2. Seite Nummer 96 Neue Mannheimer Zeitung Abend ⸗Ausgabe auch viel Gutes für Preußen⸗Deutſchland geleiſtet hat, iſt auch uns unvergeſſen. Heute jedoch hat dieſe einſtmals ſo große und einflußreiche Partei offen⸗ bar auf jede Selbſtändigkeit verzichtet und ſich mit ihren 41 Mandaten ganz in das Fahr⸗ waſſer der 107 nationalſozialiſtiſchen Abgeordneten begeben. Trotz dieſer Selbſtaufgabe iſt die Sprache der Deutſchnationalen, wie ſie in der geſtrigen Antwort Hugenbergs an Hindenburg zum Ausdruck kommt, doch von einer Ueberheblichkeit, von einem Hochmut erfüllt, über den man nur ſtaunen kann. Ganz beſonders unangebracht aber iſt ein ſolcher Ton gegenüber der ehrwürdigen Perſönlichkeit des 85 jährigen Reichspräſidenten, des in allen Schichten des deutſchen Volkes in tiefwurzelnder Verehrung hochgeſchätzten Vater des Vaterlandes, des ruhenden Pols in der Erſcheinungen Flucht. Wie oft ſchon in den letzten Jahren hat gerade Hindenburg in wichtigen und entſcheidenden Augenblicken durch ſein Eingreifen die anſcheinend völlig verworrene und verfahrene Situation geklärt und einen rettenden Ausweg gefunden. Und nun kommt ein Partei⸗ führer wie Hugenberg und macht Hindenburg zum Vorwurf, daß er von feiner Umgebung nicht zu⸗ treffend unterrichtet werde. Als ob Hindenburg trotz ſeines hohen Alters nicht immer noch ein Mann wäre, der noch perſönlich an allen intereſſanten und wichtigen Geſchehniſſen Anteil nimmt und durchaus in der Lage iſt, ſich ſelbſt zu informieren und ſein Urteil zu bilden. Wenn Hugenberg nicht parteipolitiſch ſo unheilbar einſeitig wäre, dann müßte er ſich darüber klar ſein, daß jener Vorwurf, den er dem Miniſterium Brüning macht:„Dieſes eigenſiunnige Verſagen in der Stunde höchſter Gefahr iſt eine geſchiſchtliche Sünde,“ daß dieſer Vorwurf für ihn ſelbſt viel tauſendmal mehr zutrifft als auf Brüning, als auf das Reichskabinett und die arbeitswillige Mehrheit des Reichstages, die aus ſt aats poli⸗ bſcher Notwendigkeit heraus auf alle Po⸗ pularitätshaſcherei verzichteten, trotzdem aber durch ihre ſachliche, unbeirrbare Politik eder poſiti⸗ ven Leiſtungen für das Volksganze, von Tag zu Tag mehr an Popularität gewinnen. Schlimmer noch als die Antwort Hugenbergs an Hindenburg iſt die gleichzeitig vorliegende Kundge⸗ bung Hitlers. Unter„ſtürmiſcher Beifall“ ſeiner Zuhörerſchaft ſagte er, dem„Völkiſchen Beobachter“ zufolge vorgeſtern auf einer großen Verſammlung im Münchener Bürgerbräukeller: darf uns dabei gar nicht irreführen, wenn unſer hochverehrter Herr Reichspräſident höchſtſelbſt einen Brief ſchreibt und nun wn nſchtoder hofft, daß die nationale Oppoſition mithilft, das rote Schiff wieder in den nächſten roten Ka⸗ nal hineinzuſchleifen. Einmal muß erſt feſt⸗ geſtellt werden, wer den Brief geſchrieben hat. Wir zweifeln gar nicht daran, daß unſer Herr Reichspräſident einſt ein Schlachtenlenker war, aber wir zweifeln daran, daß er ein politi⸗ ſcher Lenker iſt, ſondern wir glauben, daß er politiſch ſelbſt gelenkt wir.“ Einer ſolchen Tonart dem Reichsoberhaupt gegenüber kann es für jeden Deutſchen, dem das Vaterland und die Staatsautorität vor alle Partei⸗ politik geht, nur völlige Ablehnung und Mißbilli⸗ gung geben, Wie kann Hitler es wagen, den um Volk und Vaterland ſo unſterblich verdienten Hin⸗ denburg gewiſſermaßen als unwiſſenden Spiel⸗ ball ſeiner Umgebung, als eine Marionette hinzu⸗ ſtellen, indem er von ihm behauptet, daß er kein politiſcher Lenker ſet, ſondern politiſch ſelbſt gelenkt werde. Von der Staats politik, die Hindenburg treibt und treiben muß, verſteht Hitler ſo wenig wie Hindenburg von der Partei politik, in der Hitler zweifellos nie dageweſene Erfolge erzielt hat. Doch Staatspolitik und Parteipolitik ſind eben zwei völlig verſchiedene Bereiche und heutzutage leider Gottes mehr denn je zu unvereinbaren Gegenſätzen ge⸗ worden. Wer Staatspolitik treiben will, muß den nötigen Weitblick und die erforderliche Unab⸗ hängigkeit haben, um ſich über die Parteipolitik unſerer mehr als zwei Dutzend großen und kleinen Parteien hinwegzuſetzen. Wer aber Partek⸗ politik treibt, der iſt als Parteiführer mehr oder minder der Gefangene ſeiner Partei und darf und will oft gar nicht ſehen, daß außer ſeiner Partei, und ſei ſie noch ſo groß, doch noch viele andere Par⸗ „Es Aenderung des badischen Polizeirechts Erweiterung polizeilicher Machtbefugniſſe Annahme der abgeänderten Regierungsvorlage im Landtag Das badiſche Konkordat in Vorbereitung Eigener Drahtbericht g. Karlsruhe, 26. Febr. Wieder Erwarten raſch, wohl aber auch aus dem Grunde, weil die beiden Regierungsparteien ſich nicht an der Ausſprache beteiligten, nahm der Land⸗ tag nach%ſtündiger Beratung am Donnerstag vormittag den Geſezentwurf zur Aenderung des badiſchen Polizeiſtrafgeſetzbuches an. Sie fand mehr als die notwendige zwei Drittel Mehrheit. Nur 14 Abgeordnete, und zwar National⸗ ſozialiſten, Deutſchnationale und K ommuniſten widerſprachen, denen ſich der Bauernparteiler Schmidt aus Bretten zugeſellte, der übrigens wegen Beleidigung des Bürgermeiſters ſeines Wohn⸗ ortes vor den Kadi zitiert werden ſoll. Die Erweite⸗ rung polizeilicher Machtbefugniſſe vom Standpunkt der Staatsautorität und der Bürgerrechte iſt recht wichtig. So brachte der Auftakt der Sitzung eine für Badens Kulturpolitik hoch bedeut⸗ ſame Entſcheidung. Hatte die Regierung auf bisherige Anzapfungen über den Stand der Konkordatsverhandlungen recht verklauſoliert erwiedert, ſo ließ ſie heute auf eine deutſchnationale kurz Anfrage folgende Antwort geben: „Die Grundzüge der Verträge mit der katholiſchen Und evangeliſchen Kirche ſind fertiggeſtellt und wer⸗ den als Unterlage für die kommenden Verhandlun⸗ gen dienen. Ueber die endgültige Geſtaltung der Ver⸗ träge kann nichts geſagt werden, bevor die Vorlagen an den Landtag gerichtet ſind.“ Der nunmehr in erſter und zweiter Leſung ver⸗ abſchiedete Geſetzentwurf zur Aenderung des Polizei⸗ ſtrafgeſetzbuches wurde vom Landtag, allerdings nicht nach den urſprünglichen Abſichten des Innenminiſte⸗ riums, angenommen, ſondern ging aus den Be⸗ ratungen des Rechtspflegeausſchuſſes in ſtark ver⸗ änderter Form hervor. Es iſt ein offenes Geheimnis, daß anerkannte republikaniſche Strafrechtler und Verwaltungsgerichtler das neue Polizeirecht auch in gemilderter Form ablehnen und den Urhebern des Geſetzes die Fähigkeit abſprechen, eine Reform des Polizeiſtrafrechts in die Hand zu nehmen. i Tatſächlich entzieht die neue Faſſung des§ 29 dem Staatsbürger den Rechtsſchutz der Strafgerichte gegen die ſogenannte„unbewehrten“ polizeilichen Anord⸗ nungen, da dieſe für den Fall von Vorkommniſſen, die die Sicherheit von Perſonen und des Eigentums oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung ſchwer bedrohen, auch ohne Strafandrohn ng erlaſſen werden können. Daß das Geſetz auch dem liberal ein⸗ geſtellten Teile des Parlaments einigermaßen trag⸗ bar iſt, iſt nur dem Umſtand zuzuſchreiben, daß die Regierung auf ihren 8 21 verzichtete, der den Polizeibehörden eine Generaldeligation gab und den Erlaß notwendiger Maßnahmen zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in das Er⸗ meſſen der Behörde ſtellte. Gerade dieſer „Verärgerungs⸗ Paragraph“ ließ deutlich erkennen, daß die an und für ſich erwünſchte Reform des Po⸗ lizeirechts durch das Urteil des Verwaltungsgerichts⸗ hofes in Sachen des nationalſozialiſtiſchen Uniformverbots verurſacht iſt. Wenn der Staatsparteiler Dr. Leers in dieſem Urteil nur den Anlaß ſah, ſo betonte Innenminiſter Wittemann heute ausdrücklich: „Grund der Vorlage iſt, daß, wie die Recht⸗ ſprechung des Verwaltungsgerichtshofes ge⸗ zeigt hat, die beſtehenden Beſtimmungen nicht ausreichen, und die Lücken durch Aenderung ausgefüllt werden ſollen.“ Es iſt aber nun nicht ſo, wie es bezeichnenderweiſe zugleich Nationalſozialiſten und Kommuniſten hin⸗ ſtellten, daß die Aenderungen gerade gegen ſie ge⸗ richtet ſeien, bezw. gegen die„Freiheitsbewegung“ und gegen die Erwerbsloſen, ſondern jeder Regie⸗ rung— um mit dem Volksparteiler Bauer zu ſprechen— iſt das Recht zuzuerkennen für die Ordnung zu ſorgen und die entſprechenden An⸗ ordnungen zu treffen. Wie geſagt, die Bedenken gegen die Neuord⸗ nung ſind auch nach der Landtagsdebatte nicht ganz verſchwunden. Der Staatsparteiler Dr. Leers hielt es noch einmal für notwendig, dahin zu appel⸗ lieren, daß die Rechtsgarantien, die ein mo⸗ narchiſches Regime in das ganze Recht hineingear⸗ beitet hat, beſtehen bleiben und an der guten badiſchen Tradition nicht gerüttelt werde, den Weg des libe⸗ ralen Fortſchrittes zu beſchreiten. Man merkte der Jungfernrede des Deutſchnatio⸗ nalen Dr. Brühler aus Freiburg an, daß ſich der Mandatsnachfolger des Abgeordneten Habermehl auf dem parlamentariſchen Glatteis noch nicht recht heimiſch, fühlte. Für die Ablehnung der Vorlage fand er das Argument, das heutige Syſtem krache in allen Fugen. Große Heiterkeit löſte ſeine hypothe⸗ tiſche Prophezeiung aus: Wenn wir einmal in der Regierung ind. Staatspräſident Wittemann brach am Schluſſe der Ausſprache noch einmal eine Lanze für die Geſetzesänderungen und verteidigte den von der Oppoſition kritiſierten Erlaß von polizei⸗ lichen Anordnungen ohne Strafandrohung mit dem Hinweis, es liege im Zuge unſerer Zeit, daß man nicht überall und nicht immer beſtrafe. Auf die von dem nationalſozialiſtiſchen Reöͤner an ihn gerichtete Frage, wenn er das Uniformverbot aufzuheben gedenke, antwortete der Innenminiſter unter Heiterkeit des Hauſes:„Wenn Sie brav ſind und Sie ſich an die Geſetze und die Verfaſſung halten werden.“ Bis jetzt hätten aber die Nationalſozialiſten ſchon zu wieder⸗ holten Malen bewieſen, daß ihnen die Verfaſſung ziemlich gleichgültig ſei. Der Miniſter lehnte es auch ab, den Nationalſozialiſten eine weitere Begründung für den Erlaß des Braunhemdenverbots zu geben und gab noch einmal ſeiner Meinung Ausdruck, daß er das Urteil des Badiſchen Verwaltungsgerichts⸗ hofes für ein Fehlurteil halte. In ſeiner Nachmittagsſitzung wird ſich der Landtag zunächſt mit einem Antrage auf Herauf⸗ ſetzung der Stimmenzahl für ein Mandat bei den badiſchen Landtagswahlen befaſſen. r ñ⸗.,r':•n i ñ teien mit vielen, vielen Millionen deutſchen Vaterlande vorhanden ſind. Dieſen kurzſichtigen Parteiegotsmus kann man bei allen Parteien beobachten, am häufigſten und am deutlichſten bei den Sozialdemokraten und bei den— Nationalſozialiſten. Ein Geſchenk des Himmels iſt es deshalb, daß wir auch in der heutigen furchtbaren Parteizerrüttung doch immer noch eine höchſte Stelle haben, die unbeirrbar durch alle Schmähungen wie ein Fels im Meer über aller parteipolitiſcher Brandung ſteht: Lang noch lebe Hindenburg! II. A. Meihner. Anhängern im Nationaltheater Mannheim „Nathan der Weiſe“ zu Leſſings Gedächtuis Den 150. Todestag Leſſings beging das National⸗ theater mit der Aufführung des vor zwei Jahren neueinſtudierten religiöſen Dramas„Nathan der Weiſe“. Was ſich ſchon vor zwei Jahren bei der Wiederaufnahme dieſes theologiſchen Streitſtückes offenbarte, kam bei der geſtrigen Aufführung erneut zum Ausdruck: eine ganz erſtaunliche Aktuali⸗ tät, die beweiſt, daß wir in den Fragen der menſch⸗ lichen Beziehungen eigentlich keinen Schritt nach vorwärts getan haben. Im Gegenteil! Wie nach Leſſing das Chriſtentum nicht vom Buchſtaben und vom Wunder, ſondern„vom Geiſte und der Kraft“ abhängen ſoll, wie er bewußt in ſeinem Nathan das Bild reinſter vorurteilsfreieſter Menſchenliebe und höchſter Lebensweisheit zeichnete, wobei es ganz un⸗ erheblich iſt, weshalb er gerade den Juden zum Träger der Idee macht— wir verwieſen vor zwei Jahren auf die Formulierung von Kuno Fiſcher, der in dieſer Beziehung Leſſing den Juden Nathan zur Verkörperung des Menſchheitsgedankens heran⸗ ziehen läßt, nicht weil er. ein Jude, ſondern ob⸗ gleich er ein Jude iſt—, ſo erweiſt ſich die Aktua⸗ lität des Leſſingſchen Stückes wie der Leſſingſchen Gedanken überhaupt in ſeiner Einſtellung zum Menſchen. Vom Geiſte und der Kraft ſoll das Leben ab⸗ hängen, wo aber ſehen wir heute dieſen Geiſt und die Kraft in unſeren kulturellen und politiſchen Be⸗ ziehungen? Leſſing will kein Dogma. Ihm be⸗ deutet eine zum erſtarrten Lehrſatz gewordene Wahr⸗ heit ſchon Vorurteil, er ſah vielmehr immer nur den ringenden, ſtrebenden, irrenden, überall gleich elenden und hilfsbedürftigen Menſchen vor ſeiner politiſchen und ſozialen Zerklüftung in Vekenntnis⸗ genoſſenſchaften und Parteien. Wie viel hat uns dieſer ig doch in unſerer Zerriſſenheit noch zu ſagen. enn auch ſeine„Minna von Barnhelm“ mit ihrer Beziehung zu Krieg und Einzelſchickſal einer Nachkriegszeit uns heutigen Menſchen als Ge⸗ denkſtück ſeines 150. Todestages noch näher ſteht, ſo iſt doch der aus Spfelplangründen gegebene Nathan Kicht minder geeignet, uns Gleichnis zu ſein für die Ueberwindung unſerer inneren und äußeren Zerriſſenheit. Was tut uns heute mehr not, als in dieſer Zeit äußerer und innerer Bedrückung den Menſchen im Menſchen zu ſuchen und zu finden, müſſen wir nicht aus dem ſtarken Leſſingſchen Brüderlichkeitsgefühl an die Ueberwindung der geiſtigen materiellen Kriſe herangehen? Heute, wo anſcheinend nur das Dogma regiert, wird ſich ſchließlich der Leſſingſche Satz be⸗ wahrheiten, daß„je gröber der Irrtum, deſto kürzer und gerader der Weg zur Wahrheit ſein wird“, und daß„nicht der Irrtum, ſondern der ſektiereriſche Irrtum, ja ſogar die ſektiereriſche Wahrheit das Unglück der Menſchen ausmache“. Die Schlichtheit und Ruhe, die aus dem Wahrheitsſucher Nathan ſpricht, die in allem menſchlich iſt und mitfühlend im gutgeſinnten Herzen, das iſt es, worauf wir uns beſinnen müſſen. Dieſe menſchliche Schlichtheit hat der Regiſſeur Wilhelm Kolmar auch bei der geſtrigen Auffüh⸗ rung zur Dominante erhoben. Sein Nathan war eine gradlinige Durchführung des klaren Charakters. Die Beſonnenheit und Mäßigung Kolmars vermit⸗ telte die Notwendigkeit und Zwangsläufigkeit des Nathanſchen Handelns und führte ſo zu einer Leſſingſchen Wirkung der Handlung auf die Seele der Zuſchauer. Ganz glänzend war wieder der Kloſterbruder von Fritz Linn, der mit feinſten Mitteln und ohne jede Uebertreibung— wie leicht reizt dieſe Rolle dazu— den ebenſo menſchlich ſym⸗ pathiſchen wie menſchlich klugen chriſtlichen Nathan verkörperte. Johannes Heinz hatte diesmal den Saladin übernommen, den er mit Güte und Ver⸗ ſtändnis zu einer zwar nicht überragenden, aber doch noch ganz trefflichen Charakteriſierung geſtaltete. Karl Marx überſpielte wieder den ungeduldigen Ringer nach dem Menſchheitsideal, den ſchon dem indiſchen Buddhismus erlegenen Derwiſch, während Erich Muſil ſeinen Tempelherrn mit burſchikoſen, aber herzlichen Zügen ausſtattete. Die Recha der Annemarie Schradiek hängt etwas in der Luft, weil ſie weder ſür die Anmut noch die Herzlichkeit der von ihr verkörperten Rolle den rechten Ton zu finden vermochte. Dagegen war die Sittah Eliſabeth Stielers eine runde Leiſtung und die Daja der Julie Sanden eine köſtliche Type. Das Publikum nahm die Aufführung mit ſtarkem Beifall auf, der ſich zum Schluß namentlich bei der Jugend zu lebhaften Ovationen ſteigerte. K. E. rstag, 26. Februar 1991 — Oeſterreichiſches Arteil über 3 Dr. Brüning 5 Wien, 28. Febt Das„Neue Wiener Tagblatt“ ſchreih Die Wiener Bevölkerung vernimmt mit aufrichtigen Bedauern, daß der deutſche Reichskanzler 5 Brüning durch die Obliegenheiten ſeines ſchwerg Amtes verhindert würde, ſeinen Beſuch bei der öſterreichiſchen Regierung in der nächſten Woche 1 machen. Wien hätte gern Anlaß genommen, den Leiter der deutſchen Reichsregierung, Dr. Brünn die große Wertſchätzung zu bekunden, die er ſich 1 der ganzen öſterreichiſchen Oeffentlichkeit erworhe hat. Der gegenwärtige deutſche Kanzler hat in 55 Zeit ſeiner Amtsführung den Beweis erbrach daß er zu den markanten ſtaatsmänniſchen Figuren des heutigen Europa gezählt werden darf. Vor allen hat ihm ein ungewöhnliches Ve rantwor, tungsbewußtſein und ein alles Perſönlich zurechtbringender, entſchloſſener Mut, der auch vos unpopulären Maßregeln nicht zurückſcheut, wenn 1 dem Staat und dem Volke dienen, die Achtung der Welt erworben. Die Wiener Bevölkerung hofft, daß Dr. Brüning in abſehbarer Zeit in der Lage ſein wird, unſerer Stadt doch geſchobenen Beſuch abzuſtatten. Scharfe polniſche Note an Rußlan Telegraphiſche Meldung Warſchan, 26. Fehr. Die polniſche Telegraphenagentur meldet: Die polniſche Geſandtſchaft in Moskau hat geſtern der Sowjetregierung eine ausführliche Note der pol⸗ niſchen Regierung überreicht. Dieſe Note ſteht in Zuſammenhang mit der Verhaftung eines un bekannten Mannes in den Räumen der polniſchen Geſandtſchaft in Moskau, der ſich als Briefträger vorgeſtellt hatte. Bei dem Unbekannten wurden Coupons der Genoſſenſchaft der G...⸗Beamten vorgefunden; er hatte verſucht, in das Kabinett des augenblicklich von Moskau abweſenden polniſchen Geſandten Patek einzubrechen. Die polniſche Not enthält eine ausführliche Darſtellung dieſes Zwiſchen⸗ falls. Sie fordert ausreichende Aufklärung, ferner eine Genugtuung ſowie Zuſicherung, daß derartige Vorkommniſſe in Zukunft unmöglich ge⸗ macht werden. f i Engländerin in Frankreich zu. Drahtung unſeres Pariſer Vertreter y Paris, 25. Febr. Das Schwurgericht von Verſailles verurteilte in Dienstag nach zweitägiger Verhandlung die Fug, länderin Lady Owen zu fünf Jahren Zucht haus. Die Angeklagte iſt die Witwe eines reiche engliſchen Adligen. Nach dem Tode ihre Gemahl“ führte die Angeklagte in Paris, mit reichen Gel, mitteln ausgeſtattet, einen recht lockeren Lebenswaß del. Sie lernte den Arzt Gaſtaud kennen u wurde ſeine Geliebte. Als ſie don dem verhelkätele Arzt nicht die Eheſcheidung erreichen konnte, verübt ſie ein Revolverattentat auf dee Gattin. 0 Das Gericht hatte darüber zu entſcheiden, oh de Angeklagte die Tat mit Vorbedacht ausgeführt hall oder nicht. Der Verurteilten, die von dem berühm teſten Pariſer Anwalt, Torres, verteidigt wurd 5 Jahren Zuchthaus verurteiſ„ den jetzt auß uri Län schie! Bere dieſe allen eon d wur. zs tiſtiſ Das Arteil gegen Broll billigte das Gericht mildernde Umſtände zu. 5 5— wü 1 3 N.***** f — Berlin, 26. Febr. Der Kaufmann Broll, der Die Unterſuchung des Eſchweiler Bergwerk ren mit einer Waffe in der Hand im Palais des Reichs⸗ Unglücks d 1 präſidenten angetroffen worden war und deshalb ſich„ 5. 3 7 heute vor dem Schnellrichter zu verantworten hatte, 8 Aachen, 1 e i erf wurde lediglich wegen Vergehens gegen das Waf⸗ 98700 teilt mit: Die nterſuchung in e 8 bet .„ 8 25 weiter. Täglich werden vom Bergamt in Due aus fengeſetz zu ſechs Wochen Gefängnis ver⸗ Zeugen vernommen. Auch die Unterſuchungskon⸗ nic urteilt. Der Staatsanwalt hatte unter Zubilligung miſſion fährt täglich in die Grube ein, doch ſind die ten mildernder Umſtände zwei Monate, drei Wochen Ermittlungen über die Urſache des Unglücks not Höh Gefängnis beantragt. nicht zum Abſchluß gelangt. dur Blu rs ä N da N 5 deſtens ein berechtigter Verdacht beſtehe, daß eli bab Kunſt und Wiſſenſchaft kleinſte Jod⸗Doſen ernſte Schädigungen, mitunek s eine ſchwere Baſedow⸗Krankheit auslöſen können ſchit Ein Goten⸗Saal im Berliner Völkerkunde⸗ Prof. Wagner ⸗Jauregg dagegen vertrat dit Ra Muſenm. In der Schauſammlung des Staatlichen] Anſicht, daß der enorme Rückgang der Kröpfe de der Muſeums für Vor⸗ und Frühgeſchichte wurde Jodprophylaxe zuzuſchreiben ſei. Er ſteht alſo a de in den letzten Tagen ein neuer Saal mit völkerwan⸗ dem Standpunkt, daß die Erkrankungen an 5 wer derungszeitlichen, hauptſächlich gotiſchen Schmuck⸗ dow und anderen Jodſchäden nur durch große Jod auf ſachen und Waffen der Oeffentlichkeit zugänglich ge. mengen, in keinem Fall aber mit Sicherheit zurh enn macht. Der größte Teil der neu ausgeſtellten Ge⸗ jodiertes Salz herbeigeführt werden. 10 wer genſtände iſt ſüdruſſiſcher Herkunft und entſtammt Die erſten Anzeichen einer neuen Eiszeit ger einer Privatſammlung, die vor dem Kriege durch den Die wiſſenſchaftlichen Unterſuchungen, namenllih i damaligen Verwalter der kaiſerlichen Weinberge in auf botaniſchem Gebiete, gehen neuerdings Jahn dei der Krim, Herrn de Maſſoneau, zuſammengebracht die Möglichkeiten einer Wiederkehr der Eiszeit ff wu und im Jahre 1909 nach Berlin verkauft wurde. Ab⸗ zuſtellen. Eine Theorie, die die Vorboten der nem 2 geſehen von zahlreichen hervorragenden Einzelarbei⸗ Eiszeit bereits im Einzelnen aufweiſen will, u em ten(goldenen Diadem, Beſchlägen, Schwertſcheiden, insbeſondere von dem bekannten Geologen, 1 0 1 Ohrgehängen uſw.) liegt die Bedeutung dieſer Samm⸗ Walter Gothan, vertreten. Gothan ſtützt 0 bis lung vor allem in ihrer Reichhaltigkeit und Geſchloſ⸗hierbet auf die Beobachtungen der Pflanzenwelt un bis ſenheit, welche eine nahezu lückenloſe Ueberſicht über[auf das Studium foſſiler Pflanzenreſte. Die Ela* 0 das Kunſtgewerbe der Krim⸗Goten ermöglicht. Die wurde bekanntlich von Perioden eines mildere 80 Sammlung Maſſoneau wird durch zahlreiche Funde Klimas unterbrochen. Dieſes tritt insbeſondere auß Gun aus Italien und Südfrankreich ergänzt, die das beim Studium der Ablagerungen von Pflanzel: Sup Kunſtſchaffen der Oſt⸗ und Weſtgoten veranſchau⸗ reſten in den Erdſchichten zutage. Es konnte noh 15 lichen. In ſeiner Geſamtheit gewährt der neu er⸗ gewieſen werden, daß in den Zeiten, in welchen el Stil öffnete Saal einen Ueberblick über die Kunſt und milderes Klima herrſchte und die Eisgrenze naß 1005 Kultur der Goten, wie ihn in ähnlicher Reichhaltig⸗ Norden zurückwich, die Vegetation dem zurück 11 keit und Vollſtändigkeit kaum ein anderes Muſeum weichenden Eiſe folgte. Als erſte fanden Sträucher ung 10 Europas bieten dürfte. verkrüppelte Bäume, wie ſolche auch jetzt in 1 a RNeuerſcheinungen auf dem Büchermarkt. Franz 0 ee 0 Sen 80 Schauwecker hat ſoeben ein neues Werk beendet, i 5 55 88 5 57 ten auc eic das in einem romanartigen Weſensbild einen wälder e eee 1 eie 119010 N lebe, Kal Querſchnitt durch die Gegenwart legt und an einem Buchenwälder gedeihen, deren Auf keien, 80 g 8 3.. mal in die Mitte der Interglazialperiode fällt,& jungen Deutſchen die wirkende Kraft der formenden d bieder Forth! and zerſtbrenden Mächte der Zeit offenbart Es wird macte und die Ende ade ee kein Privatſchickſal fabuliert, ſondern das Wachstum machte und die Eisgrenze nach Süden vorrüit 0 FVV an 557 ſtarben zunächſt die Buchenwälder aus, alt. der e ſich 1 Menſchen dieſer Na⸗ dann wichen auch die Fichten⸗ und Birkenwälder den e„ nach Süden und mußten der Tundra und schließt ver R Schickele komm im Jahres der„dem Eiſe Pſatz machen. Nach der in„Wiſſen u un! Rene Schickele kommt im April des Jahres der Fortſchritt“ vertretenen Anſicht des Prof Ga dritte Band der Sammlung„Das Erbe am Rhein“] Fortſchritt“ vertretenen ee Jaht. unter dem Titel„Der Wolf in der Hürde“ im Ver⸗ waren die Buchenwälder in Europa vor sind v 00 lage von S. Fiſcher(Berlin) heraus. hunderten bedeutend ausgedehnter und ſind daz 0 5 13 Nadelhölzern und Birken verdrängt worden. Dies f 0 OIſt Jod giftig? In der Geſellſchaft der kann als ein Anzeichen dafür angeſehen werden, 05 g Mi Aerzte in Wien hat dieſer Tage eine große De⸗ nach einigen zwanzig⸗ bis dreißigtauſend Jahren. Zt. batte über die Schädlichkeit von Jod ſtattgefunden. Eiszeit nach Europa wieder zurückkehren wird. ſch Eine Anzahl Gelehrter wies darauf hin, daß min⸗ ——
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142 (26.2.1931) 96. Abendblatt
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