1 dbeim, 16, Dezember. — Wenersl ineiger —̃ D— pie Betheiligung an den Vereinstouren zugenommen. Das„Friſch 5“ des Redners galt dem ferneren Wachſen, Blühen und Gedeihen auf 188 des Odenwald⸗Clubs.— Nun folgten Lieder⸗ und Geſangsvorträge in bunter Reihenfolge. Herr Henne ſang zwei Lieder für Bariton und erntete reichen Beifall.— Einen ganz hervorragenden Genuß bot der treffliche Sänger komiſcher Lieder, Herr Carl Schulze aus Ludtpigshafen, der auch diesmal wieder das Stiftungsfeſt durch ſeine vorzüglichen Vorträge verſchönte. Frenetiſcher Beifall lohnte die Leiſtungen des Sängers und immer mußte ſich Herr Schulze aus dem unerſchöpflichen Schatz ſeiner humoriſtiſchen Darbietungen zu Zugaben bequemen.— Nachdem Herr Emil Leeger noch zwei Lieder für Tenor geſungen, wurde der Dekorirungsakt vorgenommen, der durch Herrn Redakteur Teickner mit einer kurzen Anſprache einge⸗ leitet wurde. Redner gedachte zunächſt des Hinſcheidens eines alten treuen Elubgenoſſen, Herrn Roos, deſſen Andenken ſeitens der An⸗ weſenden durch Erheben von den Sitzen geehrt wurde und führte dann nach einem Rückblick auf die touriſtiſche Thätigkeit im abgelaufenen Jahre aus, daß der Club einen Mitgliederzuwachs von 200 Per⸗ ſonen zu verzeichnen habe. Entſprechend dieſer bedeutenden Zu⸗ nahme ſei auch die Auszeichnung von Mitgliedern, welche alle Touren des Vereins mitgemacht, eine weſentlich höhere, indem das goldene Ehrenzeichen diesmal an 22 Mitglieder verliehen werden könne und außerdem noch an zwei Damen, welchen dasſelbe ebenfalls überreicht worden ſei. Die Auszeichnung erhielten: Zum 6. Mal: Haffner, Friedrich, Koch, Philipp, Bilfinger, Otto.— Zum 5. Mal: Kiemlen, Auguſt.— Zum 4. Mal: Voigt, Hermann.— Zum 3. Mal: Mörder, Emil.— Zum 2. Mal: Beckenbach, Eugen, Bartſch, Theodor, Burger, Carl, Groß, Alfred.— Zum 1. Mal: Eberhardt,., Junghans, Oskar, Kraus, FJakob, Kat, Friedrich, Link, Chriſtian, Model, Max, Metzger, Siegfried, Sauer, Franz, Saur, Robert, Linck, Otto, Meher, Albert, Platz, Adrian.— Die Damen Kaufmann, Franziska, Kaufmann, Helene. Herr Kammerer dankte den Führern für ihre Mühewaltung, während Herr Teickner die Gäſte, nament⸗ lich den anweſenden Herrn Bürgermeiſter Schmitt von Haßmers⸗ heim, Vorſitzender der dortigen Sektion, begrüßte.— Dieſer dankte in herzlichen Worten und ſchloß mit einem Hoch auf den Odenwald⸗ Elub Mannheim⸗Ludwigshafen.— Herr Hetſchel begrüßte die Clubgenoſſen Namens der Radfahrer⸗Union und toaſtete auf das Wachſen, Blühen und Gedeihen des Odenwaldelubs.— Den ferneren Verlauf des Abends bildeten gemeinſam geſungene Lieder, Vorträge eines Halbchors des Mannheimer Singvereins, unter Leitung des Herrn Starke, Sololieder des Herrn Friedr. Grohe, humo⸗ eiſtiſche Vorträge des Herrn Schulze und Muſikſtücke der Kapelle Petermann.— Das ſchön arrangirte und gut verlaufene Feſt fand ſeinen Abſchluß nach Mitternacht. Dem Odenwald⸗Club rufen wir aber für ſeine neue Saiſon ein herzliches„Friſch auf“ zu. „ Theaterabend im Kaufmänniſchen Verein. Einen ſehr intereſſanten und genußreichen Abend bot am Samſtag der Kauf⸗ männiſche Verein ſeinen Mitgliedern und deſſen Angehörigen im Apollotheaterſaal. Der Zudrang war ein gewaltiger, ein geradezu beängſtigender. Schon eine Stunde vor Beginn der Unterhaltung war kein Sitzplätzchen mehr zu erhalten, trotzdem ſtrömten immer neue Maſſen in den Saal. Viele kehrten wieder um, Andere ſtan⸗ den in den Gängen u. ſ. w. herum. Eine Beſchränkung in der Kartenausgabe würde ſehr angemeſſen geweſen ſein. Hoffentlich kann der Kaufmänniſche Verein im nächſten Jahre ſeine Dezember⸗ Unterhaltung in der Feſthalle abhalten. Die Regie des ganzen Abends lag in den Händen des Herrn Hofſchauſpielers He ch t, der wieder ſeine glückliche Hand in der Zuſammenſetzung des Pro⸗ gramms für einen derartigen Unterhaltungsabend bewies. Ein Schlager folgte dem andern, ſodaß ſich das Publikum auf das Köſt⸗ lichſte amüſirte. Nach einigen von der Grenadierkapelle unter der be⸗ währten Leitung des Herrn Muſikdirektors Vollmer flott ge⸗ ſpielten Orcheſterpiescen ſang Herr Hofopernſänger Fenten zwei ſchöne Lieder, eine äußerſt glückliche Eröffnungsnummer, der ſich die luſtigen Couplets des Herrn Hofſchauſpielers Kallenberger würdig anſchloſſen. Viel Humor brachte die Aufführung der ein⸗ aktigen Offenbach'ſchen Operette„Hanni weint und Hanſi lacht“ durch Frl. Ziegler vom Mainzer Stadttheater, ſowie die Herren Maikl, Löſch und Kallenberger vom hieſigen Hoftheater. Frl. Ziegler erfreute durch ein munteres Spiel und durch eine friſche, angenehme Stimme; ſie bildete ein würdiges Glied des vortreff⸗ lichen Enſembles. Nach zwei allerdings ziemlich nichtsſagenden Couplets des Herrn Hecht kam das Luſtſpiel„5202 M. 25 Pfg.“ durch die Herren Hecht, Löſch und Kökert, ſowie die Damen Frau Debank, Frl. Wittels und Frl. Breiſch zur Dar⸗ ſtellung. Nur das glänzende Spiel verhalf der ſonſt inha tloſen und flachen Poſſe zu einem großen Erfolg. Von Laien aufgeführt, würde ſte gähnend langweilig geweſen ſein. Die Glanznummer des Abends bildete das„Noch buntere Theater“, das dem Publikum eine Fülle des köſtlichſten Humors brachte. Die Herren Kökert(Wolzogen) u. Godeck als Kapellmeiſter Oscar Strauß imitirten die beiden her⸗ vorragendſten Geſtalten des Ueberbrettl⸗Enſembles, wie es ſeinerzeit im hieſigen Saalbau auftrat, in meiſterhafter Weiſe. Schon als die beiden talentvollen Künſtler die Bühne betraten, ſchallte ihnen ein raſender Beifallsſturm entgegen. Allerdings konnte die unwider⸗ ſtehliche Komik der beiden Geſtalten nur von Denjenigen in ganzem Umfange verſtanden und gewürdigt werden, welche die damaligen Vorſtellungen des Wolzogen'ſchen Ueberbrettls beſucht hatten. Zu⸗ nächſt wurden einige von Herrn Hofmuſikus Friedrich Gellert kom⸗ ponirte Brettl⸗Lieder von Frl. Ziegler, Herrn Maikl, Frl. Fladnitzer und Herrn Rüdinger, ſowie ein Tanzliedchen, gleichfalls von Herrn Gellert verfaßt, von Frl. Fladnitzer und Herrn Rüdiger geſungen. Die Gellert'ſchen Lieder ſind theilweiſe recht nette Sachen, die mit lebhaftem Beifall aufgenommen wurden. Sehr gelungen und äußerſt humorvoll war ferner das Auftreten von Frl. Robertine als„Saharet“. Einen geradezu frenetiſchen Heiterkeitsſturm erregte das Ueberbrettl⸗Lied„Der luſtige Ehe⸗ mann“, geſungen durch Frl. Wittels(als Mann) und Herrn Hecht(als Frau). Die im Programm vorgeſehene Nummer„Die Muſik kommt“ ftel, wie Herr Wolzogen⸗Kökert mittheilte, infolge des ſchlechten Wetters aus. Den Schluß des Programms(oete die Aufführung einer von Herrn Jacob Strauß in Mannheim ver⸗ faßten einaktigen Lokalpoſſe:„Ueber unſere Bretter“ oder„Die Ab⸗ reiſe“. Der mit prächtigem Humor ausgeſtattete Lokalſchers ſpielt ſich in einem Zimmer des„Pfälger Hofs“ ab. Wolzogen und Kapellmſtr. Strauß wollen abreiſen; da kommt im letzten Augenblicke die Schauſpielerin Tilly(Frl. Wittels), welche ein Engagement am Ueberbrettl ſucht. Wolzogen kann aber die„Baſſermannſche Geſtalt“ nicht gebrauchen, ſo daß dieſe unverrichteter Sache abzieht. Bald darauf erſcheint das Zimmermädchen Babette(Frau Delank), die aus einer künſtleriſchen Familie ſtammt. Es entſpinnt ſich nun eine drollige Szene zwiſchen Wolzogen und dem die Kunſt liebenden Zimmermädchen. Als Wolzogen und Strauß dann die Reiſekoffer ergreifen und das Zimmer verlaſſen, machen ſie über den Mann⸗ heimer Dialekt abfällige Bemerkungen, welche die gute Babette, die eine Vollblut⸗Mannheimerin iſt, furchtbar in Harniſch bringen, ſo⸗ daß ſie, allein auf der Bühne,„loslegt“, ſich in ihrem urwüchſigen Mannh. Dialekt faſt 5 Minuten in einen heftigen Zorn hineinredet und ſich ſchließlich dadurch rächt, daß ſie das urſprünglich abgelehnte, auf dem Tiſche liegende Trinkgeld an ſich nimmt. Die Poſſe wurde mit ſtarkem Beifall aufgenommen. Erſt gegen 1 Uhr fand die Unterhaltung ihren Abſchluß, worauf der Tanz begann. * Fahndung. Der hieſige Amtsanwalt II, Herr Dr. Kam pp, erläßt folgende Fahndung: Am 8. Dezember d. Is. kurz nach 5 Uhr Nachmittags wurde bei der Vorbeifahrt des Schnellzuges 41 Mannheim—Karlsruhe an der Halteſtelle Altripp auf der rechten Seite an dem Speiſewagen und den beiden nachfolgenden Perſonenwagen je eine Fenſterſcheibe durch Steine eingeworfen und wurden hierdurch die im Zuge befindlichen Per⸗ ſonen erheblich gefährdet. Der Thäter iſt bis jetzt nicht ermittelt. Ich erſuche hiermit Jedermann um Mittheilung von Anhalts⸗ punkten, welche zur Feſtſtellung des Thäters führen können. Auf die Ermittlung des Thäters wird eine Belohnung von 100 Mark ausgeſetzt. * Honkurſe in Maunheim. Ueber das Vermögen des Möbel⸗ händlers Wilhelm Schönberger; Konkursverwalter Rechtsanwalt Dr. Seiler; Anmeldetermin 10. Januar.— Bäckermeiſter Joſeph Schwing, 3. Querſtraße; Konkursverwalter Kaufmann Fiſcher in Mannheim; Anmeldetermin 7. Januar. *Gefährlicher Geſelle. Bäckerburſche Georg Pröſchel aus Michelfeld, der ſeinem Dienſtherrn, dem Bäckermeiſter Feuer⸗ ſtein hier nach vorausgegangenem Wortwechſel einen Gewichtsſtein auf den Kopf ſchlug, erbielt vom Schöffengericht 1 Woche Gefängniß. * Muthmaßliches Wetter am 17. und 18. Dez. Der Luft⸗ wirbel von 740 mm, welcher zur Zeit noch über Südweſtfrankreich liegt, wird durch einen neuen Hochdruck aus dem Weſten und Nord⸗ weſten über Süddeutſchland nach Oeſterreich gedrängt. An der Nordküſte Schottlands, ſowie über ganz Skandinavien und endlich auch in Livland liegt je ein Hochdruck von 765 mm, dem ein gleicher Hochdruck auch in Irland raſch folgen wird. Während des Sonntags und Montags dürſte der genaunte Luftwirbel an Süddeutſchland vorüberziehen, worauf nördlich bis nordweſtlſche Winde am Dienſtag und Mittwoch mehfache, größtentheils aus Schnee beſtehende Nieder⸗ ſchäge bringen dürfte. Polizeibericht vom 15. und 16. Dezember⸗ Im Hauſe Lameyſtraße 15 entſtand am 14. d. M. Abends Im Hauf 31j 2 gelöſ Uhr 1 5 cht werden konnte 2. Von noch unbekanntem Thäter wurden dahier in der Zeit vom.—12. d. M. aus einem bei der Auguſtaanlage befindlichen Garten 2 Etuis mit Meſſern und Gabeln, 8 neuſilberne Gabeln, verſchiedene Theelöffel, ein ſog. Theeei und 2 Bücher entwendet. 3. Fünf theils erſchwerte Körperverletzungen— bei der Neckarbrücke, vor dem Neubau Pflügersgrundſtraße, in den Wirthſchaften Langeſtraße 15 und D 6, 12, ſowie im Hauſe Mittelſtraße 88 verübt— gelangten zur Anzeige. 4. Verhaftet wurden: a. 4 Magazinarbeiter wegen Frucht⸗ und Sackdiebſtahls; b. der Schiffheizer Heinrich Kaſtner von Neuburgweieru, der Matroſe Friedrich Wilhelm Rieger von Schwäb. Hall wegen gemeinſchaftlicher Körperverletzung; e. 12 weitere Perſonen wegen verſchiedener ſtrafbarer Handlungen. Aus dem ſerzogthum. + Bruchfal, 15. Dez. Geſtern früh wurde der Buchhalter P. Danzmann todt in einem Steinbruche aufgefunden. Danzmann war früher Buchhalter bei der hieſigen Geſverbebank und ſeit 1887 bei der Maſchinenfabrik von Schnabel und Henning. Von dieſem Geſchäfte iſt er ſeit mehrereu Monaten penſiomirt. Eben waren die Bemühungen der Fabrikdirekt'on ſo weit gelangt, daß D. in die Irrenanſtalt Illenau aufgenommen werden ſollte, als dieſen der Tod exeilte, welcher offenbar durch einen Sturz erfolgte. Bei der Leiche fand man 1600 Mark. zr ein Kellerbrand, welcher von Hausbewohnern wieder auean 5 2885 (Helene) und Frl. Fladnitzer(Liſette) ſowie Herr Rüdiger . „*„ Am Siersd. Pfalz, Beſſen und [J Ludwigshafen, 15. Dez. Am Samſtag fand hier die Inbetriebſetzung des neuen Elektrizitätswerkes in feſtlicher Weiſe ſtatt. Das Werk wurde im Auftrage der Stadtgemeinde von Herrn Oscar von Hiller⸗München erbaut, der auf dasſelbe ſehr ſtolz ſein kann. Das Elektrizitätswerk befindet ſich im Gelände des Luitpoldhafens und macht in ſeinem flotten Stile einen im⸗ ponirenden Eindruck. Es gelangten 3 große Maſchinen von je 450 Pferdekräften zur Aufſtellung. Das ganze Werk funktionirt ausgezeichnet und iſt ſo umfangreich ausgeſtattet, daß es den Bedürfniſſen von Ludwigshafen und ſeinen Vororten nach elek⸗ triſchem Licht und elektriſcher Kraft auf viele Jahrzehnte hin⸗ durch zu genügen vermag. Ludwigshafen kann ſtolz auf das neue Werk, das für Drehſtrom eingerichtet iſt, ſein. Zu der Inbetrieb⸗ ſetzung waren über 150 Herren und Damen erſchienen. Herr v. Hiller übergab das Werk der Stadt, in deren Namen Herr Bürgermeiſter Krafft es übernahm. Unter den Klängen des von der Stadtkapelle geſpielten Chorals„Nun danket alle Gott“ wurde das ſtattliche Werk in Betrieb geſetzt. Die Theilnehmer an der Feſtlichkeit vereinigten ſich dann zu einem kleinen Imbiß. Theater, Aunſt und Wiſſenſchaft. Großh. Badiſches Hof⸗ und National⸗Theater in Maunheim. 5 Zum erſten Male: Die Maienkönigin. Schäferſpiel in einem Aufzuge von Guck. Der Theaterzettel verräth, daß die Muſik von J. N. FJuchs be⸗ arbeitet wurde, daß der Text von Favart und die Ueberſetzung von Max Kalbeck herrührt; um welches Werk es ſich dabei aber handelt, d. h. wie der franzöſiſche Originaltitel lautet, darüber ſchweigt er ſich beharrlich aus. Wir vermuthen, die„Maienkönigin“ iſt identiſch mit den„Amours champetres“, die Gluck mit mehreren andern derartigen Schäferſpielen zwiſchen 1750 und 1700 ſchrieb, kurz ehe er an ſein erſtes weltbedeutendes Werk, an den„Orpheus“ herantrat; doch das iſt Vermuthung, nichts weiter. Was verſchlägt's, die Haupt⸗ ſache bleibt, daß die„Maienkönigin“ ein herziges Dingchen iſt, in dem Gluck einen ganzen Schatz von Frohſinn, Heiterkeit und liebenswür⸗ diger Laune niedergelegt hat. Wer Großes im Kleinen zu finden weiß, der wird hier gewiß auf ſeine Rechnung kommen. Der Text freilich ſagt uns nicht mehr allzu viel. Was ſoll ich den Inhalt er⸗ zählen? Ein jedes dieſer Schäferſpiele gleicht einem jeden anderen; kennſt du eins, kennſt du ſie alle. Dergleichen kommt in die Mode und ſchwindet aus der Mode, man weiß nicht wie. Ungleich höher ſteht der muſikaliſche Werth: Man ſpürt bereits den Schöpfer des „Orpheus“, der„Iphigenie.“ Gluck hat ſich von der Manier der italieniſchen Oper endgiltig befreit und ſich eine ſpec, deutſche Eigen⸗ art geſchaffen. Es liegt in ſeinen Tönen ſchon jene trauliche Ein⸗ fachheit, jene herrlich reife Ruhe und Sicherheit, die wir an ſeinen Meiſterwerken bewundern.„Feſtſtehend wie der Himmel über uns“, ſo nennt Schumann einmal die Gluckſche Kunſt. So etwa iſt der Eindruck, den auch wir Samſtag wieder empfingen. Sollen wir ein Werthurtheil abgeben, ſo verweiſen wir auf Mozarts„Baſtien und Baſtienne“; ſo hoch ihr dies ſchätzt Mozarts großen Opern gegen⸗ über, ſo hoch könnt ihr auch Glucks Werkchen anſetzen. Merkwürdig iſt, wie fein bereits der Orcheſterpart behandelt, wie viel Charak⸗ teriſtik in ihn hineingelegt worden iſt; wir erinnern an das köſtliche Motiv der Celli beim Auftreten des dicken Pächters Richard. Unter den Arien und Duetten iſt es ſchwer Auswahl zu halten; ein jedes bon ihnen wirkt neuartig, entzückend. Philint, der Hirt, der von Frl. Kofler ſehr anmuthig geſpielt wurde, iſt wohl am reichſten bedacht. Leider machte ſich bei Frl. Kofler wiederholt eine kleine Unſicherheit bemerkbar; doch man vergaß ſie über der vollendeten muſikaliſchen Interpretation ihrer Rolle. Die Damen Frau Fiora (Marquis von Monſoupir) boten einwandfreie, prächtige Leiſtungen, während Herr Marx als Pächter Richard oft etwas zu derb, zu grotesk wirkte; zu derb in dieſem zarten Rahmen des Schäferſpiels, der im Uebrigen ſorgfältig eingehalten und reſpektirt wurde. Herr Fiedler hatte die Regae, Herr Hofkapellmeiſter Kähler die muſikaliſche Leitung. E. B. ***. „Othello“ von Verdi. Die geſtrige Wiederholung von Verdis Othello darf inſofern eine kurze Beſprechung beanſpruchen, als an Stelle des beurlaub⸗ ten Herrn Wünſchmann, Herr Wilhelm Fricke vom Stuttgarter Hoftheater als Gaſt entboten worden war. Bei dieſer Gelegenheit iſt wohl die Frage geſtattet, ob Herr Münſch⸗ mann bereits auswärts auf Engagement ſingt, oder ſeine Ge⸗ ſundheit ſo beſchaffen iſt, daß er eines Urlaubes bedarf und dieſe Frage erſcheint um ſo berechtigter, als an ſeiner Stelle von auswärts wiederholt Baritoniſten gaſtirt haben, welche uns die Abweſenheit des Herrn Wünſchmann bedauern laſſen. Unter allen Umſtänden aber ſollte unſer Opern⸗Repertoir aus eigener Kraft gehalten werden und nicht ſtets des Zuzugs fremder Kräfte von zweifelhaftem Werth bedürfen. Wir gönnen den Gaſt neid⸗ loſen Herzens unſrer Stuttgarter Nachbarbühne. Als die beiden Lichtblicke unſerer geſtrigen Aufführung ſind unſer jugendlicher Baßiſt Herr Fenten und Fräulein Van der Vyver Saeeeeeereeeeee er; glaubt, mag es immerhin damit verſuchen. An Friſche fehlt es dem Autor nicht, aber an manchem Anderen. Von des Gedankens Bläſſe iſt er jedenfalls nicht angekränkelt; das werden ſelbſt ſeine— Freunde zugeben müſſen. Und man mag ſagen was man will, wir Deutſchen fühlen doch viel zu tief, als daß wir uns auf die Dauer mit ſolcher Singſang⸗Lyrik befreunden könnten. Glücklicherweiſe fehlt es dann nicht an Gegen⸗Rezepten. Eduard Fuchs: Die Karikatur der europäiſchen Völker vom Alterthum bis zur Neuzeit(mit ca. 50 0 Illuſtrationen und 60 meiſt farbigen Beilagen. Broſchirt M. 15, gebunden M. 22,5 0.— Verlag A. Hoffmann u. Com bp., Berlin). Wir haben ſchon wiederholt Gelegenheit ge⸗ habt, auf das Werk und ſeine Vorzüge hinzuweiſen. Nun, nach⸗ dem die 20. Lieferung, die die Publikation beſchließt, uns zur Be⸗ ſprechung vorliegt, ſei es noch einmal geſagt: hier haben wir eine Julturgeſchichtliche Arbeit vor uns, die nicht nur Achtung aufzwingen, zie geradezu epochemachend wirken muß. Gerade durch ihre Origi⸗ nalität. Denn Vorarbeiten ſtanden Eduard Fuchs überhaupt kaum zur Verfügung. Er mußte ſich lebſt die Bauſteine herbeiſchleppen, einen nach dem andern. Und Handlanger und Baumeiſter in einer Perſon zu ſein, iſt gewiß nicht leicht. Natürlich gebührt dem Bau⸗ meiſter die erſte Ehre. Klarer, überſichtlicher konnte der Stoff wohl nicht gegliedert, geiſtvoller, intereſſanter nicht gruppirt werden. Ein⸗ zelheiten ließen ſich freilich anfechten; ſo erſcheint der Begriff der Karikatur oft allzu weit gefaßt. Dafür gibt es dann um ſo größere Zuſammenhänge, um ſo weitere Perſpektiven. Was für Schätze wer⸗ den da ausgegraben. Das Schönſte iſt, Jeder bekommt ſeinen Theil davon, der Hiſtoriker wie der Sozialpolitiker, der Kulturhiſtoriker, der Philoſoph, oder der Künſtler. Letzterer trägt ſogar den Löwen⸗ antheil davon. Denn in dieſen Karikaturen, die uns das Buch in, durchweg trefflich gelungener Wiedergabe zeigt, ſteckt eine ganz emi⸗ nente künſtleriſche, maleriſche Kraft. Eine Kunſtgeſchichte wird das jetzt nicht mehr überſehen dürfen. Es gibt auch Leute, die von einem Buch nicht lernen, die nur unterhalten ſein wollen. Auch ſie werden auf ihre Rechnung kommen, wiewohl ſie beſſer thäten, das Werk bei Seite zu laſſen; ſie könnten in ſeinen Pikanterieen, an denen es, wie es im Weſen des behandelten Gegnſtandes begründet iſt, nicht fehlt, leicht einen Selbſtzweck vermuthen, und vor dieſem Miß⸗ verſtändniß möchten wir Eduard Fuchs behütet wiſſen. Er hat beſſeren Dank verdient. Willy Paſtor: Im Geiſte Fechners. Fünf naturwiſſen⸗ ſchaftliche Gſſays.(Verlag Georg Heinr. Meyer, Berlin.) Hand aufs Herz, wir wiſſen noch ſo herzlich wenig von dem Philoſophen Guſtav Theodor Fechner. Viellicht wiſſen wir, daß er einen„Zend Aveſta“ geſchrieben, vielleicht auch nicht. Vielleicht kennen wir ſeine Lehre, daß die verſchiedenen„Arten“ nichts Anderes als die einander ergänzenden Organe eines Orga⸗ nismus ſeien und daß man dieſen Organismus in unſern Planeten, in der Erde ſuchen müſſe; vielleicht kennen wir ſie auch nicht. Heut⸗ zutage, da wir uns an die Wahrheiten der Biologie gewöhnt haben, da uns Begriffe wie Volksſeele, Stadiſeele u. ſ. w. nicht mehr fremdartig anmuthen, erſcheinen uns die Annahmen Fechners keines⸗ wegs ſo grotesk wie ſeiner Zeit den erſten Leſern des Zend⸗Aveſta. Vielleicht erreicht ſo Paſtor, der Apoſtel, mehr als einſt Fechner, ſein Meiſter. Fechners Lehre iſt für Paſtor das„übergeordnete Geſez, das dem Darvinismus an gewiſſen Stellen erſt Ziel und Richtung gibt.“ Nach dieſem Geſetz hat Darwin und hat auch Häckel vergeblich geſucht. Beide griffen ſie nach der Malthusſchen Theorie, die im „Kampf ums Daſein“ den treibenden Faktor in allem Werden und Vergehen erblickt.„Die„Entſtehung der Arten“ wollte Darwin uns ſchildern im Sinne einer allmählichen Herausbildung einer Art aus der andern. Sein Werk hätte ein neues Evangelium der Erkenntniß werden können, hätte es nichts Anderes gegeben als das. Aber das Darwinſche Werk trägt noch einen Untertitel, und der Untertitel lautet:„Die Erhaltung der bevorzugten Raſſen im Kampfe ums Daſein.“ Damit iſt das Buch zu einer Vorarbeit nur beiläufigen Werthes geworden, es wird noch einmal geſchrieben werden müſſen. So urtheilt Paſtor Fechner gegen Malthus in Darwins und Häckels Lehre, das iſt der Inhalt ſeiner Eſſahs. Der Kampf iſt hochintereſſant. Paſtor iſt kein übler Kämpe. Eine feindliche Schanze nach der andern fällt in ſeine Hand. Sehr feinfinnig iſt es, wie er die Er⸗ ſcheinungen der ſogenannten Schutzanpaſfung, als einerd er„ſchla⸗ cra—— eeer eree weee gendſten“ Beweiſe der Darwin⸗Malthusſchen Hypotheſe bekannt, als Werke organiſcher Anpaſſung erklärt, und noch mehr, wie er die pſychologiſchen Mängel eben jener Hypotheſe aufdeckt und blosſtellt. Eines iſt klar, Paſtor iſt ein feiner, ſehr feiner Kopf, der nebenbei weit entfernt iſt ſich in geiſtreichen Wortplänkeleien zu vergnügen, der bielmehr, wenn und wo er kämpft, ſtets die Ueberzeugung hat, für die höchſten Güter, die er ſein eigen nennt, eintreten zu müſſen. Es iſt endlich wieder einmal ein Mann der großen Linien, ein Mann, der Glauben und Leben in Einklang mit einander zu bringen verſucht. Noch ein Anderes, Paſtor iſt nicht nur Denker, er iſt auch Dichter; cfk. das„Lied der kreiſenden Waſſer“. Alſo ein ſeltener Mann, ein ſeltenes Buch? Ich glaube wohl—— Grete Meiſel⸗Heß: In der mordernen Weltanſchauung(Verl. Hermann Seemann, Leipzgig). Das Buch bietet in ſeinem erſten Theil ein für Laien brauchbares Compendium der Darwin⸗ ſchen Lehre, ſchwenkt dann aber von dem eingeſchlagenen Wege ab und wendet ſich ethiſchen und ſozialen Fragen zu. Die Brücken die da geſchlagen werden von Ufer zu Ufer, ſind freilich etwas kläglicher Natur, Die eine:„Geiſt und Materie erzeugen und bedingen ein⸗ ander, ebenſo wie der Selbſterhaltungstrieb die Menſchen erhält,— der Egpismus zum Altruismus wird.“ Und die andere:„Egoismus und Altruismus haben ihre Analogieen in Individualismus und Sozialismus“. Noch einmal, dieſe Brücken tragen nicht. Doch an den Ufern wächſt manche ſchöne Pflanze. Vorſicht, wenn ihr ſie pflücken wollt! Grüne Blätter für Kunſt und Volksthum(Verlag Georg Heinrich Meher, Berlin). Kleine Heftchen, für wenige Pfennige zu erſchwingen und wohl von Autor und Verleger von vorn⸗ herein zur Wirkung in den breiteren Volksſchichten auserſehen. Meiſt knappe Aufſätze, die gegen etwas Kleines in Kunſt und Leben an⸗ kämpfen oder auf etwas Großes, Bedeutendes hinweiſen wollen. Glück auf den Weg! Franz Walter: Sozialismus und moderne Kunſt(Herderſche Verlagshandlung, Freiburg i. Br.). Walters Buch ſoll beweiſen, daß die Parteinahme des Sozialismus für die moderne Kunſt, die ſeit dem Gothaer Parteitag 1896 immer klarer
Ausgabe
(16.12.1901) 584. Mittagblatt
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