Montag, den 21. Mat 1928 Reue Mannbeizier Zeitung(Morgen⸗Aus gabe) 5„ Sette. Nr. 284 J Der Kolmarer Autonomiſtenprozeß Die Entlaſtungszeugen Zum Kolmarer Prozeß wurde am Samstag vormittag der erſte Zeuge der Verteidigung Senator Prof. Eugen Müller⸗ Straßburg vernommen. Im Gegenſatz zu den fünf Be⸗ laſtungszeugen des Generalſtaatsanwalts gibt das Auftreten bes Senators Müller dem ganzen Prozeß eine Wen dung zum Erfreulichen. Es iſt dies eine Perſönlichkeit, gegen bie die Polizeikommiſſare und ſelbſt ein Schuldirektor Bour⸗ goin, ganz abgeſehen von einem Lockſpitzel Riehl nicht auf⸗ kommen können. Senator Müller, im geiſtlichen Ornat er⸗ ſchtenen, iſt 67 Jahre alt. Er wird von der Verteidigung gleich gefragt:„Was halten Sie von der autonomiſtiſchen Bewegung?“ Der Zeuge antwortet u..:„Die Anklage ſieht Hie Begründung des Komplotts anſcheinend ausſchließlich in der Tatſache, daß ein Autonomismus beſteht. Ich habe von einem Komplott keine Spur entdeckt.“ Der Zeuge greift in die Geſchichte zurück und ſchildert die erſten Beſchlüſſe des * elſzſſiſchen Nationalrates nach dem Waffenſtillſtand und geht dann auf die Geſchehniſſe der letzten Zeit ein. Er zitiert Sätze der maßgebenden franzöſiſchen Miniſter und kommt zu dem Schluß:„Sie ſehen, meine Herren Geſchworenen, daß die provinzialiſtiſche, die regionaliſtiſche Bewegung eine durch⸗ aus franzöſiſche Bewegung war.“ Senator Müller ſchilderte dann in klarer Weiſe die verſchiedenen Aeußerungen der Autonomiebeſtrebungen. Zur Sprachenfrage erklärte er, daß man es den Elſäſſern nicht als Verbrechen anrechnen dürfe, wenn ſie die Verbindung mit der deutſchen Kultur aufrecht erhalten. Der Begriff Mutterſprache ſei ein heiliger Begriff, und nichts habe das elſäſſiſche Volk ſo im Tiefſten „verwundet als die höhniſche Ironie, mit der man im Innern Frankreichs dieſen Begriff Mutterſprache zu beſudeln trachtete. Der Zeuge ſchließt:„Ich ſehe nichts Verbrecheriſches in der Tatſache, daß elſäſſiſche Männer dieſe Autonomie gefördert . und dieſe Forderungen gehören auch niemals vor die ſchworenen.“ Von der Verteidigung wurden aun den Zeugen eine Reihe von Fragen gerichtet, was er von den einzelnen Angeklagten Halte. Der Zeuge erklärt, daß er Ricklin für einen ehren haften Mann halte, wenn er auch mit ſeiner Taktik nicht immer einverſtanden geweſen ſei. Das Verhör des Zeugen iſt damit beendet. Der gute Eindruck auf das Publikum und die Preſſe und nicht zum mindeſten auf die Geſchworenen iſt unverkennbar. In der Nachmittagsſitzung wurde zunächſt als Zeuge der Verteidigung der Deputierte Brogly vernommen, der während des Krieges von den deutſchen Ge⸗ richten zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt und nach dem Kriege von Frankreich mit der Ehrenlegion ausgezeichnet worden war. Der Zeuge erklärte, daß weder in der Grün⸗ dungsſitzung des Heimatbundes, noch in einer Vorbeſprechung die Frage der Zugehörigkeit Elſaß⸗Lothringens zu Frankreich angezweifelt worden ſei. An Separatismus habe niemand gedacht. Von einer Verſchwörung habe er erſt gehört, nach⸗ dem er ſelbſt mit einer Hausſuchung bedacht worden ſei. Als Präſident der Elſäſſiſchen Volkspartei müſſe er betonen, daß auch er ein Autonomiſt ſei und dieſen Vorwurf im Wahl⸗ kampf ruhig aufgenommen habe. Ueber Dr. Ricklin ſagte der Zeuge aus, daß dieſer ſich als Präſident des Elſäſſiſchen Landtages für ihn wie für andere bei der deutſchen Regie⸗ rung mit ganzer Kraft eingeſetzt habe. Unter allgemeiner Spannung betrat dann der bekaunte Abbé Haegy als Zeuge den Saal. Auch er betonte, daß er von einer Ver⸗ ſchwörung erſt gehört hatte, als zu Weihnachten 1927 die Ver⸗ haftungen und Hausſuchungn begannen. Mit der Autonomi⸗ ſtiſchen Partei habe er nichts zu tun. Wie viele feiner Veſſerung im Befinden Streſemanns Die Dr. Streſemann behandelnden Aerzte haben auch geſtern von der Ausgabe eines Krankheitsberichtes abgeſehen, da die Beſſerung weitere Fortſchritte macht. Die Krankheits⸗ erſcheinungen des Magens und Darms ſind völlig verſchwun⸗ den und auch die Nierenentzündung iſt im Heilungsprozeß begriffen. Anläßlich der Grundſteinlegung für den Erweiterungs⸗ bau der Reichskanzlei und der Feier des 50jährigen Be⸗ ſtehens der Reichskanzlei hat Dr. Streſemann an den Reichs⸗ kanzler ein herzliches Glückwunſchtelegramm gerichtet. Deulſche Schüler in London Der Beſuch der Schüler des Kaiſer Friedrich ⸗Gym⸗ naſiums in Berlin in London gibt der„Daily Mail“, die früher an der Hetze gegen Deutſchland hervorragend betei⸗ ligt war, Gelegenheit zu einigen intereſſanten Bemerkungen über Deutſchland. Die Zeitung weiſt beſonders darauf hin, daß den Schülern der Anblick militäriſcher Para⸗ den und deren Einzelheiten völlig neu waren. Das Blatt kann nicht umhin, zuzugeben, daß ſich die Anſichten der deutſchen Jugend völlig verändert haben. Hier ſehe man eine Umwälzung in der Gedankenrichtung eines Volkes, wie es die Welt in dieſem Ausmaße nicht geſehen. Anantaſtbarkeit der Friedensdiktate? V. Paris. 18. Mai. Die kürzliche Erklärung des tſchechoſlowakiſchen Geſandten in Paris, Oſuſki, über die Unverletzlichkeit der Friedensver⸗ träge und die Aufrechterhaltung des jetzigen Gebietszuſtandes in Europa, fidnet in Paris allgemeine Unterſtützung. Ein einziges Blatt, das linksſtehende„Oeuvre“, äußert heute eine gegenteilige Anſicht. Das„Oeuvre“ ſchreibt:„Wenn auch die Kampagne Lord Rothermers für die Abänderung des Vertrages von Trianon kühn oder verdächtig erſcheint, ſo iſt das kein Grund, zu erklären, die Verträge ſeien für immer uUunantaſtbar. Einige von ihnen müßten bereits jetzt abge⸗ ändert werden und ähnliche Korrekturen ſeien notwendig, um den europäiſchen Frieden aufrecht zu erhalten. Warum weigert man ſich denn, einen Fehler zu verbeſſern, der nur eine Kataſtrophe herbeiführen kann. Als„ſouveräner Staat“, erklärt Herr Oſuſki, hat die Tſchechoſlowakei allein über die Grenzfrage zu entſcheiden. Mit Verlaub, ebenſo wie es zwei braucht zum Heiraten oder zum Kriegführen, kann man nicht allein die Grenzen feſtſetzen, die eine inter⸗ nationale Regelung erfordern. Es handelt ſich darum, die verſchiedenen und ſich zuwiderlaufenden Intereſſen möglichſt in Enklang zu bringen. Gerade dazu hat man ja den Völker⸗ bund geſchaffen.“ London. 19. Mai. Wie aus Moskau gemeldet wird, iſt der König von Afghaniſtan, Aman Konftantinovel abgereiſt. Philippinen errichtet werden. Ullah, von Sebaſtypol nach Freunde ſei er ſchon zu deutſchen Zeiten überzeugter Regio⸗ naliſt geweſen. Heute ſei er ſelbſtverſtändlich ein ebenſo über⸗ zeugter Autonomiſt. Zur autonomiſtiſchen Bewegung müſſe er bemerken, daß der deutſche Föderalismus den Auto⸗ nomiſten mehr Möglichkeiten gegeben hätte, als der franzö⸗ ſiſche Zentralismus. Wenn man von einem„malaiſe“ im Elſaß ſpreche ſo müſſe man dieſes auf verſchiedene„unglaub⸗ liche Ungeſchicklichkeiten“ ſeitens der Pariſer Regierung zu⸗ rückführen. Dieſe ſeien bei den brennendſten Fragen auf religiöſem Gebiet, den Schulfragen und Beamtenfragen be⸗ gangen worden. Im Elſaß herrſche überall der Eindruck, daß man in Frankreich die elſäſſiſchen Fragen mit großer Unkenntnis behandele. Dies treffe beſonders auf die von Frankreich nach dem Elſaß entſandten Beamten zu. Abbé Haegy beſtätigt auf eine Frage der Verteidigung, daß die Maßnahmen gegen die angeklagten Autonomiſtenführer erſt dann eingeſetzt hätten, als aus der Heimatbewegung eine politiſche Partei zur Entſtehung kom⸗ men wollte. Der Vorſitzende verlas Briefe des Straßburger Erz⸗ biſchofs an den Abbé, aus denen hervorgehen ſollte, daß ſich der Kirchenfürſt gegen eine antifranzöſiſche Haltung des Abbe ſeinerzeit gewandt habe. Haegy ſtellte demgegenüber ſeſt, daß wohl zeitweilig Mißverſtändniſſe zwiſchen dem Erzbiſchof und ihm beſtanden hätten, die aber bald wieder beigelegt worden ſeien. Wenn Briefe gegen ihn verleſen werden, ſo ſollten ſie in vollem Zuſammenhang mit anderen Briefen vorgebracht werden. Zur Wahl Ricklins und Roſſés bemerkte der Zeuge Haegy, daß dieſe nach Anſicht weiter elſäſſiſcher Kreiſe nur durch die Verfolgung der beiden Deputierten zu erklären ſei. Ueber den Spitzel Riehl ſagte auch Abbé Haegy Ungünſtiges aus. Ueber, Roſſé befragt, erklärt er, daß er dieſen für zu vernünftig halte, um zu glauben, daß Elſaß⸗ 1 noch einmal von Frankreich getrennt werden une. Rechtsanwalt Par lafiere fragte den Zeugen, ob er von einer hochſtehenden Paxiſer Perſönlichkeit zu Beſprechung ſei. Haegy antwortete, dieſe Einladungi hätte den Zweck ge⸗ habt, ihn zu bewegen, Roſſé zur Aufgabe ſeiner Kandidatur umzuſtimmen. Das habe er ſelbſtverſtändilch aßgelehnt. Von Seiten der Verteidigung wurde der Abbé dann ge⸗ fragt, was denn eigentlich in Paris über die angebliche elſäſ⸗ ſiſche Verſchwörung bekannt geworden wäre. Haegy erwiderte, daß ein bekanter Politiker verbreitet hätte, im Elſaß gingen unglaubliche Dinge vor. Es ſeien bei Hausſuchungen Schrift⸗ wechſel zwiſchen Dr. Ernſt und Roſſé aufgefunden worden. Man habe eine Verbindung zwiſchen den Verſchwörern und deutſchen Stellen aufgedeckt. Die Ausſagen Haegys, die von Angeklagten und Vertei⸗ digern mit lautem Proteſt aufgenommen worden waren, veranlaßten den Staatsanwalt zu der Frage, welche aktive Rolle Haegy ſelbſt in dieſem Prozeß ſpiele, denn ſeine Zeitung hätte erſt kürzlich wieder über den Prozeß ſelbſt tendenziös berichtet. Auf die Anſchuldigung, er habe bei der Neuaufſtellung der gekürzten Zeugenliſte der Verteidigung mitgewirkt und ſeine eigene Korreſpondenz rechtzeitig nach der Schweiz geſchafft, erwiderte Haegy, daß er mit der Zeugenliſte nichts zu tun habe, und daß ſich ſeine Korreſpon⸗ denz leider in Kolmar ſelbſt befinde. Die eigenartigen Fra⸗ gen des Statsanwaltes veranlaſſen die Verteidigung wieder zu einem ſcharfen Proteſt. Heute(Samstag) werden die letzten Zeugen der Vertei⸗ digung vernommen werden. Die Plädoyer ſind für Montag zu erwarten. Am die Auslieferung Bela Khuns Die Telegraphen⸗Agentur der Sowjetunion meldet: Der Verband der Wiſſenſchaftler und Techniker der Sowjet⸗ Union richtete an Bundeskanzler Dr. Seipel ein Telegramm, worin das Erſuchen ausgeſprochen wird, die Auslieferung Bela Khuns nicht zuzulaſſen. Das Telegramm weiſt darauf hin, daß die öffentliche Meinung der Welt ſich mit einer offen⸗ ſichtlichen Verletzung des Aſylrechtes niemals abfinden würde. Der Moskauer Donezprozeß Wie aus Moskau gemeldet wird, hat in der zweiten Sitzung des Donez⸗Prozeſſes am Samstag der Staatsanwalt mit der Verleſung der Anklageſchrift begonnen, die die ganzen Vormittags⸗ u. teilweiſe die Abendſtunden in Anſpruch nahm. Die Angeklagten ſind ſichtlich mitgenommen. Aus dem geſtri⸗ gen Kampf der Verteidigung gegen die Anklage und dem Er⸗ gebnis dieſes Kampfes geht hervor, daß die Tätigkeit der Verteidigung ſo gut wie lahmgelegt iſt. Die Abrüſtung auf dem Marſch' Das amerikaniſche Repräſentantenhaus bewilligte einen Kredit von 8 Millionen Dollar für den Bau von zwei Flottenmunitionsdepots. Eines dieſer Depots wird auf den Außerdem wurden 2353 000 Dollar für den Unterhalt der amerikaniſchen Expeditions⸗ Bon unteren Portier Srtreten korps in Nicaragua und China bereitgeſtellt. Neue Anruhen in Marokko Nach Meldungen aus Rabat macht ſich beſonders in der Gegend von Kasbah⸗Tadla und Beni Mellal die Tätigkeit der Aufſtändiſchen und gewiſſer räuberiſcher Stämme wieder mehr und mehr bemerkbar. Die Ueberkälle nehmen ſtändig zu und die der franzöſiſchen Herrſchaft unterworfenen Eingeborenen und Anſiedler lebten in ſtändiger Unſicherheit und Beun⸗ ruhigung. Allgemein wundere man ſich, daß die verantwort⸗ lichen Behörden trotz der von ihnen veröffentlichten optimiſti⸗ ſchen Communiques nicht für Abhilfe ſorgten. Raubüberfall auf einen Motorradfahrer — Schoenberg, 20. Mai. Geſtern abend fuhr auf der Landſtraße ein Motorradfahrer gegen ein über die Straße geſpanntes Drahtſeil. Der Motorrad⸗ fahrer kam zum Stürzen und blieb mit ſtark blutenden Kopf⸗ wunden beſinnungslos liegen. Drei unbekannte Männer be⸗ raubten darauf den Hilfloſen ſeiner Barſchaft in Höhe von 140 /, ſtahlen ihm außerdem ſeine Taſchenuhr und feine Ausweispapiere und flüchteten in den nahegelegenen Wald. Der Ueberfallene wurde nach dem Krankenhaus in Schoen⸗ berg gebracht, wo er hoffnungslos darniederliegt. Seine Perſonalten konnten bisher nicht feſtgeſtellt werden. worden. Die Bremenflieger in Voſton — Boſton, 20. Mai. Geſtern vormittag trafen die„Bre⸗ men“⸗Flieger in Boſton ein. Am Nachmittag fand eine Mili⸗ tärparade und die Ueberreichung von Erinnerungsmedaillen durch den Gouverneur Fuller ſtatt. Aus St. George wird ge⸗ meldet, daß die beiden Armeeflugzeuge, die zur Bergung der „Bremen“ ausgeſandt wurden, geſtern mittag wieder geſtartet find, um Greenly Island zu erreichen. Letzte Meldungen Von der Kohlenſäure getötet — Berlin, 20. Mai. In dem Dorfe Drenkow bei Putlitz ereignete ſich— wie die„Voſſiſche Zeitung“ meldet— geſtern vormittag durch die Unvorſichtigkeit des Gaſtwirtes Becker ein eigenartiger Unfall. Der Gaſtwirt hatte die Kohlenſäure⸗ flaſche ohne Manometer direkt mit dem Bierfaß verbunden. Beim Oeffnen der Kohlenſäureflaſche wurde offenbar durch den Ueberdruck der gußeiſerne Verſchluß herausgeriſſen, der dem Gaſtwirt den Kopf zerſchmetterte. Die Anklage gegen den Poſträuber Heim erhoben — Koburg, 20. Mai. Nach Abſchluß der Vorunterſuchung iſt nunmehr gegen Poſträuber Hein die Anklage erhoben Sie lautet auf Mord in drei Fällen und verſuchten Mord in zwei Fällen. in Jena, Plauen und Unterſiemai. Der Verhandlungstermin iſt noch nicht feſtgeſetzt. Zwei Brüder ertrunken — Magdeburg, 20. Mai. Bei dem Verſuch, ſich durch einen Sprung ans Land aus einem voll Waſſer gelaufenen Ruder⸗ boot zu retten, ertrankend zwei Brüder, der Sekundaner Horſt Wolter und der Primaner Harry Wolter. Sie wurden von einem gefährlichen Strudel erfaßt und ſofort in die Tiefe geriſſen. Hinrichtung eines Elterumörders — Paris, 20. Mai. In Perigueux wurde heute bei Ta⸗ gesanbruch der Mörder Bellier hingerichtet, der am 28. Juni 1927 ſeine Eltern umgebracht hatte, um ſie zu ber a u⸗ ben. Vor dem Schwurgericht hatte Bellier mit zyniſcher Ruhe geſchildert, wie er Vater und Mutter mit einem Feuer⸗ haken und einem Holzſcheit die Schädel eingeſchlagen und ſich. darauf mit dem geſtohlenen Gelde einen vergnügten Aben! 1 4 In Betracht kommen die Straftaten“ 1 * geleiſtet habe.— Der franzöſiſchen Sitte gemäß trug der Elternmörder bei ſeinem letzten Gange einen ſchwarzen Schleier über dem Kopf. Er zeigte keinerlei Reue. L. Z. 127 darf England überfliegen — London, 20. Mai. Die engliſchen Behörden haben nun⸗ mehr die Erlaubnis erhalten, daß das neue deutſche Zeppelin⸗ Luftſchiff LZ 127 bei ſeinem Probeflug auch engliſches Gebiet überfliegen darf. Auch eine Genehmigung zur Landung auf dem Flugplatz Cardington iſt für den Fall gegeben worden, daß der Zeppelin in England eine Zwiſchenlandung vornehmen ſollte. 5 150 Millionen für das freigegebene deutſche Eigentum — Waſhington, 20. Mai. Das amerikauiſche Reprä⸗ ſentantenhaus hat die zwei Ergänzungsvorlagen zum Jahres⸗ budget mit einer Geſamtausgabe von 1070 Millionen Dollar angenommen. Dabei ſind für die Durchführung des Geſetzes betreffend das ehemalige feindliche Eigentum 150 Millio⸗ nen Dollar beſtimmt. ö Bergwerksunglück in Amerika — Browusville(Pennſylvania]ß, 20. Mai. Im Mather⸗Bergwerk iſt eine Exploſion erfolgt. Das Bergwerk iſt in Brand geraten. Ein Teil der Belegſchaft iſt infolge⸗ deſſen von der Außenwelt abgeſchnitten. Schätzungsweiſe be⸗ finden ſich 1506 Bergleute in Lebensgefahr. — Max Scheler geſtorben Prof. Max Scheler, eine der bekannteſten Perſönlich⸗ keiten aus der zeitgenöſſiſchen Philoſophie, der vor kurzem erſt nach Frankfurt berufen wurde, ſtar b im Alter von 54 Lebens⸗ fahren.. Max Scheler wurde am 22. Auguſt 1874 in München ge⸗ boren, abſolvierte dort das Gymnaſium, beſuchte die Univerſt⸗ tät München, Heidelberg, Berlin und Jena umd promovierte 1899 bei Rudolf Eucken. Im Jahre 1902 habilitierte er ſich in Jena und 1907 in München als Privatdozent der Philoſophie, um dann 1910 nach Berlin überzuſtedeln. Während der letzten Kriegsjahre(1917-18) war er in beſonderer Miſſion für das Auswärtige Amt in Genf und im Haag tätig und wurde von dort 1919 an die neugegründete Univerſität Köln als Ordent⸗ licher Profeſſor für Philoſophie und Soziologie berufen. Gleichzeitig wurde ihm ein Direktorat am Kölner Forſchungs⸗ inſtitut für Sozialwiſſenſchaften übertragen. Von Köln ging Scheler dann nach Frankfurt, wo er jetzt verſtarb. Sch. war unter den Philoſophen des zeitgenöſſtſchen Deutſchland einer der bedeutendſten Köpfe. Graf Hermann Keyſerling charakteriſtert ihn mit folgenden Worten:„Max Scheler iſt ein außerordentlich reicher Geiſt, unter Philoſophen ſogar einer der reichſten aller Zeiten... Er iſt als Natur ein Literat, der zwiſchen den Polen naiver Lebensluſt und reflektterter Askeſe dauernd hin und her ſchwankt. Seine Grenzzuſtände, die er jedoch nie erreicht, ſind die des Künſt⸗ lers und des Gläubigen. Immerhin kommt er beiden ſo nahe, daß er einerſeits lebendiger ſchreibt, als die meiſten Gelehrten, das Weſen des Religiöſen tiefer erfaßt als irgend⸗ ein Theoretiker... Jedenfalls iſt er der größte metaphyſiſche Anreger innerhalb der Zunft.“ Aus den Werken Schelers ſeien als die wichtigſten fol⸗ gende herausgegriffen:„Die transzendentale und die pfycho⸗ logiſche Methode“(1901, 2. Aufl. 1922),„Zur Phänomenologie der Sympathiegefühle“(1913), in zweiter Auflage unter dem Titel erſchienen:„Weſen und Formen der Sympathie“(1923), „Genius des Krieges“(1915),„Urſachen des Deutſchenhaſſes“ (1917),„Vom Ewigen im Menſchen“(1921, 1924), ferner die Schriften zur Soziologie und Weltanſchauungslehre, Bd. 1 „Moralia“(1923), Bd. 2„Nation und Weltanſchauung“ (1923), Bd. 3„Chriſtentum und Geſellſchaft“(1924). Er war außerdem Mitherausgeber des Jahrbuchs für Phänomenologie und der Kölner Vierteljahrshefte für So⸗ ziblogie!“ Scheler war mit einer Schweſter des Dirigenten Furtwängler verheiratet; die Ehe wurde jedoch geſchieden. Ueber die Bedeutung Schelers und ſeine nicht leicht zu um⸗ ſchreibende Stellung innerhalb der zeitgenöſſiſchen Philoſo⸗ phie ſoll noch ausführlich geſprochen werden, 0 1 — 2 5 05 4 27 1 ee r ee... reren.. e. r rere e ee„„%„% a a„ a a a„ a Aa AK 85 * FF
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139 (21.5.1928) 234. Morgenblatt
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