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140 (19.10.1929) Festausgabe zum Einzug ins Bassermannhaus - 140 Jahre Neue Mannheimer Zeitung [Beilage]
 
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8 e e ö blatt als durchaus konſervativ. Taſt 19 Jahre ver- Beſchlüſſe führen die Zenſur ein und auf dem beutſchen Schrifttum laſtet fortab ſchwerer Druck. 5 As 1 Es hängt zweifellos mit der verhältnismäßig ſpäten Gründung Mannheims zuſammen, daß die Entwicklung des Zeitungsweſens der Stabt zwiſchen hein und Ueckar nicht ganz ſo verlaufen iſt, wie in zahlreichen anderen Städten Deutſchlands. Auf der Kölner Preſſa im Jahre 1928 war die Entſtehung der deutſchen politiſchen Tageszeitung aus ber Verbindung von Poſtweſen und Uachrichtendienſt überaus anſchaulich bargeſtellt. Die erſten deutſchen Zeitungen entſtanden in den kaiserlichen Poſthäuſern. Die Poſtmeiſter waren nicht allein Eigen⸗ tümer und Derkäufer der Zeitungen, ſondern ſie ſchrieben auch meiſt die Zeitungen ſelbſt oder ſtellten ſie zuſammen. So war lange Zeit der Poſtmeiſter gleichbedeutend mit Zeitungsſchreiber. Wenn nun auch ſpäter bei der Ausdehnung der Jagesliteratur die Herausgabe und der Verlag der Zeitung in andere Hände über⸗ ging, ſo blieb doch der Vertrieb, die Dermittlung zwiſchen Der- leger und publikum, der Poſt und ihren Beamten. Das Weſen dieſer Dermittlung iſt auch heute noch in dem Bezug von Zei⸗ tungen durch die Poſt vorhanden. Dieſe Entwicklungsgeſchichte läßt ſich für Mannheim nicht feſtſtellen. Die erſte Zeitung tauchte im Jahre 1743 auf. Es iſt dasWöchentliche Frag- und Kundſchaftblatt, auchIntelligenz Frag- und Anzeigeblatt genannt, das aber ausſchließlich als Anzeigenblatt erſchien. Die erſte periodiſche Zeitung folgte 1767, dieMannheimer Zeitung, deren Uame im Laufe des 18. Jahr- hunderts verſchwunden iſt. Das Jahr 1790 iſt das Gründungs- jahr des Mannheimer Intelligenzblattes, auf das dieNeue Mannheimer Zeitung ihren Stammbaum zurück- führt. Die erſte Uummer vom 4. Mai 1790 iſt in der Abbildung dargeſtellt. Was ſie wollte, ſagt uns der Citel, und wie ſie die Bedeutung Mannheims auffaßte, zeigt der gleichfalls ab⸗ gebildete Zeitungskopf, in dem Handel und Wiſſenſchaft über das Medium des kurfürſtlichen Wappens als zuſammengehörig dargeſtellt werden. Der erſte Jahrgang und auch die folgenden haben im großen und ganzen das gehalten, was ſie verſprachen. DasIntelligenzblatt erſchten im Derlag der Druckerei des Katholiſchen Bürgerhoſpitals in E 6(gegründet 1789) anfangs hauptſächlich als Anzeigenblatt, das charakteriſtiſche Merkmal aller Intelligenzblätter überhaupt, dem aber bald auch Artikel und Uachrichten beigegeben wurden. Der wöchentlich einmaligen Hlusgabe folgte bereits 1791 die zweimalige. Was zwiſchen den belden Daten gelegen iſt, ſchildert in dieſer Feſtnummer Profeſſor Pr Friedrich Walter an hand des noch vollſtändig erhaltenen Jahrgangs, wobei er neben einer Charakteriſtik der Zeitung auch gleichzeitig ein Bild Mannheims im Jahre 1790 vor unſeren Augen entſtehen läßt. Durchblättert man jene alten Jahrgänge, ſo bilden ſte nicht die Fundgrube, die man ſicher erwartet. Wollte man nach Zeit⸗ dokumenten der Europa erſchütternden Ereigniſſe der franzöſi⸗ ſchen Revolution mit ihren Auswirkungen und der napoleoniſchen Herrſchaft forſchen, würde die Sucherfreude nicht befriedigt. Zugegeben, daß namentlich zur Rheinbundszeit die Zenſurgewalt der napoleoni⸗- ſchen Beamten jede freie Aeußerung unterdrückte, aber man ſah da⸗ mals allgemein die Zeitung noch nicht als öffentlichen Sprechſaal an, wie dies heute der Fall iſt. Das Zeitalter der Aufklärung warf ſeine letzten Wellenkreiſe in den Anfang des 19. Jahrhunderts mit hinein. Man ſuchte viel mehr Belehrung und moraliſche Unterhaltung als Kampf der Meinungen. Aber aus dem Anzeigenteil formt ſich für den, der in den vergilbten Blättern der Vergangenheit zu leſen ver⸗ ſteht, doch ein verhältnismäßig gutes Bild der Irrniſſe und Wirr⸗ niſſe jener unruhigen Zeiten. Er braucht nur die Preisliſten der wichtigſten Cebensmittel zu vergleichen, um feſtzu⸗ ſtellen, wie Kriegszeiten und Teuerung Hand in Hand gehen, und die Zahlen der Konkurſe und Von Chefredakteur Kurt Fiſcher hat ihren Urſprung nicht in dieſer Zeitung des Bürgerhoſpitals) und ein Jahr ſpäter, am J. Juni 1857, inMannheimer Journal! Unter dieſer Bezeichnung iſt ſie erſt eigentlich biodenſtändig in Nann⸗ heim geworden, denn der Kopf blieb 50 Jahre zunverändert beſtehen. II. Die Geſchichte des einen Zeitungsſtromlaufes liegt von der Guelle bis zur Mündung vor uns. Das Guellengebiet des anderen Stromes, der ſich mit jenem in der Mitte der achtziger Jah re vereinigt, iſt in den Gefilden der Generalanzeiger Hera gelegen, die etwa mit der Gründerzeit beginnt, ohne mit ihr im eigentlichen Zuſammen⸗ Mannheimer Intelligenzhlatt zum angenehmen und nuͤtzlichen Unterhalte und 8 JdDienſte der Stadt⸗ und Landwirthſchaft, des Niahtungsſtandes, 15 der Handlung, Künſte und Wiſſenſchafte n. ä Fuͤr das Jahr 1790. Mie kurfürſtlicher gnädigſter Erlaubnitz und Frelheit⸗ 5 0 Mannheim, 705 s gedruckt und verlegt in der neuen Buchbruckeret des Burger ſpltalt p 1790. TTTTTCCCCCCCCCCCCCCCVCCCVCVb ö Das Citelblatt der erſten Ausgabe vom 4. Mai 1790 hang zu ſtehen. Der klaſſiſche Typ der deutſchen Zeitung des 18. Jahr⸗ hunderts iſt die Geſinnungszeitung, voller Schwung, in hochtömender, aber oft dunkler Sprache geſchrieben und mit leidenſchaftlicher poli⸗ tiſcher Stellungnahme. Manchmal ſcheint ſie geradezu in Jamhem ein⸗ herzuſchreiten. Die Zeitung ſelbſt war die Zauptſache, für den Leſer tat ſte nur wenig, faſt gar nichts, um ihn an ſein Blatt zu feſſeln. Sie verlangte vielmehr, daß er ſich durch das typographiſch unglaublich monotone Seitenbild und eine lederne, eintönige Sffarten⸗ einteilung Tag für Tag durcharbeitete. In den Jahren nach dem Deutſch⸗Franzöſiſchen Krieg wurden jedoch die erſten Zeichen bemerk⸗ bar, daß dieſer Zeitungstyp wirtſchaftlich nicht mehr zu haltem war. 140 JahreNeue Mannheimer Zeitung 4 Festa usgabe zum Einzug ins Bassermannhaus 140 Jahre Mannheimer Heimatzeitung Anzeigerpreſſe erſchöpfend zuſammengeſtellt worden ſind. Danach war der Bezugspreis zu hoch und durch Zuſchlag eines Beſtellgeldes noch ſtark geſteigert. Es fehlte der Maſſenabſatz, der das A n⸗ zeigenweſen zum eigentlichen wirtſchaftlichen ck grat der Zeitung hätte entwickeln können. die Zeitung war noch nicht Maſſenverbrauchsartikel und Gegenſtand des täglichen Bedarfs. Sie dazu gemacht zu haben, war das Derdienſt der Generalanzeiger. Um die Mitte der ſtebziger Jahre begann man einzuſehen, daß die Zeitungen von ihrem hohen Katheder herunter müßten. Man erkannte auch die im Zeitungsweſen liegenden wirtſchaftlichen Möglich⸗ keiten beſſer und ging deshalb zunächſt vom Anze igen⸗ weſen aus. Rudolf Moſſe und Auguſt Scherl waren die Bahn⸗ brecher der neuen Ideen. Die von ihnen gegründeten Zeitungen, denen in Köln, Hachen, Dortmund und vielen anderen deutſchen Großſtädten zu Beginn der achtziger Jahre General- oder Lokal- anzeiger folgten, erreichten ungeahnten Erfolg. Es lag daher geradezu in der Luft, die fruchtbringende Idee auch in Mann⸗ heim in die Tat umzuſetzen. Zwar wurde zu Beginn der neuen Zeitungsgründung, die durch Dr. jur. Hermann Haas, den damaligen Bürgermeiſter von Weinheim, im September 1884 erfolgte, der UameGeneralanzeiger noch vermieden, aber Sinn und Siel lagen durchaus in der Richtung der neuenadi ſich en Dbolkszeitung, Mannheimer Stadtanzeiger und handels zeitung. Zunächſt erſtrebte Pr. Haas die beſſere pflege des lokalen Anzeigengeſchäftes und eine ent⸗ ſprechende Förderung des lokalen Nachrichtendienſtes. Zu dieſem Zweck wurde am 1. Januar 1886 zugleich mit der Titeländerung inMannheimer Volksblatt der Cextteil erweitert. Wie es in der Bekanntmachung des Verlages heißt, waren täglich ein kleines Feuilleton, ſowie die neueſten Tokalnachrichten von Mannheim und allen umliegenden Ortſchaften vorgeſehen. Ganz beſonders ſollten die ſtädtiſchen Angelegenheiten in eingehender, aber auch objektiver Weiſe beleuchtet werden. Der Anzeigenpreis war auf 10 pf. für die Zeile geſenkt und gewährte für Stellenanzeigen beſondere Dergünſtigungen. Das ſind die allgemeinen Regeln, die in den Programmen aller Generalanzeiger immer wiederkehren. Sechs Wochen nach der letzten Citeländerung bekannte ſich das Haasſche Blatt offen zur Generalanzeiger⸗Richtung. Am 24. Febr. 1886 wurde der Zeitung eine amtliche und nichtamtliche Anzeigen enthaltende AnzeigenbeilageHeneralanzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung angefügt. Im märz erfolgte die Kenderung des Titels inBadiſche Dolks⸗ zeitung, Mannheimer Volksblatt und Handelszeitung, der aber ſchon am 21. Juni zum dritten Male neu formuliert wurde in Badiſche volkszeitung, Generalanzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung. Am J. April 1887 wurde das Mannheimer Journal von der nattonalliberalen partei gepachtet, die es unter dem gleichen Titel als Bei- lage derBadiſchen Volkszeitung erſcheinen ließ. Die erſte Feſamtausgabe erfolgte am 29. März 1887 unter dem Citel Morgenblatt des Mannheimer Journals und Generalanzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung, Mannheimer Dolksblatt, Badiſche Dolkszeitung. Anfang 1888 wurden die amtlichen Anzeigen als Beflage imMannheimer Journal, Amts- und Kreisverkündigungs⸗ bleitt ausgegeben. Als am 1. Juli 1888 dasMannheimer Journal aus den händen der uationalliberalen Partei in den Beſitz von Dr. Haas übergegangen war, war auch die Zeit der fortgeſetzten Citeländerungen vorüber. Der Feitungskopf enthielt nur noch den UamenMannheimer General- anzeiger der Stadt Mannheim und Umgebung mit dem Untertitel Badiſche Volkszeitung, Mannheimer Dolksblatt, Mannheimer Journal, Amts- und Kreisverkündi⸗ gungsblatt, 98. Jahrgang. Mit der Uebernahme der Zwangsverſteigerungen ſind ſchreckliche Mahner Eigenſchaft als Amtsverkündiger und der Zählung einer allgemeinen Verarmung in Stadt und Land. Hur eines bleibt unerſchütterlich trotz der Not der Zeit: das Mannheimer AUattonal⸗ theater. Selbſt in jenen Jagen hat der Mann- heimer ſein Theater mit jener Liebe umfangen, die ihn durch 150 Jahre ausgezeichnet hat. Sonſt zeigte ſich in Aufmachung und Anordnung das Intelligenz⸗ ſtrichen, bis man zur dreimal wöchentlichen Kus⸗ gabe überging. Man änderte auch den Titel in Mannheimer Tagesblätter um. Aus dem erſten, unter dieſer Uummer erſcheinenden Jahrgang veröffentlichen wir den Bericht über die Ermordung Kotzebues. In dem ganzen Jahrgang iſt dies die einzige, wenn man ſo ſagen darf, Cokalnotiz. Die Cat Sands, die ungeheures Kufſehen erregte und von ſchwerwiegenden Folgen für die deutſche Studentenſchaft war, wird mit kei⸗ Aber ihre KAuswir⸗ Die Karlsbader nem Wort mehr erwähnt. Rangen verſpürt die Zeitung. Es wird geiſtig öde in deutſchland. Das badiſche Preſſeedikt ſchreibt übrigens zum erſtenmal auch die Hamensnennung des verantwortlichen Redakteurs vor. Es iſt kennzeichnend für die damaltge Handhabung des Zeitungsbetriebs, daß Carl Hermsdorf am Titel des Blattes als Faktor die Bezugseinladung unterzeichnet, aber am Schluſſe einer jeder Hummer 5 akteur flemiert. Der idyutſeche Zuſtand der dreimaligen Erſcheinungsweiſe dauerte bis 1825. Dann ging ie Zeitung zu ſechs Ausgaben in der Wache über, und ſo iſt ſie zum erſtewal als wirkliche Tageszeitung anzu⸗ sprechen. Sie änderte den Citel 1858 inHlannheimer Tageblatt um(die heute unter dieſem Titel in Mannheim erſchel dende Zeitung Mannheimer Intelligenzblatt, mit kurfürſtlichem gnaͤdigſten Privilegium. Nro 3. Dienſtags den Zoten November 1790. Der Kopf der wöchentlichen lusgabe 1790 Eine nach der andern dieſer Geſinnungszeitungen geriet in Schwierig⸗ keiten, in denen ſis ſich häufig nur durch Juſchußwirtſchaft von Parteigruppen behaupten konnten, obwohl dies nicht nur dem Grund- geſetz der Zeitungswirtſchaft, ſondern auch einer wirklichen publiziſtt⸗ ſchen Unabhängigkeit widerſprach. Die entſchiedene polttiſche Ge⸗ ſinnung hemmte den Abſatz dieſer Blätter ebenſo, wie ihre faſt aus⸗ ſchließlich für ein intellektuellse Publikum arbeitende Redaktion. Dazu kamen noch wirtſchaftliche Romente, die von Prof. Dr. Dovifat⸗ Berlin in einer im Archiv für Buchgewerbe und Gebrauchsgraphik (1928, Heft 4) erſchienenen 8 über die Anfänge der General- 98. Jahrgang wurde ſomit auch äußerlich dokumen⸗ tiert, daß ſich derGeneralanzeiger als Fort- ſetzung desMannheimer Journals betrachtete. Die Untertitel verſchwanden im Caufe der neunziger Jahre, während damals im Dolks⸗ mund derGeneralanzeiger nach wie vor das Journal hieß. Die BetitelungMannheimer Jour⸗ nal als beſondere Beilage verſchwand am 50. Sep⸗ tember 1908, weil die amtlichen Derkündigungs⸗ organe für Baden einheitlich den TitelAmts- verkündiger erhielten. Beide Ströme waren nun endgültig zu einem vereinigt. * Erſt 20 Jahre nach der letzten Aenderung des Kopfes erſchien ein neuer Untertitel. Am 1. Junt 1908 finden wir ihn zum erſtenmal alsBadtiſche UHeueſte Uachrichten zu dem Hhaupttitel Generalanzeiger, Beide Bezeichnungen wechſelten die Rollen im Jahre 1912 inſofern, als dieBadiſche Ueueſte Nachrichten zum Haupt⸗ Hel wurden, während derGeneralanzeiger als Untertitel erſchien. 1916 wurde der alte Zuſtand vom 1908 wieder hergeſtellt. Dom 20. Juli 1924 ab lautete der CitelMannheimer General- a mzeiger, eue Mannheimer Zeitung, Badiſche Ueueſte Uachrichten. Am 19. September 1924 erſchien dann die Zeitung zum erſtenmal unter ihrem heutigen NamenNeue Mannheimer Zeitung mit dem UntertitelMannheimer General⸗ Anzeiger, der noch allgemein im Volksmund gebräuchlich ge⸗ blieben iſt. 5 DerGeneral-Anzeiger war lediglich von 1886 bis 1887 A n⸗ zeigenblatt. Die Amtsverkündigereigenſchaft wurde 1919 für alle Zeitungen dieſes Charakters in Baden aufgehoben. Eine eigent⸗ liche politiſche Tendenz war dem altenMannhetmer Journal nicht zu eigen, doch ergab ſich ſeine Richtung aus dem katholiſchen Derlags⸗ *