großen Saal, an deſſen Wänden ernſt und e die Rieſenporträts-Karl Philipps, Karl Theodors und ſeiner Gemahlin Eliſabeth Auguſte ſowie Georgs J. von England hängen. Aber dieſe Bilder, die ſich im Format ſo glücklich dem großen Saal einfügen, ſind hier nicht die Hauptſache. In den N bemerken wir ſchon drei Vi⸗ trinen mit Kupferſtichen, die auf die künftige Beſtimmung des Saa⸗ les hinweiſen. Hier ſoll ſpäter, wenn erſt e e Inſtand⸗ ſetzungsarbeiten abgeſchloſſen ſind, die prachtvolle Kupferſtichſamm⸗ lung Antons von Klein zur Beſichtigung vorgelegt werden. Hier, im nächſten— letzten— Saal und in der anſchließenden Hälfte des Ganges ſollen aus den Beſtänden dieſer großen Kupferſtichſammlung ſtets wechſelnde Ausſtellungen ausgehängt werden. Zur Eröffnung letzt iſt eine Schabkunſtausſtellung zu ſehen, die einen Ueberblick über die künſtleriſchen Aeußerungen in dieſer Technik von* Zeit ihrer Erfindung in der Mitte des 17. Jahrhunderts an bis in den Anfang des 19. Jahrhunderts hin gibt. Prachtvolle, ſeltene Exem⸗ lare wird der Kenner hier finden, wie ſie in wenigen Kupferſtich⸗ abinetten vorhanden ſind. Und ſo wird in Zukunft noch mancher Schatz. der ein Jahrhundert lang in den Käſten verſteckt war, aus der Menge der 23 000 Kupferſtiche hervorgeholt werden. Dieſer wichtige, ja vielleicht bedeutendſte Teil der 1 ſoll in Zukunft ſyſtematiſch und ausführlich der Oeffentl chkeit gezeigt werden. 5 Galerie noch zu wünſchen. Viel bleibt bei der neueröffneten Gar tnanches Bild bedarf ſorgfältiger Pflege und Behandlung, tau⸗ ende von Kupferſtichen ſind in Paſſepartouts zu faſſen. die geſamten eſtände der Galerie harren noch der eingehenden wiſſenſchaftlichen Bearbeitung. Das koſtet alles viel Jeit und noch mehr Geld. Nur allmählich können die Wünſche, die ſich dem Kenner unwillkürlich aufdrängen, erfüllt werden. Daß aber die bis jetzt geleiſtete Arbeit chon ein gut Stück vorwärts geht auf dem Wege zur Wleder⸗ 1 50 der Gälerie, davon niag ſich jeder Beſucher ſelbſt über⸗ — — — Mannheims Beziehung zu Düſſeldorf im 18. Jahrhundert Von Dr. Willy Oeſer Mannheim Wie ſehr einer Stadt die Förderung der Kunſt Ehre gereicht, das ewe die ruhmvolle Geſchichte der Stadt Mannheim im 18. Jahrhundert. Da war ſie ein kultureller Mittelpunkt mit weiten Ausſtrahlungen, mit Beziehungen zu anderen Kulturzentren, zumal Frankreich und dem Rheinland, woſelbſt wiederum user eine vornehmliche Stellung einnimmt. Das weſentliche Moment aber dieſer Kunſtpflege war die P che Leiſtung, die ſie begünſtigte. Hervorragende ünſtler aus allen Ländern fanden am Hof des kunſtſinnigen Carl Theodor ein Feld für reiche Arbeit, die geachtet und fürſtlich belohnt wurde. Und nach den Werten eben wird die Geſchichte die Zeit⸗ perioden bemeſſen, die dieſe ſelbſt zu ſchaffen vermochten. Soll nun hier im Verlauf einer kurzen Betrachtung die Bezie⸗ bung Mannheims zu Düſſeldorf feſtgehalten werden, ſo ſei hierbei nur auf das hieſige Schloß Bezug genommen. Dennoch iſt wohl eln Hinweis darauf angebracht, daß das Paradeplatzdenkmal(natür⸗ Uch ohne die Brunnen, die erſt in dieſem Jahrhundert hinzukamen) in Düſſeldorf von dem Bildhauer Grupello 8 und auf dem Rhein nach hier verbracht wurde. Dieſer Umſtand gab ja zu der irrtümlichen Behauptung, das Denkmal Johann Wilhelms von Gru⸗ pello ſei nach Mannheim geſandt worden, Veranlaſſung. Der große Bücherſaal der hieſigen Schloßbibliothek iſt der Ausgangspunkt für die wichtigſten künſtleriſchen Gemeinſam⸗ keiten der beiden Rheinſtädte im 18. Jahrhundert. Zwei Künſtler von Können und Ruf haben hier wie dort zuſammen gewirkt: Nicolas de Pigage und Lambert Krahe. Von Pigage ſtammt die Anlage des großen Bücherſaales der liothek. Es Ger fal im einzelnen wiederum auf die Koſt⸗ barkeiten dieſes Saales hinzuweiſen. Als allgemeines Merkmal, das für die Veranlagung und Ziele des Meiſters zeugt, iſt eine feinfühlige Zurückhaltung zu verzeichnen, die ſich in der Vermeidung alles über⸗ ladenen Prunkes ausdrückt. Dabei wußte— was nie genug bei⸗ 1 15 15 betont werden kann— der Künſtler in dieſem dreigliedrigen leriebau den Sinn des Saales beherrſchend herauszubilden: Das Buch iſt Träger der geſamten Raumidee. So entſtand gewiſſer⸗ maßen ein Muſeum des Buches, in dem die Werke der Dichter und Denker gleich feierlich dargeboten werden wie Gemälde und ſonſtige künſtleriſche Schöpfungen. Underen nüchternen Zweckbauten gegenüber dünkt dies wohl als luxuriöſer Aufwand, bleibt aber den⸗ moch jener Zeit ein ehrenvolles Denkmal einer Achtung der Dichter und Gelehrten, deren weſentlicher Inhalt ſich nicht in bürokratiſcher Regiſtrierung erſchöpft. Pigage, der ja auch die Pläne für Schloß und Garten in Schwetzingen entworfen hat, erbaute nun in der niederrheiniſchen Domäne des Kurfürſten das Schloß Benrath bei Düſſel⸗ dorf. Dieſes in der Art des Schloſſes von Sanſſouci gehaltene Bauwerk iſt einſtöckig. Eine große Freitreppe führt zu einer vorge⸗ bauten Terraſſe. Im Innern iſt der Bau wieder durch prächtige Stuckornamente belebt. Als Hauptſaal muß der von einer— 5 überwölbte Speiſeſaal gelten, deſſen Fußboden mit einem kunſtvollen Marmorbelag bedeckt 1 Die feinſinnige Kultur ſelner Kunſt un dieſer Lothringer, der 1721 zu un geboren iſt, an der Made nie zu Paris und auf zahlreichen Reiſen durch Frankreich, Italien und England. Auch die praktiſche Arbeit, die er bei ſeinem Vater in Luneville leiſtete, war für ihn fruchtbar. Sein Vater war Hofbaumeiſter bei König Stanis⸗ laus, dem Polenkönig, einem eifrigen, verdienſtvollen Förderer aller Künſte. Pigage kam 1748 in kurpfälziſche Dienſte. Er ſtarb zu Mannheim 1796. An Ehren hat es ihm nicht gefehlt. So war er auch Mitglied der königl. Akademie für Baukunſt zu Paris. Johann Lambert i e Maler des Soen Decken · — in der Schloßbibllothek, arbeitete auch im ſich von ihm vier Plafondgemälde(u. a. eine Darſtellung olympiſcher Götter). Sein größtes Werk iſt das Deckenbild in Mannheim, das die„Entſchleierung der Wahrheit den Künſten und Wiſſenſchaften durch die Zeit“ verbildlicht. Auch über dieſes Bild iſt ſchon genügend geſprochen worden. Es bleibt e kün iin e Anlage und ſeiner geiſtigen Idee bedeutſam. ider iſt es in ſeiner Urfaſ⸗ ung, beſonders was die Farben anbelangt, nicht mehr rein erhalten, 1868 eine Renovation— dankenswart, aber nicht glücklich— er⸗ folgen mußte. Krahe iſt auch als Muſeumsmann mit Erfolg hervor⸗ getreten. Er ordnete die Galerie in Düſſeldorf, die wohl auch durch Bilder ergänzt wurde, die Krahe aus Italien mitbrachte, die ihm aber nicht die Summe eintrugen, die er erhofft hatte. Auf dieſe Neuordnung nimmt auch wohl die Beſprechung der Düſſeldorfer Gemäldegalerie Bezug, die Maler Müller, der mit Krahe befreundet war, in den Rhein. Beiträgen zur 8 veröffentlichte. Wie⸗ derum greift nun Pigage ein in die Arbeit Krahes. Er gibt 17.8 einen großen Katalog der Düſſeldorfer Galerie heraus, mit ein⸗ 8 Beſchreibung der einzelnen Bilder und mit vielen Stichen. rahes Ordnung der Düſſeldorfer Sammlung fand ſo günſtige Auf⸗ nahme, daß er 1784 auch mit der Ordnung der Münchner Galerie betraut wurde. Ein ganz beſonders Verdienſt Krahes aber bildet die 5 der Düſſeldorfer Gemäldeakademie, die in der 3 ſache dem Künſtler zu danken iſt, der auch ihr erſter Leiter wurde. Das Leben dieſes Menſchen ler iſt 1712 zu Düſſeldorf geboren, wo er auch 1790 ſtarb), ſtand unter einem gütigen Stern. War er auch von Hauſe aus arm, kam er doch im Gefolge des Grafen Pletten⸗ berg nach Italien. Der a und wieder ſah ſich Krahe in bedrängter Lage. Aber ein Jeſuit erkannt ſein Talent und förderte es 5 für Heiligenbilder, die für Indien beſtimmt waren. Seine Begabung ſetzte ſich bald durch, zumal er durch Studium an der Antike und Rafael ſich ſehr weitergebildet hatte. So wurde er Prafeſſor an der Akademie S. Luca in Rom und an der Akademie in Florenz. Sein Gönner war Kardinal Valenti, der— mit gutem Gewiſſen und nicht als Protektionsmache— 1755 Krahe an Carl Theodor empfehlen konnte. f Es dürfte einmal— als wenig deachtet— am Au ſein, auf die beiden Meiſter hinzuweiſen, die Krahe in Italien künſtleriſch wie materiell unterſtützten. Es iſt dies vor allem Pierre(oder auch Hubert genannt) Subleyras, ein Franzoſe aus der Schule von Ant. Rivalz. Dieſer hatte 1726 mit einem Gemälde„Die eherne Schlange“ den großen Preis der Akademie und eine Penſion zum Studium in Rom erhalten. Subleyras, der auch als Gatte der aus⸗ gezeichneten Miniaturmalerin Maria Felice Tibaldi bekannt wurde, war es wohl, der als Mitglied der Akademie von S. Luca Krahe dahin empfahl, wie er auch Krahe wohl die Aufmerkſamkeit des Kardinals Valenti verſchaffte. Denn unter den Gemälden. befindet ſich ein Porträt dieſes Kirchenfürſten. In der Bild- kompoſition und der leicht 2 der Meiſter im Schüler nachwirken. Zu Caracci, deſſen Studium Krahe in Rom eifrig oblag, wies ihn wohl ſein anderer Lehrer Marco Benefial, ein Italiener, der auch zu Domenichino neigte. Das Bild Krahes hat uns der in Mannheim lange tätig ge⸗ weſene Maler und Kupferſtecher Joſeph Fratrel erhalten. Fra⸗ trel, der vornehmlich als Maler tätig war(er war auch Ehren; mitglied der Düſſeldorfer Akademie) fügt ſich dennoch würdig in die hervorragende Reihe der Mannheimer Kupferſtecher ein.(Vergleich in der Schriftenreihe des Mannheimer Altertumsvereins: Max Oeſer, Geſchichte der Kupferſtechkunſt zu Mannheim im 18. Jahr⸗ hundert, dem auch dieſes Bild entnommen iſt). Fratrel, wie Pigage ein Lothringer, verdankt ebenfalls viel dem 7 85 Stanislaus Leszezinski, deſſen Hofmaler in Nancy er vor ſeiner Ueberſiedlung nach Mannheim war. N So war jene Kunſtpflege in Mannheim im 18. Jahrhundert nichts weniger wie lokal begrenzt, was ſchon die univerſelle Bil⸗ dung dieſer Künſtler und die Breite ihrer Wirkſamkeit beſtätigt, was aber auch in zahlreichen anderen Gebieten, der Muſik, der Wiſſenſchaften ſcheint. 8 den der Literatur, ebenfalls reichlich nachweisbar er⸗ 0 chloß Benrath bei Düſſeldorf zum Schmuck der Architektur Pigage's. Dort befinden raziöſen Meiſterung des Stoffes nag Ein Bildnis des Komponiſten Johann Stamitz Von Dr. 8. Kayſer Mannheim So wie in der Bibliothek des Mannheimer Schloſſes ſich man. ches Werk findet, das man in Paris vergebens 127 5 wird, ſo müſſen wir zuweilen Dokumente dieſer Stadt aufſuchen, die uns in der Heirnat unzugängliche Zeugniſſe der Vergangenheit geben. So erhalten wir über den Mannheimer Komponiſten Johann Stamitz einige wertvolle Aufſchlüſſe durch die 1753 in Paris zuerſt aufgelegte Schrift des auch als N Muſikſchriftſteller tätigen Aufklärers Baron von Grimen„ petit prophète de Boemisch- Broda“. In dieſer Satire wird den Pariſern als einziger muſi⸗ kaliſcher Heilbringer kein anderer entgegengehalten als— Johann Stamitz. Die Schrift überliefert alſo ein geiſtesgeſchichtliches Por⸗ trät des Mannheimer Muſikers,„deſſen Name zu allen Zeiten heilig ſein wird“, wie ſein, ihn faſt um ein halbes Jahrhundert über⸗ lebender Zeitgenoſſe, Johann Adam Hiller, ſagte. Aus dem gleichen Paris iſt uns jedoch auch das einzige Bild von Johann Stamitz er⸗ halten, das von ihm bisher entdeckt werden konnte. Es findet an einer ſo wichtigen Stelle, daß es ſich verlohnt, kurz auf die Miſſion des Komponiſten in Paris hinzuweiſen. Nachdem er bei der Frankfurter Kaiſerkrönung 1742 großes Aufſehen als Violinvirtuoſe erregt hatte und 1745 Konzertmeiſter und Kammermuſikdirektor Karl Theodor geworden war, trat Stamitz 1748—51 und 1754—55 als Violinvirtuoſe und Komponiſt in den Pariſer Concerts spirituels außerordentlich erfolgreich auf; ſogleich machte ſich ſein Einfluß in der Orcheſtrierung und in den Tonſatzformen bemerkbar. Schüler in England, Holland und Frankreich verbreiteten von Paris aus ſeine Neuerungen, die den Sinfonies d'Allemagne in den drei Ländern zur Macht und Be⸗ deutung verhalfen. Auch nach der füngſten, der glänzend geſchriebenen und von ganz neuen Geſichtspunkten geleiteten„Geſchichte der deutſchen Muſik“ des jetzigen Heidelberger Profeſſors H. J. Moſer liegt Stamitz' Hauptbedeutung in den Orcheſtertrios und Sinfonien und erſt danach in ſeinen Violinkonzerten. Das ſollte jedoch ſeine rein hiſtoriſche Bedeutung als Violinſpieler und ⸗Komponiſt nicht ver⸗ kennen laſſen. Der Ort, an dem uns ſein einzig überliefertes Bild⸗ nis entgegentritt, zeigt es mit aller Deutlichkeit. Im Jahre 1757 — alſo noch zwei Jahre vor Händel!— ſtarb Johann Stamitz noch nicht N 7 755 1798 erſchien bei Decombe in Paris das Werk eines Franzoſen:„L Art de Violon“, auf deſſen Titel⸗ blatt ſich das Bild des Komponiſten Stamitz als des Repräſen, tanten der deutſchen Violinſchule neben Leopold Mozart, dem Vater Wolfgangs, befindet. Das uns vorliegende Exemplar ſtamtnt aus dem Jahre 1801. g Das zu ſeiner Zeit weit verbreitete Sammelwerk leitete alſo, mit dem bereits auf dem Bildtitel hervorgehobenen Johann Stamitz als dem Vertreter klaſſiſcher deutſcher Violimnuſik, das neue Jahr⸗ hundert ein. Der genaue Titel des über 300 Seiten ſtarken Bandes lautet: „L'Art du voilon ou division de écoles choisies dans les sonates Italienne, Frangaise et Allemands“. Der Herausgeber der nach Hugo Riemanns Urteil„hochwertvollen“ Sammlung iſt der ſeinerzeit ſehr bedeutende Violiniſt Jean Baptiſte Cartier, 1765 in Avignon geboren. Er war Schüler des„Vaters des modernen Violinſpiels“, Giovanni Battiſta Viotti, Akkompagniſt der Marie Antoinette, nach deren Hinrichtung Violiniſt an der Oper bis 1821, ſeit 1804 in der kaiſerlichen Kapelle(Napoleons), dem⸗ entſprechend der Königlichen bis 1830, von da an penſioniert bis zu ſeinem Tode(1841). Er ſchrieb Violinvariationen, Etuden, Sonaten, auch zwei Opern uſw. Die Einleitung, die er dem Sammel- band vorausſchickt, iſt auch heute noch durchaus nicht wertlos. Sechs Komponiſten hat Cartier als Repräſentanten der drei muſikaliſchen Stämme ausgewählt und ihre Bildniſſe auf das Titel⸗ blatt ſeiner Sammlung geſetzt: Tartini und Corelli für Italien, Gavinié und Leclair für Frankreich, Leopold Mozart und Johann (Giovanni) Stamitz für Deutſchland. Das Bild des letzteren, das uns hier allein intereſſiert, iſt, wie das der fünf anderen, ein Medaillonbild, aus dem ſich trotz des entſprechend kleinen For nats ſehr wohl individuelle Züge erkennen laſſen; es gelangt hier in doppelter Vergrößerung zur Wiedergabe. Das Schloßmuſeum hat ihm in dem Theaterſaal einen Platz eingeräumt und zwar in einer noch ſtärkeren, auf photographiſchem Wege hergeſtellten Vergröße⸗ rung, für die der Verfaſſer das ihm vorliegende Exemplar zur Verfügung ſtellte. — 0 Das archaeologiſche Muſeum im Mannheimer Schloß Von Dr. Felix Waſſermann Mannheim Der Sinn des archäologiſchen Schloßmuſeums kann es natürlich nicht ſein, den großen Sammlungen mit ihren Schätzen von Kunſtwerken erſten Ranges Konkurrenz zu machen. Die blen⸗ dende Schönheit der Einzelwerke, wie ſie dem nur äfſthetiſch ein⸗ geſtellten Genießer allein zuſagt, findet ſich hier weniger; dafür iſt hier eine Wirkungsmöglichkeit gegeben, die man in den großen Muſeen manchmal vermißt, nämlich Lebensformen und Klusdrucks⸗ illen der einzelnen Zeiten und Völker nicht durch wenge Groß⸗ werke, ſondern durch eine Fülle von Zeugniſſen ihres durck“cnitt⸗ lichen Schaffens zu illuſtrieren. Bilden doch diejenigen Werke, die man vom rein künſtleriſchen Standpunkt aus als erſtraugig be⸗ zeichnen kann, überall nur eine verſchwindende Minderzahl deſſen, was in einer Zeit wirklich geſchaffen wird. Da wäre es nun un⸗ billig, dieſes ganze andere Schaffen um dieſer wenigen Werke willen zu vernachläſſigen, wozu die Gefahr gerade bei großen Sammlungen nahe liegt. Die vielen Schöpfungen, die nicht die höchſte Vollendung erreicht haben, ſind doch aus dem gleichen Geiſt geboren wie die Meiſterwerke, aus demſelben Ringen um Gehalt und Form, ja ſie zeigen oft klarer die Befonderheit einer einzelnen Epoche als die überzeitliche Größe einer genialen Schöpfung. So will auch die Mannheimer Sammlung mehr der wiſſenſchaftlichen Erkenntnis dienen als dem äſthetiſchen Genuß: ſie will die vor⸗ geſchichtlichen und geſchichtlichen Vorausſetzungen unſerer eigenen Kultur zeigen in ihrer doppelten Wurzel, bei den Griechen und Römern einerſeits und andererſeits in der keltogermaniſchen Kultur, miſchung des weſtlichen Deutſchlands. Für den Beſucher des Muſeums ſind es nach den prähiſtorſſchen Funden, deren Aufſtellung noch nicht abgeſchloſſen iſt, zunächſt die Zeugen der griechiſchen Welt, die einen geſchloſſenen Komplez bilden. In den Vaſen zeigt ſich die Entwicklung von der geo⸗ metriſchen Gebundenheit der Frühzeit über die naive Freude an den Formen der lebendigen Welt bis zu dem Ausreifen im ſchwarz · und im rotfigurigen Stil; jenes Heranbilden des feinen Schwunges der Linie, die in ihrer Vereinigung von Ausdrucksſtärte und Anmut das Streben nach harmoniſcher Konzentration des geiſtigen Weſens verrät, wie es den Griechen als die eine ihrer Grundkräfte zu eigen iſt. Wenn uns die Vaſenbilder den Abglanz der großen Malerel mit ihren aus dem Leben und aus der Mythologie gegriffenen Stoffen darſtellen, ſo finden wir die Gedanken der Plaſtik neben den Kleinbronzen in zahlreichen Terrakottaſtatuetten wieder, in denen in graziöſeſter Haltung und Bewegung die elegante Frauen⸗ ſchönheit der helleniſtiſchen Zeit uns anblickt, hübſch in Gruppen zu⸗ ſammengeſtellt, wie ein Augenblicksbild des damaligen Lebens. Da⸗ neben verraten Karikaturen, wie der künſtleriſche Realismus dieſer Zeit als echter Begleiter der Komödie einzelne Menſchentypen mit beſonders in die Augen ſtechenden Zügen in drolliger, noch für uns wirkſamer Uebertreibung feſtgehalten hat. a Neben den Griechen erſcheinen uns die Bewohner der Upen⸗ ninenhalbinſel in den Schöpfungen der Etrusker, ſenes Volkes, von dem ſo vieles ſtammt, was dann als römiſch ſeinen Weg in die Weltkultur gefunden hat. Bei der großen Bedeutung des Totenkults bei dieſem Volk iſt es nicht verwunderlich, wenn uns hauptſächlich Gräberfunde von ſeinem Weſen und ſeiner Geſchichte erzählen. In Vafen und anderen Grabbeigaben zeigt ſich das auch für die römiſche Kulturentwicklung wichtige Verhältnis der etruskiſchen Kunſt zur griechiſchen. Die zuerſt eingeführte griechiſche Maſſen⸗ ware weicht in den ſpäteren Gräbern mehr und mehr den Erzeug⸗ niſſen einheimiſcher Kunſt, die in ſteter Fühlungnahme mit gleich⸗ zeitiger helleniſcher Form doch das Durchſetzen einer beſonderen italiſchen Art der Geſtaltung aufweiſt. Ein beſonderer Raum iſt für das Hauptſtück der etruskſſchen Sammlung, für die Aſchenkiſten, beſtimmt. Hier glaubt man faſt, in Wirklichkeit in einer jener unterirdiſchen Grabkammern dieſes Volkes zu ſein; ſo ſehr täuſcht die ganze Geſtalt des Raumes, zu⸗ mal bei künſtlicher Beleuchtung, die Echtheit des Milieus vor. Am Ende der Schmalwand eine Niſche, die Platz für eine größere Aſchenkiſte läßt; die andern haben, ganz der Wirklichkeit ent pre⸗ chend, ihren Platz auf den die Seitenwände begleitenden Bänken zefunden. An den Seiten tragen dieſe Kiſten mannigfache Szenen aus der griechiſchen Mythologie, umgeſetzt in die Geſtaltung eines Volkes, das ſeinem Weſen nach an Stelle helleniſcher Anmut eckige und wuchtige Energie des Ausdrucks bringen muß. Die Wände des Raumes ſelbſt tragen große farbige Nachbildungen von etruskiſchen Grabmalereien aus Tarquinia, der Hernat des bekannten römiſchen Königsgeſchlechts. Da ſehen wir in den Farben des Originals die Freuden und Leiden des ſenſeitigen Lebens. Die Seligen freuen ſich am Rhythmus des Tanzes und an den frohen Genüſſen reich⸗ licher Mahlzeit. Dann aber ſehen wir wiederum Dämonen mit entſetzlichen Fratzen und die armen Sünder, die ihrer nicht ſehr ſanften Obhut unterſtellt ſind. Auch der Herr der Toten ſelbſt er⸗ ſcheint, Hades mit der Wolfskappe. Der unmittelbare Einfluß der griechiſchen Wandenalerei verrät ſich in der lebendigen Bewegtheit der Geſtalten bei aller Einordnung in die Fläche. Natürlich hat ſich auch hier wieder der urſprüngliche weiche Fluß der Linien in eine harte Eckigkeit umgeſetzt. Weitere Aufklärung über das altitaliſche Leben geden uns neben Baureſten und zahlreichen Bronzeſtatuetten mannigfache Gebrauchs⸗ gegenſtände des täglichen Lebens, die uns auch von den Etruskern zu ihren Erben, den Römern, führen. Da finden wir Wage, Spiegel, Keſſel und ähnliche Geräte, die ſelbſt wieder über den praktiſchen Gebrauch hinaus Träger künſtleriſcher Form geworden ſind. Die politiſche und wirtſchaftliche Entwicklung zieht in den Münzen an unſeren Augen vorüber; hier iſt auch Roms Gegnerin, Karthago, mit bedeutſamen Stücken vertreten. Mit den Römern komen wir nun nach Deutſchland ſelbſt. Inſchriftſteine und Plaſtiken führen uns von der Donau über Neckargebiet und Odenwald nach Ladenburg, das mit Neckarau und Altrip wertvolle Zeugniſſe aus Mannheims unmittelbarer Um⸗ gebung liefert. Hier wird der Anſchluß an den rheiniſchen Streifen der römiſchen Provinzialkultur erreicht; und ſo erſcheint in drei weiteren Sälen die Stein gewordene Geſchichte Germaniens von der Pfalz bis zum Niederrhein; Mainz tritt da als Zentrum natürlich beſonders hervor. Worte und Bilder reden von jenem Sichdurch⸗ dringen keltiſcher, germaniſcher und römiſcher Einflüſſe, das ſich hier in den Jahrhunderten der römiſchen Herrſchaft vollzog. Sie erzählen von dem militäriſchen Stolz der Soldaten, die in ſiegreicher Geſte auf ihren Grabſteinen zukünftigen Generationen entgegen⸗ ſehen, im Bewußtſein, in dieſem Grenzland die Hauptrolle zu ſpielen. Begreiflich iſt in jener Zeit welterſchütternder Umwälzung das Ueberwiegen der Kultdenkmäler, mögen ſie nur der Verehrung der Provinzialgötter oder der Reichsgottheiten aller möglichen Schat⸗ tierungen entſpringen. Da erſcheinen die großen Götter des Oſtens, durch kaiſerliche Gunſt geradezu zu Staatsgöttern geworden: Mithras und die Große Mutter, und mit ihnen auch die Symbole der Myſterienreligionen, die Fackel und das erlöſende Waſſer. In bunter Geſellſchaft miſchen ſich die Götter und ihre Attribute; aus der weltbürgerlichen Großzügigkeit des Imperiums haben ſie ſich hier in die bodenſtändigen Fornen der Provinzialkunſt eingeordnet, wie das etwa bei den mehrfach vertretenen Viergötterſteinen, auch bei den kompofitionell intereſſanten Gigantenreitern und Matronen⸗ göttinnen zur Geltung kommt. Die letzten Widerſpiegelungen der raffmmlerten Kunſt in den alten Kulturländern des Reichs treffen ſich hler mit kernhaft ur⸗ wüchſigem Geſtaltungswillen, der mehr ausdrücken will als ſeine techniſchen Mittel ihm erlauben, wo ſich das Hineinwachſen einer neuen, noch nicht entbundenen Kultur in die zur Neige gehende Antike ankündigt. Aber in dieſer Welt neuen Werdens zeigt ſich machtvoll die ſteinerne Ruhe des Imperiums in den Meilenſteinen, deren klare, geſchloſſene Zylinderform den Weg der Kultur an Rhein und Donau gleichſam durch die Säle begleitet. Gerade hier, wo die Aufgabe vorlag, eine zeitlich und örtlich bedingte Kultur als Geſamterſcheinung hervortreten zu laſſen und doch auch wieder die Denkmäler als Einzelzeugen zur Geltung zu bringen, muß man die Aufſtellung anerkennen, die durch Iſolierung an den Wänden oder inmitten der Säle die Einzelbetrachtung eines jeden Monuments ermöglicht, um dann doch wieder durch die Geſamtgruppierung die Einheitlichkeit innerhalb desſelben Raumes hervortreten zu laſſen. Abklatſche bedeutungsvoller Inſchriſften an den Wänden ſowie er⸗ klärende Zeichnungen und Bilder bringen die Denkmäler in ſinn⸗ vollen Zuſammenhang mit verwandten Erſcheinungen ihrer Zeit Aus dem römiſchen Germanien bringt uns eine noch in Aufſtellung begriffene Abteilung zu der Kultur der Völkerwanderung bis zu der Erfüllung der Germanen in einem eigenen Imperium durch das Frankenreich Karls des Großen. Wenn ſo das archäologiſche Muſeum in ſeiner Neuaufſtellung im Gegenſatz zu früher der Allgemeinheit erſt jetzt richtig erſchloſſen iſt, um eine wertvolle Bildungsſtätte für kulturhiſtoriſche und kunſt⸗ hiſtoriſche Intereſſen zu werden, ſo gebührt der Dank dafür vor allem ſeinem Leiter, Profeſſor Dr. Gropengießer, der trotz räumlicher Schwierigkeiten die Anordnung ſo getroffen hat, daß dem wichtigen Beſtand der, Mannheiner Sammlung nunmehr die Wir⸗ kung geſichert iſt, die er ſeit langem verdient. i „„ e VVV IEE IU f 8 Großherzogin Stephanie von Baden Bon Anna Kupferſchmid Donaueſchingen Es wird nur wenige alte Mannheimer geben, die noch ein per⸗ ſönliches Erinnern an Großherzogin Stephanie haben. Mannheim iſt Großſtadt geworden, eine arbeitsfrohe, weitſtrebende, großzügige Stadt; im Getriebe des Lebens eilt dem Mannheimer der Blick leichter vor. als rückwärts und wer die Statue der Dane in Empire⸗ tracht im Schloßpark ſieht, frägt ſich wohl gelegentlich:„Wer war das eigentlich, die Großherzogin Stephanie?“ N Ein nicht eben wichtiger Graf von Beauharnais hatte aus ſeiner erſten Ehe mit Frl. von Lezay⸗Marneſia, eine Tochter, Stephanie, die nach den Tode der Mutter von einer alten frommen Tante er⸗ zogen wurde. Er verheiratete ſich wieder und ſchien das Kind ganz vergeſſen zu haben. Unerwartet, als ſie 14 oder 15 Jahre alt war, olte ſie ihr Onkel M. de Lezay⸗Marneſia und ſtellte ſie ihrer nte Madame Bonaparte vor, die ſie hübſch und fein fand. Sie brachte ſie in die Penſion der Madame de Campan, welche ſie 1806 wieder verließ, um plötzlich von Napoleon adoptiert, zur kaiſer⸗ lichen Prinzeſſin erhoben und kurze Zeit darauf mit dem Erbprinzen von Baden vermählt zu werden. Sie war 17 Jahre alt, hatte natürlichen Verſtand, Heiterkeit und Uebermut, der ihr ſehr gut ſtand; ſie hatte ein angenehnes Aeußere, hübſchen Teint, lebhafte blaue Augen, ſchönes blondes Haar und eine reizende Stimme. Der Erbprinz von Baden verliebte ſich ſofort in ſie, fand aber anfangs keine Erhörung. Er war jung, aber ſehr plump, mit einem 1118 und ausdrucksloſen Geſicht, wortkarg, ſchien immer in erlegenheit und ſchlief bei allen Veranſtaltungen ein bißchen ein. Die junge, lebhafte, pikante Stephanie, ganz geblendet von ihrem Schickſal als Adoptivtochter des Kaiſers, den ſie nicht zu Unrecht für den erſten Herrſcher der Welt hielt, glaubte dem Erb⸗ prinzen eine große Ehre zu erweiſen, inden ſie ſeine Hand an⸗ nahm. Man ſuchte ihr das vergebens auszureden. Sie zeigte ſich ſehr bereit zu heiraten, ſobald es gewünſcht werde, aber ſie betonte unentwegt, daß die Tochter Napoleons Königsſöhne und Könige heiraten könne. Dieſe kleine Eitelkeit und ihre pikanten Schel⸗ mereien 3 dem Kaiſer und fingen an, ihn zu amüſieren. Seine Adoptivtochter begann ihm etwas mehr zu gefallen als nötig war und gerade als er ſie verheiraten wollte, verliebte er ſich in aller Oeffentlichkeit in ſie. Dieſe Eroberung verdrehte Stephanie vollends das Köpfchen und machte 2 noch impertinenter gegen den Erbprinzen, der ſich vergebens bemühte, zu ge fallen. Sobald der Kalſer dem Senat die Verlobung angcheige batte, erhielt die junge Stephanie ein eigenes 8 den Tuilerien. Sie empfing die Deputationen der Staatsbehörden. Bei der des Senats befand ſich auch ihr Vater, der eine ziemliche 1 t ent⸗ Rolle ſpielte. Sie nahm alle Glückwünſche ohne Verlegen gegen und beantwortete ſie ſehr gut. Als Tochter des Herſchers und übrigens recht ſehr in Gunſt, erhielt ſie auf Napoleons Befehl den erſten Rang nach der Kaiſerin und den Vortritt vor der ganzen Familie. Madame Murat empfand das höchſte Mißfallen darüber und konnte ihren Hochmut und ihre Eiferſucht nicht verbergen. Das junge Mädchen lachte darüber wie über alles und brachte auch den Kaiſer zum Lachen, dem alles ſehr ſpaßhaft ſchien, was ſie ſagte. Joſephine ſah dieſe neue Schwärmerei ihres Gatten ſehr un⸗ gnädig an. Sie machte ihrer Nichte ſehr ernſte Vorſtellungen und ſchilderte ihr, wie ſehr ſie ſich ſchaden würde, wenn ſie die Aufmerk⸗ ſamkeiten Napoleons, der ſie verführen wolle, nicht zurückweiſe. Stephanie zeigte ſich willfährig; ſie weihte ihre Tante in alle bis⸗ weilen etwas lebhaften Courmachereien ihres Adoptivvaters ein und verſprach, ſich von nun an zurückhaltend zu betragen. Stephagiens Konfidenzen führten zu großen Szenen zwiſchen Joſephine und ihrem Gemahl. Bonaparte machte wie gewöhnlich vor Joſephine kein Hehl aus ſeiner Neigung und fand es, ſeiner Allmacht bewußt, ſehr merkwürdig, daß ſich der Erbprinz von Baden durch ſeine Courmachereien verletzt fühlen ſollte. Doch machten ihn die Furcht vor einem Skandal und die vielen Augen, die auf das Spiel ge⸗ richtet waren, vorſichtiger. Andererſeits zeigte das ſunge Mädchen, das ſich blos amüſieren wollte, mehr Widerſtand als er erwartet hatte. Sie haßte jedoch ihren Gatten gründlich, ohne es zu ver⸗ bergen. Am Hochzeitsabend weigerte ſie ſich trotz allem Zureden, ihn in ihrem Zimmer zu empfangen. In den nächſten Tagen ging das junge Paar mit dem Hofe nach St. Cloud, aber nichts konnte die Prinzeſſin bewegen, ihrem Mann eine Annäherung zu geſtatten. Er brachte die Nacht auf einem Fauteuil in ſeinem Zimmer a bittend und flehend und endlich einſchlafend, ohne etwas erreicht zu haben. Er beſchwerte ſich bei der Kaiſerin, die ihre Nichte auszankte. Der Kaiſer half dieſer zwar, aber mit wichtigeren Dingen beſchäftigt, müde der Eiferſuchtsſzenen ſeiner Gemahlin, betroffen über die Gereiztheit des Erbprinzen und überzeugt, daß es Ste⸗ phanie nur um ein kokettes Spiel mit ihm zu tun ſei, willigte er in] ſch die Abreiſe des ſungen Paares nach Baden. Unter heißen Tränen verließ Stephanie Frankreich; ſchien ihr doch die neue Heimat das Exil zu ſein.(Mémoires de Madame de Rémusat.) Die Verhältniſſe, in welche die junge Prinzeſſin eintrat, waren ſehr komplizierte. Der regierende Markgraf Karl Friedrich, jetzt Kurfürſt, der Großvater ihres Gemahls, hatte in ſchon vorgerückten Jahren ſich in morganatiſcher Ehe mit der Freiin Luiſe Karoline Geyer von Geyersberg vermählt, die ſpäter zur Reichsgräfin von Hochberg erhoben ward. In ihren Salons war die edle geiſtige Höhe ihrer Vorgängerin, der Markgräfin Karoline Luiſe, nicht mehr zu finden. Sie war nur Weib und nichts als Weib. Dazu hatte ihre Stellung und mancherlei Kränkungen ſie ſtark reizbar ge⸗ macht. Sie war leidenſchaftlich, ſah alles vom perſönlichen Stand⸗ punkte aus an und wo ſie einen Feind witterte, ſchwieg jede Be⸗ ſonnenheit in ihr. Sie war keine Frau, die ſich für Politik intereſſierte und dieſe wurde ihr nur von Gewicht, wenn es ſich um die Befriedigung ihrer eigenſten Wünſche handelte. Ihr heißeſter Wunſch aber war, ihre Kinder, die ſie mit der größten Sorgfalt erziehen ließ, ebenbürtig und thronberechtigt zu ſehen. Für dieſes Ziel arbeitete ſie mit aller Inbrunſt der Liebe und des Haſſes, deren eine Muter fähig iſt. Karl Friedrich, dem ſie aus einer aufheiternden Gefährtin, der„Madame Sanſſonci“, wie er ſie nannte, die Pflegerin ſeines Alters geworden war, war mit ihren Abſichten ganz einverſtanden Sie war eine der eifrigſten Stützen für die badiſche Freundſchaft mit Napoleon, denn auf ihn ſetzte ſie ihre Hoffnung auf Anerkennung ihrer Söhne. Sie ſcheute keinen Bittgang zu den Abgeſandten des Kaiſers und wirkte rückhaltlos für die franzöſiſche Partei. Ihr Bundesgenoſſe war Markgraf 6 Ludwig, der 3. Sohn Karl Friedrichs, mit dem ſie den Einfluß auf dieſen teilte. Die öſterreichiſche Geſandtſchaft verabſcheute ihn als Schrittmacher Napoleons in der Familie, denn er ſchlug ſich auf Seite Frankreichs und betrieb emſig die Vergrößerung Badens. Der 2. Sohn des Kurfürſten aus ſeiner erſten Ehe, Markgraf Friedrich, beſaß weder Ehrgeiz noch Einfluß, hatte keine Kinder und lebte mit ſeiner Gemahlin, wie ein anſpruchsloſer Bürger, klebte aber an Vorurteilen und wollte von der Hochbergſchen Linie nichts wiſſen. Entſchieden die wichtigſte Perſon am Hofe aber war die Schwie⸗ gertochter Karl Friedrichs, die verwitwete Markgräfin Amalie, die Mutter des Erbprinzen Karl. Sie war an dem etwas eigenartig gewordenen Hofe die Hüterin altfürſtlicher Sinnesart, eine Frau, die ganz erfüllt war von dem Bewußtſein ihres Ranges. Dieſer Hochmut ſteigerte ſich noch, als ſie ihre Töchter auf den an⸗ geſehendſten Thronen Europas verſorgt ſah. Mit ganzem Herzen hing ſie am Hauſe Habsburg und an ſeinem Helden, Erzherzog Karl. Die Vermählung ihres Sohnes mit Mademoiſelle de Beau⸗ harnais war für ſie ein ſchwerer Schlag. Sie hatte ſich hartnäckig dagegen geſträubt, auch gegen Napoleon, aber ſie konnte die Heirat nicht abwenden.„Ich bin eine alte Frau“, erklärte ſie dem Kaiſer, „und hänge an Vorurteilen. Wenn ſie wenigſtens von Ihrem Blut, von Ihrer Familie wäre.“ Darauf fiel der Kaiſer haſtig ein:„Gut. dann adoptiere ich ſie.“ In dieſe Verhältniſſe trat die junge Stephanie ein kluges, zierliches Geſchöpf, voll beweglicher Anmut, aber noch ein richtiger Backfiſch. Karl Friedrich empfing ſie kühl, ebenſo die Morkgräfin, ihre Schwiegermutter, die aus Angſt, nicht mehr die erſte Rolle zu ſpielen, ihre abweiſende Haltung niemals aufgab, trozdem Stephanie mit viel natürlichem Takt jedes an⸗ maßende Benehmen unterließ.(Dr. Willy Andreas: Geſchichte der badiſchen Verwaltungsorganiſation und Verfaſſung in den Jahren 180218180 Großherzogin Stephanie von Baden en Ehegatten änderte ſich auch in Das tnis der lung Karlsruhe nicht. Stephanie blieb bei ihrer abweiſenden Haltung und bald wußte nicht nur der Hof, ſondern auch Stadt und Land, daß etwas nicht ſtimmte. Mitte Auguſt 1807 fand die Hochzeit des neuen Königs von Weſtfalen, Jero'ne, mit der Prinzeſſin Katharina von Württemberg ſtatt, zu der eine große Menge deutſcher Landes⸗ fürſten, darunter auch der Erbgroßherzog Karl mit ſeiner Gemahlin Stephanie nach Paris eilte. Man fand die junge Prinzeſſin noch öne und angenehmer, aber Napoleons Intereſſe an ihr war er⸗ loſchen. Dagegen entflammte ſich der leichtſinnige Jerome ſofort für ſie. Kokett, ein wenig leichtſinnig, fein und luſtig verdrehte ſie ja allein leicht die Köpfe und ſchien ſich ſehr über Jeromes Leiden⸗ ſchaft zu anüſieren. Sie tanzte mit ihm auf allen Bällen, und die arme Katharina von Württemberg, die ſehr zum Fettwerden neigte und nicht tanzte, ſah traurig von ihrem Sitz aus die jungen Leute an ſich vorüberſchweben. Denn ſie hatte eine tiefe Leidenſchaft für Jerome gefaßt. Eines Abends, mitten in einem Hoffeſte, als die beiden ihren Flirt gar zu toll trieben, ſah man ſie plötzlich blaß werden. Tränen ſtürzten aus ihren Augen, ſie lehnte ſich in ihren Stuhl zurück und verlor das Bewußtſein. Der Ball wurde ſofort abgebrochen. Die Kaiſerin bemühte ſich um die Ohnmächtige man hörte den Kaiſer einige herriſche Worte an Jerome richten und dieſer eilte zu ſeiner Frau, nahm ſie auf ſeinen Schoß und ſuchte ſie unter Liebkoſungen ins Leben zurückzurufen, was ihm auch ge— lang. Faſſungslos ſchluchzte ſie im Angeſicht des ganzen Hofes an ſeinem Halſe. Napoleon befahl Joſephinen am andern Tage, ihrer Nichte den Kopf zurechtzuſetzen und ein ähnlicher Befehl eraing an die Palaſtdame, Madame de Rémuſat. Sie hörte dieſe aufmerkſam an, als ſie ihr auseinanderſetzte, daß ſie ihre ganze Zukunft aufs Spiel ſetze, daß Pflicht und Vorteil ihr geböten, mit dem Erb⸗ großherzog auf gutem Fuße zu leben, daß es ihr Schickſal ſei, in einem anderen Lande als in Frankreich zu leben, daß man in Deutſchlands jedenfalls weniger nachſichtig über ihr Betragen urteile als in Paris, und daß ſie den Verleumdungen, die über ſie im Um⸗ lauf ſeinen, keine Nahrung geben dürfe. Stepbonie geſtand daß ſie ſich ſelbſt ſchon mehr als einmal ihre Unvorſichtigkeit vorgeworfen habe, daß aber etwas in ihrem Innern ſie unwiderſtehl!“ kinreiße, * duldete keinen Schatten auf ihrem Rufe.“ G. d. b. V. u. V.) Da gegen den Herbſt geſchah etwas Unerwartetes, Kaſpar Hauſer geworden ſein. ſich luſtig zu machen; daß ſie ſelbſt ſchon bemerkt habe, daß ſte nur noch als Prinzeſſin von Baden etwas ſei und daß man ſie an fran⸗ zöſiſchen Hofe nicht mehr behandle wie einſt. In der Tat hatte der Kaiſer, dem ſie gleichgültig geworden war, das ganze Zeremoniell für ſie geändert und ihr nur noch die Ehren bewilligt, die ihr als der Gemahlin eines Bundesfürſten zuſtanden, was ſie weit hinter die Damen der kaiſerlichen Familie zurückſetzte. Auch drücke ihr Gemahl keine Unzufriedenheit nehr aus, ſondern ſei nur no“ tief traurig. Zum Schluſſe umarmte ſie Madame de Rémuſat, indem ſie ſagte:„Sie ſollen mit nir zufrieden ſein“ Wirklich näherte ſie ſich am ſelben Abend auf dem Balle ihrem Gemahl, redete liebens⸗ würdig mit ihm und zeigte ſich gegen die Uebrigen zurückhaltend, was ſofort auffiel. Von da ab konnte man nicht das geringſte enehr an ihrem Betragen ausſetzen. Sie keyrte ohne jede Aeußerung des Bedauerns nach Baden zurück.(Mémoires de Madame de Rémuſat.) 0 In dem Verhältnis der beiden Gatten änderte ſich auch fetzt nichts. Wiederholt trafen heimliche Abgeſandte aus Paris ein, die der jungen Erbgroßherzogin im Auftrage Napoleons vorſtellen mußten, daß es für ihre Stellung unumgänglich notwendig ſei, ſich gut mit ihrem Gatten zu ſtellen, daß auch das Intereſſe Frankreichs das verlange und daß die ganze Zukunft Stephaniens davon ab⸗ hinge. daß ſie dem Lande einen Thronfolger ſchenke. Stephanie wollte ſich fügen; ab er es war zu ſpät. Der Erbgroßherzog war zu ſehr in allen ſeinen Gefühlen verletzt worden, ſeine Familie hatte zu ſehr gegen ſie geſchürt und vergebens bot ſie alle ihre Liebens⸗ würdigkeit und Koketterie auf, ihn an ſich zu feſſeln. Endlich fühlte ſie ſich in ihrem weiblichen Stolze verletzt und zog ſich zurück. Beide Gatten mieden einander, wo ſie nur konnten und es hatte den An⸗ ſchein, als ob beide durch dieſe Ehe unglücklich werden ſollten. Zur Ehre der reizenden jungen Stephanie ſei aber hier betont. daß, ſo ſehr ſie nach Zerſtreuungen ſagte, und trotzdem es ihr als ver⸗ laſſene junge Frau ſicher nicht an Tröſtern gefehlt hätte ſie ich doch jeder Zeit der ſtrengſten Sittenreinheit befliß.„Sie ſelber (Dr. Wilhelm Andreas: den Parteien am Hofe höchſt Unerwünſchtes: Plötzlich zeigte ſich Erbgroßherzog Karl in ſeine Gemahlin verliebt wie in den Tagen ſeiner Brautwerbung und Stephanie hatte nur Augen für ihn und ſtrahlte vor Glück Das junge Paar war unzertrennlich, nahm alle Mahlzeiten gemeinſam, ging miteinander im Schloßgarten ſpa⸗ zieren und keines zeigte ſich mehr ohne das andere in der Oeffent⸗ lichkeit. Stephanie ſchenkte ihrem Gatten. der ſeinem Großvater in dieſen b e beende un ee e 1811 eine Tochter, die Prinzeſſin Luiſe Amalie Stephanie(1830 mit dem Prinzen Guſtav Waſa vermählt). Im folgenden Jahre, 1812, gebar ſie einen Prinzen, der aber kurz nach der Geburt ſtarb. Dieſem Todesfall haftete etwas ſo merkwürdig myſteriöſes an, daß dunkle Gerüchte unlfefen, ein fremdes totes Kind ſei untergeſchoben und der lebende Prinz von der Hochbergſchen Partei beſeitigt worden. Dieſer Prinz ſoll der nachmals 1828 in Nürnberg auftauchende, unglückliche Doch ſoll hier nicht weiter darauf eingegangen werden. Stephanie ſelbſt ſcheint daran geglaubt zu haben und die Verfaſſerin der Memoiren: Mon séjour aux Tui- leries erzählt von einem intimen Geſpräch zwiſchen ihr, der Kaiſerin Eugenie und der Herzogin von Hamilton, Tochter Ste⸗ phanies, über Kaſpar Hauſer wobei die Herzogin ſagte, ſie ſei über⸗ zeugt, daß Kaſpar Hauſer durch ſehr nahe Bande mit ihrer Mutter verknüpft ſei. 1813 wurde die zweite Tochter, Joſephine Friederike Luiſe, geboren(ſeit 1834 mit dem Fürſten Karl Anton von Hohen⸗ zollern⸗Signaringen vermählt). 1816 folgt wiederum ein Prinz, der ebenfalls bald nach der Geburt ſtarb, 1817 eine Prinzeſſin, Marie Amalie Eliſabeth Caroline (1843 mit dm Herzog von Hamilton vermählt). Im Jahre 1818 ſtarb Großherzog Karl im blühenden Mannesalter von 32 Jahren an einer ſchleichenden Krankheit. Ihn folgte ſein Onkel Ludwig in n und nach deſſen kinderloſem Tode die Hochbergſche nie. a Welch llebenswerte Eigenſchaften Stephanie beſeſſen haben muß, geht aus der Weigerung ihres Gatten hervor, ſich nach dem Zuſammenbruch der Napoleonſchen Herrſchaft von ihr ſcheiden zu laſſen. Allem Drängen ſeiner nahen und entfernten Verwandten, allen Kabaken und Intriguen zum Trotz, hielt er treu und unentwegt an ſeiner Liebe zu ihr feſt und dieſer ſchöne Zug iſt glänzendes Zeugnis für ſein Herz und ſeinen Charakter. Einfluß auf die Politik hat er ihr nie geſtattet, und ſie ſtrebte auch nie darnach; aber auf dem dornenvollen Pfad einer napoleoniſchen Prinzeſſin nach dem Sturz des Kaiſerreichs iſt er ihr ein treuer Hort und Beſchützer ge⸗ weſen, wenn er auch die Energie nicht beſaß, die mit Zwiſchen⸗ trägereien, Verleumdung und Lüge geladene Atmoſphäre ſeines Hofes, wie er unter dem alten Karl Friedrich geworden war, zu reinigen. Stephanie war beim Tode ihres Gemahls 29 Jahre alt. Sie erhielt das Schloß in Mannheim als Witwenſitz zugewleſen und reſidierte hier im Winter, während ſie den Sommer in ihrer Villa in Baden⸗Baden oder in ihren Schloſſe Umkirch bei Freiburg ver⸗ lebte, wenn ſie nicht auf Reiſen ging. Sie blieb eine feine, innerlich vornehme Frau von grober Herzensgüte und tadelloſer Sittenrein⸗ heit und an ihrem Hofe der Mittelpunkt einer geiſtig und künſt⸗ leriſch angeregten Geſelligkeit. Stets war ihr Haus mit Beſuchen ihrer Kinder, ihrer Verwandten und Bekannten angefüllt und es war ein beſtändiges Kommen und Gehen von Fremden von Din⸗ ſtinktion. Mit den Mannheimern teilte ſie die Liebe zum Thearer und beſondere Freude machten ihr die Liebhaberaufführungen, die non der Hofgeſellſchaft in Männheimer Schloſſe gegeben wurden. Damals hatten noch eine Menge badiſcher und pfäl ser Adels⸗ familien ihren Wohnſitz in Mannheim, wie man aus noch erhal⸗ enen Theaterzetteln erſehen kann. Von den vielen Akten ihrer Wohltätigkeit ſei hier nur das von ihr gegründete Waiſenhaus Luiſenhaus) in Mannheim erwähnt. 5 Im Jahre 1860 ſtarb Stephanie in Nizza, wo ſie Heilung von einem ſchweren Bruſtleiden ſuchte Schließen wir mit den*znen Worten, die ihr die Verfaſſerin der Memoiren:„Mon séjour aux Tuileries“ wid net: Als Leiche iſt ſie zurückgekehrt, als ſolche iſt ſie zum letztenmale durch ihr geliebtes Frankreich gereiſt. Viele Tränen ſind an ihrem Sarge gefloſſen, verſtand ſie es ja ſo ſehr, ſich Zu⸗ neigung zu erwerben. Sie war die aufrichtigſte, die liebenollſte Freundin. immer bereit, Gefälligkeiten zu erweiſen, nur glücklich, wenn ſie gutes tun und glücklich machen konnte. Frankreich hat ſie gewürdigt und Deutſchland hat ſie unter die Zahl ſeiner ir⸗ digſten Fürſtinnen aufgenommen. Alle ſouperänen Häuſer een mit ihr verwandt und haben ihr durch Hoftrauer die letzte Ehre er⸗ wieſen.— Sie wurde in der Familiengruft in Pforzheim an der Seite ihres Gemahls beigeſetzt. Die Begründung deutſcher Kunſt und Wiſſenſchaft in Mannheim Von Max Oeſer Mannheim Ganz anders als in den meiſten Kunſtſtädten, die dem Barock und Rokoko huldigten, geſtalteten ſich die künſtleriſchen und geiſtigen Un⸗ ternehmungen in unſerer Stadt Mannheim im 18. Jahrhundert. Hier brach unmittelbar aus der Rokokozeit eine nationale Bewegung her⸗ vor, die von großer Bedeutung für das kulturelle Leben Deutſchlands wurde. Die Nachahmung franzöſiſcher Hofkunſt hatte hier nur eine ganz vorübergehende Stätte, und raſch wurde der Spuk und die Maskerade der Mode durch einen elementaren Einſatz deutſcher Kunſt und Wiſſenſchaft hinweggefegt. In ſich faſt überſtürzender Haſt ſuchte man hier die Pflege deutſcher Kunſt und Wiſſenſchaft zu begründen. In dieſer Beziehung iſt das Mannheim des 18. Jahrhunderts noch viel zu wenig betrachtet. Wenn man bedenkt, wie tief damals unſer Vaterland noch in der Fremdländerei ſteckte, iſt das Vorgehen Mann⸗ heims nicht hoch genug zu ſchätzen. Laſſen wir die alten Tatſachen in neuer Beleuchtung erſcheinen. Wie konnte überhaupt eine deutſche Literatur entſtehen, wenn die gebildeten Kreiſe noch eine fremde Sprache ſprachen, wenn im eigenen Vaterlande die eigene Sprache noch verpönt wurde?— Da war es die Stadt Mannheim, die für die deutſche Sprache eine große Unternehmung wagte. Es bildete ſich hier die deutſche Sprachgeſellſchaft und zwar mitten im Herrſchgebiete des Rokoko. Die kurfürſtlich deutſche Geſellſchaft ſchloß ſich zur För⸗ derung der deutſchen Sprache zuſammen, und durch ihre Vermittlung erſchienen mehr als 300 000 Bände guter Literaturwerke in deutſcher Sprache. Das war der erſte kräftige Eingriff in die fremdländiſchen Gepflogenheiten Deutſchlands. Der Boden zum Auſſchwung einer neuen deutſchen Literatur wurde in Mannheim vorbereitet, und wirklich fand ſich auch die große Perſönlichkeit, die auf dieſem Boden wirken konnte. Es war kein Zufall, daß Schiller nach Mannheim kam, hier fanden ſich alle Vorbedingungen vor, die zu einer Geburt des deutſchen Dramas notwendig waren. Eine Hauptbedingung zur Begründung deutſcher Dramatik war die Errichtung eines Nationaltheaters. Und eine ſolche Kunſtſtätte war denn auch unter den begeiſterten Aufrufen Maler Müllers geſchaſfen worden, der da ſchrieb:„Unmöglich kann ich die Freude und all das ſüße, patriotiſche Gefühl bergen, daß durch die reizendſte Ausſicht zur Errichtung einer deutſchen Nationalbühne mein ganzes Herz erwärmt.. Um ſo ent⸗ zückender und hinreißender iſt der Gedanke, daß die Pfalz es iſt, die den übrigen Provinzen Deutſchlands in einem ſo herrlichen Unter⸗ nehmen vorausgehen will.“ Hier wurden auch neben den Dramen Schillers„pfälziſche Nationalſchauſpiele“ aufgeführt, ſo am 5. Novbr. 1782 das pfälzer Volksſchauſpiel„Fürſt von Stromberg“(von Maier). Dazu kam die Begründung des Schwan'ſchen Buchverlags für deutſche Literatur, er durch die Werke Schillers bekrönt wurde. f Aber das Nationaltheater ſollte auch der Muſik neue Bahnen öffnen. Eilne ſtarke Bewegung für eine mit der Dichtung verbun⸗ dene Tonmalerel war beſonders durch den Komponiſten und Muſik⸗ ſchriftſteller Joſeph Vogler ins Leben gerufen worden, und Ignaz Holzbauer machte es ſich zur Aufgabe, ein ſolches Muſikdrama mit ſtart und elementar bewegtem Rhythmus zu ſchaffen. Leider hatte er nur eine ſchlechte Dichtung zur Verfügung. Urſprünglich wollte er Kiopſtocks„Hermanneſchlacht“ in Muſik ſetzen. Doch war auch mit dem„Günther von Schwarzburg“ ein bedeutſamer erſter Einſatz deutſcher Muſikdramatik erreicht. f Hand in Hand mit der Pflege des deutſchen Dramas ging die Pflege der deutſchen Geſchichtswiſſenſchaft durch den Bibliothekar der damaligen Schloßbibliothek Andreas Lamey. Er gab im Auftrag der in der Bibliothek tagenden Akademie der Wiſſenſchaften zum erſten Mal den„Codex laureshamensis“ nach der alten Handſchrift voll⸗ ſtändig heraus, ein Werk, das ſeltdem eine Hauptquelle zur Erfor⸗ ſchung der Karolingerzeit bildete und deutſches Leben der Frühzeit bis in die intimſtem Details erkennen läßt. Sein Lehrer und Meiſter, der auch von Goethe gerühmte Geograph und Hiſtoriter Schöpflin, der als Präſident der Akademle des öfteren von Straßburg nach Mannheim kam, bereitete hier eine Geſchichte der Pfalz vor, be aber durch den Tod des Gelehrten abgebrochen blieb und in den folgenden 3 auch von anderer Seite nicht fertiggeſtellt werden konnte. 0 Neben der Geſchichtswiſſenſchaft trat dle Nakurwiſſenſchaft ſchon führend hervor. Die kühnen Unternehmungen Jakob Hemmers auf dem Gebiete der Wetterkunde, die Errichtung der erſten Franklin ⸗ ſchen Blitzableiter in Europa hier in Mannheim und beſonders die Verſuche mit lenkbaren Luftſchiffmodellen zeigten ſo recht die ſchon ſehr moderne Sphäre, in der ſich auch unſer Schiller hier in Mann ⸗ heim bewegte. Die von Chriſtlan Mayer errichtete Sternwarte konnte es mit Stolz verzeichnen, daß der franzöſiſche Aſtronom Lalande herbeflam und mit ihren Inſtrumenten wertvolle Ent⸗ deckungen machte. 13 Nrlcht weniger als die Dichter und Gelehrten lleßen ſich dle bildenden Künſtler die Förderung und Begründung neuer Be⸗ wegungen angelegen ſein. Durch die Kunſtliebe des Fürſten Carl die jetzt einen Grundſtock der Münchner Muſeen bilden. Mann ⸗ fn... gew e gen ſtellten ſich hier auch in der bildenden Kunſt den Zeitmanieren ent⸗ gegen. Ein kräftiger Naturalismus ſetzte ein. Die Niederländer wurden zum Vorbild, von Salvator Roſa, Caravaggio, Ribera murde Naturechtheit gelernt. In der landſchaftlichen Malerei und Radierung gaben Ferdinand Kobell und Maler Müller freie un⸗ mittelbare Darſtellungen heimiſcher Natur. Heinrich Sintzenich ſchuf mit ſeinen Kupferſtichen eine neue Welt der Porträtkunſt, die vor allem auch in Berlin ihre Stätte hatte und noch Adolf Menzel anregte. Der berühmte, heute neu gewürdigte Hiſtorienmaler Wil⸗ helm von Kobell iſt geborener Mannheimer und lernte hier auf der damals brühmten Akademie der Künſte. Im Figurenbild ragte noch der Düſſeldorfer Maler Lambert Krahs mit ſeinem großzügigen Deckengemälde„Die Entſchleierung der Wahrheit“ im prächtigen Bibliothekſaale des Schloſſes in die neue Zeitbewegung hinein und bewährte ſich mit der Gedankenwelt Schillers, der in dieſem Saale ſeinen„Don Carlos“ entwarf. Auch in der Bildhauerei traten ſtarke moderne Elemente her ⸗ vor. Die formgewaltige Kunſt Peter von Verſchaffelts fand im g e e e n der hieſigen ligen Geiſt⸗ hren gefühlstiefſten und ge⸗ fühlswahrſten Ausdruck. Peter Lanrine ließ mit ſeinem die Flöte ſpielenden Faun im Schwetzinger Schloßgarten ſchon das Lied . neuen Zeit erklingen, das in Böcklins Schöpfungen weiter allte. Gerade die Berührung unſerer Stadt mit 7 4 bedeutenden künſtleriſchen Perſönlichkeiten, wie mit Verſchaffelt, dem Schöpfer des Engels auf der. Rom, und mit Krahé, der aus Rom kom und in Düſſeldorf die berühmte Maler⸗Akademie begründete, gab dem Kunſtleben Mannheims im 18. Jahrhundert auch einen weiten internationalen Zug, der die nationale Bewegung vor Einſeitigkeit bewahrte und einen großzügigen Fortſchritt möglich machte. Aber ehe eine deutſche Kunſt wirken und fortſchreiten kann, muß ſie erſt ſelbſt geſchaffen ſein und ihren eigenen Boden haben. Sie muß ſich Eigenwerte in heißem Ringen erwerben. Und daß dies unſerer Stadt in ſo vielſeitiger Weiſe gelang, gibt ihr eine ganz be⸗ ſondere Stellung in der deutſchen Kulturgeſchichte. Viel zu wenig iſt bisher dieſer nationale Aufſchwung gegenüber einer exkluſiven, nur fremdes Hofleben imitierenden Kultur gewürdigt worden. vom Eckpavillon im äu den See Cabinet. brach und endigen ließ. Die Beſchießung der Stadt Maunheim im Jahre 1705 i und ihre Folgen für das Schloß Von Dr. C. Speyer Mannheim Viele unter den Bürgern unſerer Stadt werden ſich noch heute der teilweiſe brandgeſchwärzten Ruinen erinnern, die ſich an der äußerſten Nordweſtecke des linken Schloßflügels hinter dem Ball⸗ haustrakt lange Jahre hindurch erhoben. Auch heute noch erkennt man in dieſem Bauteil am Mauerwerk, daß ehedem hier etwas anderes und größeres geſtanden hat. 5 Es war und iſt dies der letzte ſichtbare Reſt der Zerſtörungen am Schloß, die durch die ſchwere Beſchießung der Stadt Mann⸗ heim durch die Kaiſerlichen unter General von Wurmſer wäh⸗ rend der verhängnisvollen Novembertage des Jahres 1795 herbei⸗ geführt wurden. Die geſchichtlichen Vorgänge dieſer kurzen Belagerung, ſchweren Beſchießung und Einnahme der Stadt ſeien hier nur in Kürze geſtreift. Das Verhängnis, das damals über Mannheim hereinbrach, war in letzter Linie die Folge der von Kurfürſt Carl Theodor aus beſten Beweggründen befolgten Politik der Neutralität in dem zwiſchen Reich und Frankreich ausgebrochenen Konflikt. Carl Theodor mit ſeinem kurpfälziſchen Stammland an Frankreich, nit den kur⸗ bayriſchen Landen an das begehrliche Oeſterreich angrenzend, ſuchte während der ausbrechenden Revolutionskriege lange möglichſt zwi⸗ ſchen beiden Großmächten zu lavieren. Die Verhältniſſe waren aber ſtärker geworden als ſein friedlicher Wille. So war nach Eroberung der linksrheiniſchen Territorien der Kurpfalz und der pfalzzwei⸗ brückenſchen Lande durch die franzöſiſchen Revolutionsheere auch die rechtsrheiniſche Kurpfalz zum Kriegsſchauplatz geworden und die Feſtung Mannheim hatte ſchon öfter den Beſitzer gewechſelt. Als die Feflung 1794 teils durch Verrat teils durch Uebertölpelung des dort Kommandierenden in franzöſiſche Hände gefallen war, richtete ſich die Wut der Oeſterreicher beſonders gegen unſere Stadt und die ſchwere Beſchießung und Schädigung Mannheims durch Wurmſer iſt wohl mit aus dieſen Gründen zu erklären. Der damaligen Beſchießung fiel ein großer Teil des linken See e der mit Brandgranaten beſchoſſen worden war, zum pfer. In Flammen gingen auf: das Ballhaus, der anſtoßende im rechten Winkel nach Norden ziehende Trakt bis zum Jeſuitencolleg und der von da wieder im rechten Winkel nach Oſten ziehende Trakt bis zur Schloßkirche, alſo auf die heutigen Verhältniſſe über⸗ tragen: Das damals bis vor kurzem noch dem„jeude paume“ dienende Ballhaus, der Flügel, der heute das Amtsgefängnis birgt und der ganze heutige Landgerichtsflügel. Wir beſitzen zwei Zeichnungen aus dieſer Zeit, aus denen zu erſehen iſt, wie die von der Zerſtörung betroffenen Bauten vor⸗ her und nachher ſich darſtellten. Auf der letzten Zeichnung ragen nur die brandgeſchwärzten leeren Wände und Kamine empor. An die Wiederherſtellung des heutigen Gerichtsflügels iſt man erſt nach der Mitte des vorigen Jahrhunderts herangegangen. Wir beſitzen ein Bild, das einen Blick über die Stadt vom mittleren Schloßflügel aus bietet, aus dem Jahre 1859, und auf dem wir im linken Vordergrunde die Ruinen des Obergeſchoſſes des heutigen Gerichtsflügels ſehen können, vegetationsbewachſen, ja in nächſter Nähe der Schloßkirche hat in Mauerwerk ganz anſehnliches Strauch⸗ zeug Wurzel gefaßt. 8 g Erſt nach Ueberſiedlung des Gerichts aus dem Kaufhaus war dieſer Flügel wieder hergeſtellt worden. Was alles war aber damals der Beſchießung zum Opfer ge⸗ 1 80 Leider hat man allzu bald und allzuraſch die kulturell wie ünſtleriſch wertvollen Bauten vergeſſen. Da waren anſchließend an das Ballhaus Räume für Garde⸗ roben und zum Unterbringen von Dekorationen für das anſtoßende in ganz Europa wegen ſeiner Schönheit und Größe berühmte kur⸗ pfälziſche Theater, ein Meiſterwerk Aleſſandros Galli di Bibbiena. Dieſer Theaterbau reichte über den ganzen nordweſtlichen Trakt, irſten Nordweſten bis zum Platz gegenüber er heutige Haupteingang zum Landgericht war der 1 um Theater. f i Wir beſitzen läne dieſes Baues und auch eine treffliche Innen⸗Anſicht. Das Theater mag in vielem dem Cuvillié'ſchen Reſidenztheater in München geglichen haben, es war aber größer und faßte mehr Zuſchauer. In erſter Linie diente es großen Opern⸗ aufführungen, dort ſpielte auch die berühmte kurpfälziſche Kapelle, die unter Stamitz und anderen Weltruf genoß. Bei der räumlichen Not unſeres heunigen Nationaltheaters denkt man mit Wehmut an das Zerſtörte und bedauert, daß die ſchwere Zeit der Koalitions⸗ und napoleoniſchen Kriege, die Ver⸗ armung nach 1815 eine Wiederherſtellung nicht erlaubt hat, ja, daß die folgenden Jahrzehnte das, was einſtmals hier geſtanden, völlig haben vergeſſen laſſen. Auch die räumliche Nähe zum Hof, und Nationaltheater hätte für eine zweite Bühne eine günſtige Löſung der Platzfrage geboten. Es hat aber nicht ſein ſollen. So kam das Gericht in die verwaiſten Räume und wo das Spiel der Muſen die kunſtfreudige Welt beglückte, ſtehen heute kahle Kerkermauern, ein reiner Zweckbau. Ein unſchöner neuer Amtsgerichtsbau bildet den alles eher wie ſtilgemäßen Abſchluß dieſes loßflügels. In dem Turm, der ſich an den Theaterbau nach Nordweſt an⸗ ſchloß, hatte Johann Jacob Hemmer, ein ehemaliger Jeſuit, Mitglied der kurpfälziſchen Akademie, ein bedeutender Phyſiker und der vielleicht bedeutendſte Meteorologe ſeiner Zeit, ſein phyſikaliſches Solange Carl The dem Quadrat emmer engen ehr. Dieſes phyſikaliſche Kabinett wurde mit ſamt ſeinen wertvollen Inſtrumenten gleichfalls ein Raub der Flammen. Nur weniges, das ſpäter nach Heidelberg als Grundſtock in das phyſikaliſche In⸗ ſtitut der Univerſität gekommen ſein ſoll, konnte gerettet werden. In Zuſammenhang hiermit ſei auch erwähnt, daß von Hemmer die heute noch vorhandenen Blißableiter auf den Eckpavillons und Schloßdächern herrühren. Iſt es doch Hemmers unſterbliches Ver⸗ dienſt, Franklins Erfindung der„Wetterleiter“, wie man ſie da⸗ mals nannte, nicht nur in ſeiner kurpfälziſchen Heimat, ſondern in vielen anderen Gegenden eingeführt zu haben. Von weiteren kulturell bedeutſamen Räumen in dem zerſtörten Schloßteil ſei der Saal für die franzöſiſche Comödie noch beſonders erwähnt. Dieſer Comödienſaal, der ſeit Jahren, nämlich ſeitdem Carl Theodor, noch während er in Mannheim reſidierte, den fran⸗ zöſiſchen Schauſpielern den Abſchied erteilt hatte, ſeinem urſprüng⸗ lichen Zweck entzogen war, war ein Notbehelf geweſen. War doch urſprünglich von dem berühmten Architekten Nicola Pigage im Anſchluß an den rechten Flügel ein größeres Haus für die fran⸗ zöſiſche Comödie geplant. In den ſpäteren Jahren diente dieſer kleine Saal der Hofgeſellſchaft zu Liebhaberaufführungen, auch be⸗ fahl der Kurfürſt dorthin deutſche Schauſpielertruppen zum Spiel. Näher zu den feindlichen Batterien gelegen war ſo der linke Schloßflügel völlig zerſtört worden. Unerſetzliches, nicht mehr zu Erſetzendes ein Raub von Krieg und Brand geworden. Wie ſehr man auch für die übrigen Teile des Schloſſes und die dort untergebrachten Schätze fürchtete, dafür einige Beweiſe. Das kurpfälziſche Archiv hatte man ſchon vorher weggebracht. Auch die Schatzkammer hatte Carl Theodor nach München überführen laſſen. Die Gemäldegalerie hatte Mannlich gerettet. Die Bibliothek, ſoweit ſie nicht ſchon in München war, wurde in die Keller des Schloſſes gebracht, nicht zu ihrem Vorteil. Ebenſo erging es auch dem Natu⸗ raliencabinet, das nach den Papieren ſeines Leiters Collini, die dem Verfaſſer dieſes Aufſatzes im Original vorliegen, ſchwere Beein⸗ trächtigung durch die Feuchtigkeit der Keller zu erleiden hatte. In den Schloßkellern, beſonders in den nach Oſten 5 1 5 Teilen campierte während der Beſchießung ein großer Teil der Bevöl- kerung. Die bombenſicheren Räume nahmen während dieſer Tage Alt und Jung, Reich und Arm, ohne Unterſchied auf. Das waren die ſchwerſten Zeiten, die das Schloß je hat er⸗ leiden miiſſen. Was zerſtört war, konnte nicht mehr in ſeiner Pracht hergeſtellt werden, nicht mehr ſeinem urſprünalichen Zwecke zu⸗ geführt werden. Mit Wehmut gedenkt man einer Zeit, da das geiſtige und künſtleriſche Leben Mannheims ſich im Schloß konzen⸗ trierte, bis der Wandel im geſchichtlichen Geſchehen es jäh unter⸗ — odor noch in Mannheim reſidierte, pflegte er, der ſelbſt gerne phyſikaliſche Experimente anſtellte, mit ſch Theodor waren hier die herrlichen Kunſtſanumkungen entſtanden, H Carl Cheodors Cod Von Jelſx Joſeph Lipowsky a ueber Carl Theodors Tod teilt Felig Joſeph Lip ow sky in ſeiner Carl Theodor⸗Biographie(S. 309) folgendes mit: „Kurfürſt Carl Theodor, der eben mit dem Oberſtjägermeiſter Theodor Reichsgraf von Waldkirch und ſeinem Generalleibadju⸗ tanten Niklas Kaſimir Frhr. v. Herding l Hombre ſpielte, traf in München am 12. Februar 1799 abends 9 Uhr der Schlag. Der eiligſt herbeigerufene Leib⸗ und Proto⸗Medikus Lorenz v. Fiſcher und der Leibchirurg Anton v. Winter, gaben ſich zwar alle Mühe, den Kurfürſten wieder zur Geneſung zu bringen, allein alle ange⸗ wendeten Heilungs- und Rettungsmittel, ſowie die Beratung mit an⸗ deren berufenen Hofärzten, waren vergeblich. Mit den heiligen Sterbeſakramenten verſehen, ſtarb der gute Fürſt am 16. Februar nachmittags um 44 Uhr. In ſeinem ipſlich Kampfe ſtanden ihm mit den Tröſtungen der Religion der päpſtliche Nuntius Emidius v. Ziucci, Erzbiſchof von Rodi, und ſein Beichtvater P. Cyprian, Auardian der Kapuziner in München bei. Um ſein Sterbebette be · fanden'ich tief in Wehmut und Trauer verſunken, ſeine erhabene Gemahlin, die Kurfürſtin Maria Leopoldine, die auf wiederholte Fragen des k. k. bevollmächtigten Miniſters Joſeph Johann Reichs⸗ graf von Seilern und Aſpang: ob ſie ſich nicht in geſegneten Um⸗ ſtänden befände? Jederzeit mit: Nein! geantwortet, und endlich, der Fragen müde, geäußert hat: daß ſie dieſes gewiß wiſſe.(Der fünf⸗ undſiebzigjährige Kurfürſt hatte ſich 1795 zum zweiten Male mit der zwanzigjährigen Erzherzogin Maria Leopoldine von Oeſterreich⸗Eſte verheiratet; aus ihrer morganatiſchen Ehe mit ihrem Oberhofmeiſter Grafen Ludwig von Arco ſtammen die Grafen von Arco⸗Stepperg und Arco⸗Zinneberg.) An dem Sterbebette befanden le ferner die Fürſten von Bretzenheim und Iſenburg, die Miniſter Mathaäus Graf von Vier⸗ egg, Joſeph Ferdinand, Graf zu Rheinſtein und Tattenbach, Wil⸗ helm, Graf zu Leiningen⸗Gundersblum, der geheime Staatskanzler Frh. von Hertling, der Generalleutnant Graf von Zedtwitz, der ge⸗ heime Rat Max Graf von Preyſing und der geheime Rat und Kabi⸗ nettsſekretär Kaſpar von Lippert, der Stadtkommandant und Gene⸗ ralmajor Maximilian Graf Topor Morawitzky, und dex Hofkriegs⸗ rat Lipwosky, der Kammerfourier Franz aver Menrad von Vor⸗ waltern, die Leib⸗ und Alheim dann die kurfürſtlichen Kammer⸗ diener Karl von Duſch, Wilhelm von Rogiſter und Lukas Thiot. Die Exequien wurden nach geſchehener Leichenbeſtattung in der Fürſtengruft bei den Theatinern zu München, drei Tage nacheinander begangen, wobei die erſte Trauerrede über die Herzensgüte und Friedensliebe, als zwei ptcharaktere des verſtorbenen Kurfürſten vom Weltprieſter 4754 Baptiſt Gailler gehalten worden iſt. Die zweite Trauerrede hielt der. P. Helladius Meck, ein Franziskaner aus dem Kloſter zu München. Der Inhalt ſeiner Rede war: 1. Carl Theodor war ein für die Religion mächtigſt eifernder 45 wie Ezechigs; 2. Er war ein für das Wohl ſeiner Staaten höchſt beſorgter Fürſt, wie Ezechias; 3. Er war auch ein über alle ſeine Leiden erhabener Fürſt, wie es Ezechias ebenfalls geweſen iſt. Die dritte und letzte Trauerrede endlich hielt der Theatinerprobſt von Ertl, der den höchſtſeligen Kurfürſten im erſten Teile als einen Eiferer für das Heiligtum, im zweiten als einen vorſichtigen und klugen Regenten, im dritten Teile als einen gottesfürchtigen Fürſten ſchilderte. Keine dieſer drei Trauerreden wurde durch den Druck bekannt gemacht.“ Der Sarg mit dem Leichnam des Kurfürſten wurde zu St. Kajetan CTheallnerkirche) in München beigeſetzt. Sein Herz befindet ſich in der heiligen Kapelle zu Altötting. 5 8 8 Carl Cheodors Beflattung in München Dem ſeltenen Drucke:„Gefühle eines redlichen Patrioten am Sarge Sr. N Durchlaucht zu Pfalzbaiern Carl Theodors, des beſten Fürſten und Landesvaters, nebſt Beſchreibung des feier⸗ lichen Leichenzuges und Exequien“(München 1799) entnehmen wir folgende Einzelheiten über die Beſtattung Carl Theodors: „Der 21. Februar war jener traurig⸗feierliche Tag, an dem der entſeelte Leichnam unſeres geliebteſten durchlauchtigſten Kurfürſten Carl Theodors mit allem Pompe zur Ruheſtätte des durchlauchtigſten Kurhauſes in die Theallnerhoftirche gebracht wurde. Um 2 Uhr nachmittags rrückte ſämtlich hier in Garniſon liegendes Militär, ſo⸗ wie auch die bürgerl. Kavallerie, Artillerie, Infanterie und das Schützenkorps aus, und nahmen folgende Stellung: Von der Reſi⸗ denz an paradierte auf beiden Seiten das kurfürſtl. Leibregiment bis zum Laroſeebogen, von da durch die Dienergaſſe ſtanden 3 Kompag⸗ nien Feldjäger, an dieſe ſchloß ſich bei der 0 enannten Trinkſtube die bürgerliche Infanterie an, und erſtreckte ſich bis auf die Haupt⸗ wache; auf dem großen Platze, der Hauptwache gegenüber, bis zum Eingange in die 5 radierte die bürgerliche Kavallerie, an die ſich das bürgerliche Schützenkorps anlehnte, ihnen folgte die bürgerliche Artillerie in der nämlichen Gaſſe, und tiefer in der Wein⸗ ſtraße bis zu der kurfürſtlichen Hofkirche der Hrn. Hrn. Theatiner noch eine Abteilung von drei K nien Feldjäger, und endlich zum Schluß das zweite kurfürſtliche Grenadierregiment. a Eben auch um 2 ertönte das Geläute aller Glocken der Stadt, und der Leichenzug ging um 3 Uhr unter dem Donner der Kanonen aus der kurfüſtlichen Hofkapelle in folgender Ordnung aus: 1) Avantaarde der Kavallerie, 2) die Kammer- und Hofourrier⸗ reiber, 3) die herrſchaftlichen Livrebedienten mit brennenden Fackeln, 4) die ſämtlichen Bruderſchaften, 5) die kurfürſtl. ſämtl. Hoflivre, 6) die kurfürſtlichen Kammer- und Hofofficianten, 7) die Herren Ordensgeiſtliche, barmherzige Brüder, 9 Pau⸗ laner, Kapuziner, Franziskaner, Auguſtiner, 8) vier Chepaulegers Ordonnanzen für tit. 71 Stadtkommandanten, 4 Handpferde und ein 5 5 von demſelben, der Herr Platzkommandant, der Ordon⸗ nanzofftzier vom e e der tit. Herr Stadtkomman⸗ dant und Hr. Platzmajor, die erſte Diviſion Kavallerie vom kurfürſt⸗ lichen kombinierten Chevauleger⸗Regiment nebſt der erſten Batterie von 8 Kanonen, 9) die 1 zum heiligen Geiſte, 10) die Militärpfarre, 11) die Pfarr zum heiligen Peter, 12) die Pfarr zu unſer l. Frau. Jeder dieſer Pfarren hatte ihre eigene Vokalmuſik, 13) die kurfürſtlichen Herren Hoftrompeter und Pauker mit Sour⸗ dinen, 14) der kurfürſtliche Herr Hoffourier, 15) die Geiſtlichkeit von der kurfürſtlichen e mit der Hofvokalmuſik, 16) das kux⸗ fürſtliche Hofcollegiatſtift zu unſer l. Frau, 17) Se. Exz. P. T. err Biſchof von Dibona, Hofbiſchof und Großalmonſenier ete. im ontifikalanzuge, 18) die 24 Guglmänner mit den kurfürſtlichen Wappen und doppelt brennenden weißen Kerzen, 19) des höchſt⸗ ſeligen durchlauchtigſten Kurfürſten zurückgelaſſene Herrn Kammer⸗ diener, 20) die Offizianten mit dem Hrn. Sekretär des hohen St. Ge⸗ orgi Ritterordens, 21) die kurfürſtl. Herrn Kammerfouriers, 22) der Sarg mit den Inſignien, dem Kurhute, dem Reichsapfel, dem Her⸗ ghute, dem Helme, Schwerte und Hute vom hohen Sr. Georgi itterorden, auf fünf ſchwarzſammetnen Kiſſen, getragen von 12 lurfürſtlichen Herren Kämmerern in ſchwarzen langen Mänteln mit dem vom Hute lang abhangenden Flore, wobei 4 P. T. Herren Kommandeure des hohen St. Georgi⸗Ritterordens in ihrer Ordens⸗ kleidung vom Titl. Hrn. Stadtkommandanten begleitet die Ecke des Bartuchs hielten. Neben dem Sarge gingen die Oberoffiziers der beiden kurfürſtlichen Garden der Herren Hartſchiers und Trabanten, dann außer dieſen zu jeder Seite ſechs kurfürſtliche Herren Edel⸗ knaben in Proquillen mit weißen brennenden Kerzen. Die beiden kurf. Leibgarden der Hern. Hartſchier und Trabanten cortegierten den Zug ſpalierweiſe, und zwar die letztern vor dem Sarge und die erſtern vom Sarge angefangen, 23) die 2 kurfürſtlichen Herren Tammerknaben, 2) ein Kruzifix mit zwei Leuchtträgern, 25) Se. Durchl. des Herrn Pfalzgrafen und Herzogs Wilhelm von Bayern in tiefer Trauerkleidung, dem ein kurfürſtl. Edelknabe den Schlepp trug, 26) Ihre Exzellenzen die P. T. Herren Staatsminiſter, 27) die titl. Herren geheimen Räte, Kämmerer, 28) die titl. Herren Kämmerer und gelehrten geh. Räte, 29) die Herren Truchſeſſen und Dikaſterialräte, 30) die Herren Dikaſterialoffizianten, 31) die zweite Kavalleriediviſion vom obigen kurfürſtl, kombinierten Chevauxlegers die Waiſenkinder, egimente mit d iten Batterie n, 32) da Regi er 5 5. n 8 Kanonen, 32) das Volk 1285 8 Kurpfälzer Koloniſten Deuſſche Auſtedlungen unter Aaiſer Joſeph dem Iwelten im Königreich ungarn in den Jahren 1783—1787 Aus einer alten Schrift zuſammengeſtellt von Lina Sommer Karlsruhe 0 Als Kaiſer Joſeph der Zweite nach dem Tode ſeiner Mutter, der Kaiſerin Maria Thereſia die Regierung antrat, war die Bevöl kerung ſeiner Länder ſein größtes Anliegen, denn in Ungarn und in Polen befanden ſich viele Güter, Klöſter und Ländereien, die— von den Bewohnern verlaſſen— öde und brach dalagen. So entſchloß ſich der Monarch, Koloniſten aus Deutſchland kommen zu laſſen und zwar aus der Pfalz, Heſſen, der Gegend von Zweibrücken und Frankfurt, weil deren Fleiß und Tüchtigkeit— namentlich in der Landwirtſchaft— allgemein bekannt war. Zu dieſen Zwecke wurde von Wien aus ein ſehr„Favorabel Patent“ nach Frankfurt an den dort wohnenden kaiſerlichen Kom⸗ miſſar abgeſchickt, damit er dieſes in der Umgegend bekanntmachen laſſe. Dieſes Anſiedlungspatent hatte folgenden Wortlaut: „Wir Joſeph der Andere, von Gottes Gnaden erwählter rö⸗ miſcher Kaiſer, zu allen Zeiten Mehrer des Reiches, König in Ungarn, Böhmen, Galizien und Lodomerien tun hiermit Jeder männiglich kund, daß Wir viele unbeſetzte leere und öde Gründe beſitzen, welche Wir geſonnen ſind, mit Beutſchen Reichsgliedern— beſonders aus dem oberrheiniſchen Kreiſe— anzuſiedeln. Zu dem Ende verſprechen wir, bei unſerer angeborenen kaiſerl. königl. Pa⸗ role allen zu uns wandernden Reichs⸗Familien, deren Wir viele Tauſende an Ackerslauten und Profeſſioniſten benötigt ſind. Erſtens: Eine gänzlich, vollkommene Gewiſſens⸗ und Reli glonsfreiheit, wie auch jeder Religions Parthey mit denen be⸗ nötigten Geiſtlichen, Lehrern und was dazu gehört auf das voll. kommſte zu verſorgen. Zweitens: Eine jede Familie mit einem ordentlichen neuen, nach Landesart geräumigen Haus nebſt Garten zu verſehen. Drittens: Die Ackersleute nit dem zu jeder Familie erforder⸗ lichen Grund und Boden, in guten Aeckern und Wieſen beſtehend, auch mit dem benötigten Zug⸗ und Zuchtvieh, dann Feld⸗ und Hausgerätſchaften zu beſchenken. Viertens: Die Profeſtioniſten und Tagwerker hingegen haben ſich blos deren in der Hauswirtſchaft nötigen Geräte zu erfreuen, wobei aber nebſtbei den Profeſſioniſten für ſhre Handwerks⸗Geräte anzuſchaffen 50 Rheiniſch Gulden im Baaren ausgezahlet werden. Fünftens: Der älteſte Sohn von jeder Familie iſt und bleibel von der Militär⸗Rekrutierurcg befreyet. Sechſtens: Jede Familie erhält von Wien aus freie Trans. portierung bis auf Ort und Stelle der Anſiedlung, wozu die be nötigten Reiſegelder ausgezahlet werden; danach dauert die Ver⸗ flegung noch ſo lange fort, bis die Familie im Stande iſt, 119 elbſten zu ernähren. Sollte aber nach dieſer a eine oder die andere Familie in ein unverſchuldetes Unglück geraten, ſo wird gegen dreijährige Rückerſtattung aller Vorſchub geleiſtet. Siebentens: Um die neuen Ankömmlinge, welche auf der Reiſe oder wegen Veränderung des Klimas, oder auch auf ſonſtige Weiſe erkranken möchten, ſo geſchwind als möglich in ihren vorigen Zu⸗ ſtand zu verſetzen, werden Spitäler angelegt, um dieſelben darinnen auf das ſorgfältigſte unentgeltlich zu verpflegen. Achtens: Endlich wird dieſen Reichseinwanderern von dem Tag ihrer Anſiedlung an, durch ganze zehn Jahre die Freiheit zu⸗ geſichert, binnen welcher Zeit ſolche von allen Landes- und Herr⸗ ſchaftsſteuern, Abgaben und ten, wie ſie auch Namen haben möchten, gänzlich befreiht ſein und verbleiben ſollen. Nach Verlauf dieſer zehn Freiſahre aber ſind ſie verbunden, eine leidendlich landes⸗ übliche Steuerabgabe— ſowie alle andere Landeseinwohner— zu entrichten. 6 Welchen Entſchluß und Willensmeinung Wir zur Steuer der Wahrheit enit Urkunde dieſes, beſiegelt mit Unſerem K. K. auf; 1 gedruckten Sekret⸗Inſiegel beſtätigen. So gegeben am ein und wanzingſten September anno ſiebzehnhundertzweiundachtzig. Unſerm Reiche des Römiſchen im neunzehnten, des Ungariſchen und Böh⸗ miſchen im zweiten. 5 5 Jes ep. ut R. Fürst. 7575 Ad Mandatum Sacrae Colloredo mppria Caesareae Majestatis proprium * Ign. v. Hofmann. Dieſes Patent kam zu Anfang des Jahres 1753 in der Frank⸗ furter und Mannheimer Gegend an und es gab keine Stadt, kein Dorf, keinen Marktflecken, wo nicht gedruckte Exemplare zirku⸗ lierten. Ueberall wurde es froh begrüßt; ſogenannte Werber machten es ſich zu nutzen, ſtellten eine Menge Familien, die gern auswandern wollten, zuſammen, und brachten die Liſten nach Wien, um für ſich ſelbſt gut bedacht zu werden. 6 Ein gewiſſer Peter Decker und Konrad Bauer aus dem kur pfälziſchen Ort Durchroth bei Kreuznach, warben über 100 Faunilien 3 Moſel und Rhein und wurden, als ſie die Liſten brachten, von Kalſer la ſelbſt empfangen, reich beſchenkt und mit der Verſicherung entlaſſen, daß auf dieſe Familien bei ihrer Ankunft ganz beſonders Nen würde. Als ſie nach Durchroth zurückkamen und von der Güte und Leutſeligkeit und den glänzen⸗ den Werſprechungen des Monarchen erzählten, machten ſich auch viele wohlhabende Familien auf den Weg. Auf den Straßen wim⸗ melte es von ſchwerbepackten Wagen und es ſah aus, als ob die ganze Gegend auswandern wollte. Das war aber der churpfäl ziſchen Regierung doch nicht angenehm. Decker ſollte zur Verant⸗ wortung gezogen werden, nahm aber Mienen Reißaus und kam mit ſeinen Angeworbenen glücklich in Wien an. Bauer, der alles auf den entflohenen Kameraden ſchob, geſchah nichts. Da war auch ein Werber, Andreas Eckel, der Schneider⸗Eckel genannt, in dem rheingräflichen Dorf Wendelsheim bei Alzey in der Pfalz. Dieſer reiſte mit einer noch größeren Liſte nach Wien und bat den Kaifer ihn— weil er ihm doch ſo viele Familien zuführte— mit einem guten Amt zu bedenken. Außerdem verlangte er einen Geld- vorſchuß, damit er die Leute, die alle arm ſeien, bis nach Wien unterſtützen könne. Die Bitte wurde ihm auch erfüllt und er bekam 1000 Gulden; aber anſtatt nach Deutſchland zurückzukehren, ging er nach Polen, ſpielte dort den großen Herrn und vertat das Geld Dies wurde nach Wien berichtet und da er ſich vor Strafe fürchtete, fuhr(Eckel auf der Weichſel nach Danzig und dann nach Amſterda'n. Von Holland aus ſchrieb er ſeiner Frau, ſie ſolle geſchwind den ganzen Beſitz verkaufen und mit dem Gelde zu ihm kommen, um nach Amerika zu ſegeln. Bevor ſie aber zur Abreiſe fertig war, kam ein kaiſerlicher Kommiſſar aus Wien und zog das ganze Eckel'ſche Vermögen ein, ſo daß die Frau nur mit knapper Not die Reiſe nach Holland antreten konnte. Obwohl die Reichsfürſten dem Plan Kaiſer Joſephs anfäng⸗ lich nichts in den Weg legten wurde ſpäter, als Alles ſich auf die Beine machte, den Untertanen die Auswanderung verboten. Die Leute zogen aber trotzden bei Nacht und Nebel davon, und wer das kleine Gebiet ſeines Landesherrn hinter ſich hatte, konnte ohne Sorgen weiterreiſen, Frs über Würzburg und Nürnberg als über Ulm, Günzburg, Donauwörth bis Regensburg. Dort würden Päſſe ausgeſtellt zur freien Einwanderung in die kaiſerlichen Staa⸗ ten. Bei der Ankunft in Wien mußten ſich die Koloniſten auf der ungariſchen Hofkanzlei melden, woſelbſt ſie einen vollſtändigen Anſiedlungspaß und für jede Perſon 2 Gulden Reiſegelder bis nach Ofen bekamen. Bei der Hofkammer in Ofen wurde auf dem Paß der Ort angemerkt, wo die Einwanderer in Ungarn ſich an⸗ ſiedeln ſollten, und für jeden Kopf wurde 1 Gulden Reiſegeld aus⸗ gezahlt. Im Bacſer Komitat waren ſo viele öde und leere Gründe, daß zur Beſiedlung ungefähr 3500 Perſonen nötig waren. Dami alles gut und glatt abgewickelt werden konnte, wurde ein An⸗ ſiedlungs⸗Rentamt und ein Anſiedlungs⸗Bauamt gegründet. So⸗ bald ein Reichseinwanderer die 160 Meilen weite Reiſe(man rechnete von der Mannheimer Gegend durch Franken oder Schwaben nach Regensburg 40 Meilen— von da auf der Donau bis Wien 60,— von Wien bis Ofen und Zomba 60 Meilen— zufammen 160 * Meilen oder 320 Skunden) zurückgelegt hatte, mußte er ſich mit einer ganzen Familie dort vorſtellen. Dedem Hausvater warde ein üchlein mit der ae überreicht, in das die Namen und Geburtstage ſeiner Angehörigen, ſowie alles was er als Koloniſt zu beanſpruchen hakte, eingeſchrieben wurden. Dieſe Zu⸗ wendungen beſtanden in einer Kuh, Mobiliar, Holz und Stroh und für einen„kleinen Kopf“, unter 10 Jahren, täglich 1 Kreuzer und ein Seidel Mehl, für einen großen Kopf, über 10 Jahren, 2 Kreuzer und 2 Seidel Mehl. Gleichzeitig wurde vom Rentamt der Ort beſtimmt, wo ſich die betreffenden Familien in einem der leer⸗ ſtehenden Quartiere ſolange aufhalten ſollten, bis ſie ihr eigenes „für erb⸗ und eigen“ in einem neuen Dorf zu erbauendes Haus be⸗ ziehen konnten. Als beſondere Vergünſtigungen erhielten die Bauern beim Einzug in ihr eigenes Haus Aecker und Wieſen ſoviel ſie be⸗ bauen wollten. Dann 4 Pferde, oder für jedes 22 Gulden, 2 Zäume, Halftern, einen Wagen, einen Pflug ſamt Zubehör, Beil, Schaufel, Senſe mit Wetzſtein, 2 Sicheln, 2 Bohrer, 1 Schneid neſſer, 1 Hand- ſäge und 1 Wagenſeil. Die Profeſſioniſten dagegen bekamen 1 Kuh oder 18 Gulden, eine Bettſtatt, einen Teppich, Säcke, Spinnrad, Mehlſieb, Brod⸗ ſchieher, Waſſerzuber, Melkkübel und Butterfaß. In jeden neu zu erbauenden Ort wurde ſofort ein Spital mit Apotheke und ein Bethaus für alle Konfeſſionen errichtet. In dieſes Bethaus kamen folgende Geräte: Glocke, Kanzel, Altar, vergoldeter Kelch, zinnerne Taufſchüſſel ſamt Kanne und ein Kruzifix. Dann wurde ein Schulhaus mit Tiſchen, Bänken und Tafel hergeſtellt und extra Wohnungen für Pfarrer und Lehrer. An Feuerlöſchgeräten wurden geliefert: ein großes Faß auf einem Wagen, 2 Leitern, 4 Haken, 12 lederne und 6 hölzerne Eimer und für je zehn Häuſer wurde ein Brunnen errichtet. Die Koſten für ein Haus beliefen ſich auf ungefähr 200 Gulden. In der S rache und den Trachten der Eingewanderten herrſchte zuerſt ein richtiger Miſchmaſch, bis der Dialekt der Churpfälzer, die ja die größte Anzahl der Koloniſten bildeten, den Sieg davon trug. Auch die pfälziſche Tracht hat ſich dort erhalten, namentlich die ſchön geformten Hauben der Pfälzer Frauen. Da ſich die meiſt ſehr tüchtigen Deutſchen tnit dem vielen Ge⸗ ſindel, das von vorher dort war, nicht vertragen konnten, machten ſie eine Eingabe nach Wien auf„Separation“ und verſprachen, alle etwa entſtehenden„Unköſten“ zu tragen. Kaiſer Joſeph ging darauf ein, beſtellte einen Ingenieur, der die Arbeit um den Preis von 1250 Gulden übernahm. Natürlich hatten die Leute unter ihren Hausgeräten und Habſeligkeiten auch ihre Geſangbücher mitgebracht, und, um darin eine Einheit zu ſchaffen, wurde das Churpfälziſche Geſangbuch, welches 1784 in Heidelberg herausgekommen, von Heinrich Valentin Bender in Mannheim verlegt war, eingeführt. Das Stück koſtete drei Gulden dreißig Kreuzer. In den erſten 10 Jahren wurden in der Landwirtſchaft keine großen Fortſchritte genacht. Dieſe Freijahre waren wohl gewährt worden von dem Geſichtspunkt aus, daß zur Angewöhnung fremder Einſiedler, namentlich Deutſcher, eine geraume 9 0 vergeht, bis ſie ich körperlich und ſeeliſch eingelebt haben. Nach dieſen 10 Jahren jedoch blühte die Landwirtſchaft förmlich unter den Händen der Thurpfälzer und die Nachkommen der erſten Koloniſten ſind heute alle reich begüterte Leute. In erſter Linie haben ſie ihren Wohl⸗ ſtand ihrer Tüchtigkeit, ihrem Fleiß, ihrer Lauterkeit und Munter⸗ keit zu verdanken. Sie halten noch treu an den Sitten ihrer Väter, ſingen noch die alten Heimatlieder, tanzen die alten Tänze und Quetſchekuche, Metzelſupp und Kerwe ſind ihnen durchaus keine freinden Begriffe. 90 Frankreich und die Pfalz um 1680 Von J. W. Hilß 1. f 0 Der franzöſiſche General Gérard hat zur Zeit der ſeparatiſtiſchen nruhen erklärt, bei ſeinen liebenswürdigen Bemühungen um die Pfalz an die. von 1793 anknüpfen zu wollen. Ob dazu Knebelung der öffentlichen Meinung und Unterſtützung von Vaterlandsverrätern gehörte? Oder ſollte ſich der General etwas in der Zeit getäuſcht und an die nicht weniger. Tradi⸗ tionen von 1688 und 89 angeknüpft haben? enn damals, zur Separatiſtenzeit, die Franzoſen ſich Leute kauften, Landes⸗ verräter, iſt dies etwas Anderes, als eine zeitgemäße Abänderung eines Befehls des Miniſters Louvois an Montclar von 6. Dezbr. 1688, in dem es heißt, er ſolle Einheimiſche dingen, Mordbrenner afin de porter bien au delà des limites accoutumées, par la terreur des embrasemenls nocturnes je bénéfice des con- tributions“? a Eine abſchließende Arbeit über den pfälziſchen Raubkrieg Ludwigs XIV. fehlt, weil noch heute die Akten darüber vom fran⸗ zöſiſchen Kriegsminiſterium unter Sekretion gehalten werden. N. nennen wäre: Camille Rouſſet, Hiſtoire de Louvols Band IV, Kap. 10, Paris 1879 6ième édit. und Prutz, Louvois und die Verwüſtung der Pfalz 1688/9(Deutſche Zeitſchr. für Geſchichts⸗ wiſſenſchaft Bd. 2, 1890, 228ff). Hier ſoll keine Darſtellung des Krleges gegeben, auch nicht unterſucht werden, wie Rouſſet und Prutz tun, wen die Verant⸗ wortung für die Verwüſtung trifft, Louis XIV. oder Louvois oder den Generalquartiermeiſter Chamlay. Es ſoll hier lediglich an einigen zeitgenöſſiſchen Dokumenten, die der Oeffentlichkeit ſo ut wie unbekannt ſind, gezeigt werden, welche freundſchaftlichen efühle die Franzoſen ſchon 1688/9 für die deutſche Pfalz hatten. Die nach Rouſſet„große Städte und Provinzen, die ihnen nicht 8 verbrannten und zerſtörten“, nennen uns mit Vorliebe arbaren und Hunnen!) und verſuchen ſich in den gleichen Pro⸗ vinzen und Städten als Volksbeglücker aufzuſpieln. II. Wichtiger ſcheint es, zu wiſſen, warum man die Pfalz ver⸗ brannte. Die Anſicht des Marſchalls von Villars, Pufendorfs, Voltaires und noch Rouſſets iſt, daß man die Pfalz in eine Wüſte verwandelte im Intereſſe der„Skaatsraiſon“ und um deutſche Gegenangriffe abzuwehren, zu verhindern, daß das Land feind⸗ lichen Truppen Unterkunft bieten könnte.(Alſo ein Gegenſtück zu den deutſchen Rückzugszerſtörungen.) Aber Prutz zeigt, daß erſt in Laufe der Ausführung dieſer Zweck vorgeſchoben wurde; zuerſt hatte man keine andere Abſicht, als die geleerten Kriegskaſſen des Königs durch ungeheure Kon⸗ tributionen und Erpreſſungen zu füllen. Um die geängſtigten Ein⸗ wohner mürbe zu cnachen, zog man ſengend und brennend durch das* Weiter wollte man auch rein durch den Schrecken wirken einen Druck auf die überraſchten Reichsſtände ausüben. All dies, die ganze niederträchtige Art der Kriegsführung wird aus dem Briefwechſel klar, den der Kriegsminiſter Louvois mit den in Deutſchland operierenden Befehlshabern* 55 Rouſſet be⸗ nützte dieſen Briefwechſel im Original. Wir müſſen uns mit dem begnügen, was der Jeſuit Griffet im 5. und 6. Band ſeines Recueil de lettres pour servir d'eclaircissement à I Histoire militaire du Regne de Louis XIV.““) bringt. Aber das Bild, das dieſe Sammlung bietet, iſt nicht vollſtändig, und ſicher exiſtiert über Urheberſchaft, Anordnung und Vorbereitung der Untaten ein reiches Aktenmaterial, das Rouſſet nicht Te hat oder nicht, erreichen konnte. Als Prutz 1879 das Archiv des Kriegsminiſte⸗ riums benutzte, wurde ihm über die Zeit des pfälziſchen Kriegs kein einziges Papier ausgehändigt und ſeine wiederholten Be⸗ mühungen mit der Bemerkung abgewieſen, dieſe Akten ſeien auf beſonderen Befehl unbedingt ſekretiert und nicht zugänglich. Prutz ſchließt daraus, daß dieſe Akten, die ſo ängſtlich gehütet werden, Dinge enthalten müßten, deren Bekanntwerden noch nach ſo langer 9) Was dieſe 995 Sega der Deutſchen betrifft, ſo nennt leider ſchon der Duc de St. Simon einen der Generale Louis XIV. den Maréchal de Joyeuse„roi des Huns“(Mém. VIII p. 45 édit. Boislisle.) %) A la Haye et se trouve à Paris„ MoccLxXIII. Zeit mit den nakionalen Inkereſſen Frankreichs unvereinbar er⸗ ſcheint, und deren Unterdrückung eine höhere Staatsrückſicht ge⸗ bieteriſch fordert. 5: Aber das Wenige, was wir dem gebruckten Briefwechſel ent⸗ nehmen können, zeigt zur Genüge, mit welcher Skrupelloſigkeit Louvois vorging. III. Louvois an den Herzog von Duras, den Höchſtkommandierenden 4. X. 1688(V. 18): .... Sie kennen ſo gut die Wichtigkeit der Be ſetzung Mannheims, daß S. M. überzeugt iſt, daß Sie nichts unterlaſſen werden, die Stadt zu unterwerfen, wenn es zu machen iſt, oder ſie wenigſtens ganz zu verbrennen(br uler absolumeni), wenn dies möglich iſt Dieſer letzte Zuſatz bedeutet, wie dies aus anderm hervorgeht, „möglich, ohne ſich zu kompromittieren“. Anfangs November wurde Mannheim von Vauban ein⸗ genommen. Ehe dies noch geſchehen war, gab Chamlay am 27. X. dem Miniſter brieflich den Rat:„Am Tage nach der Er⸗ oberung Mannheims ginge ich ohne Gnade an die Zerſtörung und ließe den Pflug darüber führen. Dieſer Platz taugt Ihnen zu nichts.“(V. 197) Louvois an De la Grange, 17. XI. 1688(V. 161): „Ich ſehe den König ziernlich geneigt, Stadt und Cidatelle Mannheim gänzlich raſieren zu laſſen und zwar die Woh⸗ nungen ſo gänzlich zu zerſtören, daß kein Stein auf dem andern bleibt, der einen Kurfürſten, dem man das Terrain während eines Friedens wieder zurückgäbe, veranlaſſen könnte, hier wieder eine Befeſtigung anzulegen. S. M. hält es noch nicht für angebracht, daß dieſer Plan irgendwem bekannt wird.“ Es ſoll unterſucht werden, ob„das Abbruchmaterlal der Häuſer und Kirchen billiger nach Philippsburg geſchafft werden könnte als von anderswoher“. Am 26. Nov. notiert der Marquis Dangeau in ſeinem be⸗ kannten„Journal“ in der Tat, daß der Befehl zur Zer⸗ ſtörung Mannheims abgegangen ſei, der Stadt und aller Häuſer. Aber die Ausführung ſchiebt ſich ins nächſte Jahr hinaus. Louvois an De Montclar, 10. XI. 1688(V. 163): „Jetzt, da Monſeigneur und Herr von Duras.) abgerelſt ſein werden, wende ich mich an Sie... Seine Maſfeſtät empfiehlt Ihnen... Ihre ganze 1 auf die Beitreibung der Kon⸗ tributionen der entlegenſten Landſchaften zu verwenden, was nur dadurch geſchehen kann, daß Sie ſich gerade mitten unter die be⸗ geben, die ſich nicht unterwerfen wollen, und dort ſoviel Unordnung anrichten, daß ſich Jeder beeilt, ſein Geld zu bringen. Da es auch ſo entlegene gibt, daß es nicht klug wäre, mit ſtarken Kräften hin⸗ zugehen, erwartet S. M., L aue Einheimiſche ausfindig machen, die des Nachts Feuer in die Häuſer werfen, um auch die Orte ein⸗ zuſchüchtern, die ſich außerhalb unſerer Machtſphäre glauben. In gleicher Weiſe iſt bei Städten zu verfahren, die man nicht nehmen kann; da iſt in die umliegenden Dörfer Feuer zu legen.. Noch iſt wichtig, den Handel der großen Städte zu ſtören und die Frachtwagen wegzunehmen, die für ſie beſtimmt ſind, wenn ſie nicht mit Paſſierſcheinen verſehen ſind. Dieſe ſind ſehr hoch zu taxieren.“ Monclar beſetzte Heilbronn, und von dieſem Standquartier aus brandſchaßte er weit das Land. Die erpreßten Summen überſtiegen 2 000 000 Livres. Louvois befahl ihm,„täglich Nachrichten zu geben über das, was in Anſehung deſſen geſchieht, was ich Ihnen von den Abſichten des Königs mitteile.“(V. 164) Als Monclar ſich ſchließ⸗ lich aus Schwaben zurückzog, ſchrieb Louvois an ihn:„S. M. empfiehlt Ihnen, alle Orte, die Sie verlaſſen, gründlich zerſtören zu laſſen, ſowohl am oberen, wie am unteren Neckar, daß die Feinde dort weder Fourage noch Lebensmittel finden, und nicht verſucht ſind, ſich zu nähern.“(zit. Rouſſet, 18. XII. 1688) Ein ſtra⸗ tegiſches Rückzug, lange bevor die Deutſchen ihn erfanden. Louvois an den Marquis d'Huxelles, 30. XI. 1688(V. 1707): „.. Der König hat ſchon vor einiger Zeit befohlen, daß man an die Mauern von Boppard und Reez Breſche lege.. Aber wenn Sie dieſe Poſten durch ein Streifkorps verbrennen ließen, ohne daß es ausſieht, als ſei Befehl dazu gegeben worden, könnte dies ſehr nützlich für die Erhaltung Ihrer Quartiere ſein. S. M. hätte es ſehr gern, wenn nan auch St. Goar verbrennen würde, ſdfern dies geſchehen könnte, ohne ſich in Verlegenheit zu bringen.“ Louvois an den Marquis d'Hupelles, 30. XII. 1688(V. 173): „Der König empfiehlt... die Kontributionen ſo ſehr als Ihnen möglich zu betreiben; kleine Streifkorps und Verbrennungen er⸗ reichen ſo viel, wie wenn man mit großen Corps kommt.“ De Chamlay an Louvois, 27. X. 1688(V. 196): „Man hat geſtern Herrn von Romalnville Befehl gegeben, ...: drei Streifcorps zu detachleren, von denen das eine auf dem Weg nach Nördlingen und Nürnberg vorrücken ſoll, das andere gegen Ulm und das dritte gegen die Tauber. Die Führer dieſer Corps haben Befehl, einige kleine Seädte zu verbrennen und einige Schlöſſer, hauptſächlich ſolche, die den Fürſten, Direktoren des ſchwä'⸗ biſchen und fränkiſchen Kreiſes gehören, weiter bekannt zu geben im Land, daß man überall Feuer legen wird, wenn nicht Geld bei ⸗ kommt für die Kontribution.“ Chamlay meint weiter, man müſſe ſich das Zerſtören und Verbrennen zeitlich etwas verteilen; für den Fall, daß der Kaiſer einmal Friede machen wolle, käme ſonſt zu viel zuſammen. Wenn man ſchon ſo weit ſei, daß von Frieden geſprochen würde, würden weitere Zerſtörungen die Deutſchen unfehlbar ſehr reizen. Alſo müſſe man ſchon fetzt mit der Zerſtörung der wichtigſten Plätze be⸗ ginnen, damit ſie einem in ſpäteren Kriegen nicht mehr zur Laſt fallen könnten.“ Dieſe Plätze ſind Speier, Neuſtadt, Alzey, Creutz⸗ nach, Oppenheim, Kaiſerslautern, Frankental, wenn es genommen ſein wird, Bingen, Bacharach, Rheinfeld. Wird Friede, iſts eine 10 Tatſache, dauert der Krieg fort, iſts von unſchätzbarem e„„6 g 2 Louvois an De la Grange, 23. X. 1688(V. 169): „... Mit Ueberraſchung höre ich, daß bis jetzt nur 3 oder 400 Bauern am Fort Louis arbeiten; ſorgen Sie dafür, daß es immer 1200 ſind.“(Das waren offenbar keine„freiwilligen Arbeiter“) Bouffleurs an Louvois, 30. X. 1688(V. 203): ü „.„ Ich werde jetzt darangehen, dieſe Stadt(Coblenz) 3 bombardieren und zu verbrennen, ſo gut es mir möglich iſt, gemäß den Befehlen, die ich darüber habte Bouffleurs an Louvois, 2. XI. 1688(V. 215): „„„„ All unſere Bomben wurden geſtern in die Stadt geworfer mit außerordentlichem Erfolg. Die Stadt wurde zum größten Teil verbrannt, und der Reſt iſt derartig zerſtört 8 verwüſtet, daß meiner Anſicht nach keine 20 Häuſer mehr bewohnbar ſind Mehrere Offiziere, die die Beſchießung von Luxenburg und Oude⸗ narde mitgemacht haben, verſicherten, daß jene Beſchießungen ani dieſer in keinem Verhältnis ſtünden... Sie können verſichert ſein, daß man alles getan hat, um dieſe Stadt zu zerſtören„“ Melac an Louvois, 28. I. 1689(V. 253): ö „... Heute Nacht wollte ich die kleine Stadt Lade am Neckar verbrennen. Zu dieſem Zweck marſchierte i Pferden und 80 Grenadie cen von hier(Heidelberg) ab. Ich ſchickte meine Grenadiere in die Stadt, ich hatte leinen beſtimmten Befehl, die Stadt zu verbrennen, aber ein Brief des Herrn Grafen von Teſſé, den ich den Tag zuvor empfangen, legt es nahe. Im ſelhen Brief befiehlt er mir, falls ich es tue, die Plünderung zu verhindt en und den unglücklichen Einwohnern die notwendige Zeit zu laſſen, ich mit ihren Frauen, Kindern und ihrem Vieh zurückzuziehen..“ nfolge eines Angriffs auf Heidelberg mußte Melac damals un ⸗ n bur mit 3 verrichteter Sache abziehen. r) Monſeigneur, der Dauphin, ſollte offenbar in dieſe an ⸗ rüchigen Dinge nicht rerwickelt werden, oder befürchtete nan ſeinen Widerſtand: der Herzog v. Duras ſträubte ſich öfters, wie 5 1 werden, gegen die Mordbrennerrolle, die man ihm