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140 (19.10.1929) Festausgabe zum Einzug ins Bassermannhaus - 140 Jahre Neue Mannheimer Zeitung [Beilage]
 
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rn A een e * Lebensmittelpreiſe, Ertrag der kurpfälziſchen Bergwerke uſw. ab⸗ gedruckt. Dolkserzteheriſch ſollen Artikel wirken wieEtwas über Lektüre für junge Leute, überdie Wichtigkeit einer neuen Er⸗ ziehung, Gedichte wieDie wahre Zufriedenheit. Als einigermaßen zeitgemäß können Kuffätze geltenZur Charakteriſtik des pöbels, Don der Unterwürfigkeit, die man den Geſetzen des Staates ſchuldig iſt. Die Einleitung eines KufſatzesErinnerung an die gewinn⸗ ſüchtige Autorſchaft atmet die ganze Biederkeit der pfälziſchen Auf⸗ Klärung:Unſer Deutſchland hat binnen einem kurzen Seitraume Rieſenſchritte in der Aufklärung gemacht und unſer achtzehntes Jahr- hundert verdient in den Jahrbüchern der Nachwelt, in Rückſicht wiſſen⸗ ſchaftlicher Dervollkommnung, mit Recht geſchätzet zu werden. In dem einen Betrachte herrſcht Freiheit im Denken. Die Publizität ſcheint ihren höchſten Standpunkt erreicht zu haben, und Sittenveredlung, Geiſteskultur, lichter ſeiner Arbeiten nicht mehr aufnahmefähig genug ſchten, und ſtedelte nach Berlin über. Hierin kam deutlich zum Ausdruck, welche Gefahr dem einheimiſchen Kunſtleben ſeit dem Derluſt der Hofhaltung Karl Theodors drohte. Noch beſtand die kurpfälziſche Akademie der Wiſſenſchaften, aber ihre Tätigkeit bewegte ſich auf abſteigender Linie. Sie büßte hervor- ragende Mitglieder ein, die ohne Erſatz blieben. So ſtarb im Jahre 1790 einer ihrer tüchtigſten Mitarbeiter, der geiſtliche Rat Johann Jakob hemmer. Er gehörte zu den führenden Meteorologen ſeiner Zeit und erwarb ſich durch Einführung der Blitzableiter be⸗ ſondere Derdienſte. Auch als Vorkämpfer für Reinigung der deutſchen Sprache von Fremdwörtern und für phonetiſche Rechtſchreibung hat er ſich einen Uamen gemacht. Menſchenverſtand auch in den mittleren und unteren Klaſſen des Dolkes gatten ſich in trautvoller Eintracht. Das ſagt der Denker, und freut ſich ob der glücklichen Hinſicht auf ehemaligen Abſtand und wirkliches Wachstum. Aber in dem anderen wirft der unbefangene Biedermann die zweideutige Frage auf: hat dann Aufklärung, das Coswort der Gelehrten ſowohl als wiſſenſchaftlichen Schmetterlinge, auch den nämlichen Einfluß auf Menſchen⸗ liebe, vorzüglich aber auf Unparteilichkeit und Uneigennützigkeit der Schriftſteller. G hier öffnet ſich eine klagvolle Szene, und der unbefangene Denker, der gleichgültige Welt⸗ weiſe zürnt über die kleinliche Rotte, über den halbgelehrten Journaliſten und Rezenſen⸗ tenſchwarm, der täglich in hochtrabendem Tone die Worte Kufklärung, Sittenverbeſſe⸗ rung, Gelehrſamkeitsverbreitung und men⸗ ſchenumſtaltung entweiht, und den man mit einer geringen Summe erkauft, die öfters Befriedigung eines mittelmäßigen Straßen⸗ 140 JahfeNeue Mannheimer Zeitung 4 Festausgabe zum Einzug ins Bas Sermannhaus 2 Karakterzüge des Pfälzers In ſeiner Ur. Jo vom 6. Juli 1790 bringt dasMannheimer Intelligenzblatt eine Charakteriſtik des pfälzers, die wohl als erſtes derartiges Dokument überhaupt anzuſprechen iſt. Es wird die heu⸗ tigen Uachfahren zweifellos feſſeln, wenn ſie ſehen, wie man ihre Ureltern charakteriſtert hat. Der Bericht beſagt u. a. folgendes: Es gehört vorzüglich zum plane unſeres Inſtituts, das Publi⸗ kum näher mit ſeinem Daterlande bekannt zu machen, ein Kleines Gemälde von den Karrakterzügen der Pfälzer kann alſo keinem unſerer Leſer unangenehm ſein, dem Daterlandsliebe im Buſen glüht. Der Karakter eines Volkes darf nicht von einer Generation beſtimmt werden, man muß in die weiteſte Dergangenheit zurückblicken, die Thaten und Begebenheiten ſowohl einzeln, als im allgemeinen abwiegen, um ſeinem Ge⸗ mälde die gehörigen Farben und Schattie⸗ rungen zu geben. An dem Pfälzer glänzen noch die deutlichſten Merkmale von den Karakter⸗ zügen der alten Ddeutſchen, von welchen man bei manchen unſerer deutſchen Brüder kaum mehr eine Spur antrifft. Der Pfälzer iſt bieder und grade, ohne Gewandheit und blendende politik. Zwar hauchte der Geiſt der feinen und tückiſchen Kabale aus Weſten man⸗ chem Pfälzer ſeinen peſthauch in die Seele; aber ferne, daß die ganze Nation angeſteckt ſei; deutſcher Biederſinn, ungeſchminkte Offen⸗ herzigkeit, ungehäuchelter Seelendrang, adeln denſelben. Die Induſtrie und die Gewerbſamkeit des Pfälzers hat in ganz Deutſchland Ehrenſäulen, und in jedem Jahrhunderte bei jeder Gelegen⸗ heit hat er bewieſen, daß Tapferkeit ein her⸗ vorſtechender Zug von ihm ſei. Biegſamkeit iſt ihm ferner in einem hohen Grade eigen, wenn bettlers wire Ein Ausfluß der Kufklärung iſt auch der plan einer CLeſegeſellſchaft, den 1789 der hieſige Buchhändler Valentin Bender, aller⸗ dings erfolglos, veröffentlichte Zur beſſeren Derſorgung der Einwohner hatte die Regierung nach langjährigen Bemühungen der Stadt einen Fruchtmarkt genehmigt. Sie erfüllte damit eine Juſage, die 1785 in den neu be⸗ ſtätigten Stadtprivilegten gegeben war. Zur großen Freude der Bürgerſchaft wurde am 4. Hovember 1789 der Fruchtmarkt eröffnet. Am Jahrestag berichtet das Intelligenzblatt, daß der Geſamtumſatz des erſten Jahres 78 778 Malter Frucht betragen habe. Außer den Bäckern waren beſonders auch die Bierbrauer an der Errichtung dieſes Fruchtmarkts intereſſtert. Damals umfaßte die Bierbrauer⸗ zunft noch eine große Zahl von Kleinbrauereien. Wenige Jahre vorher war die Steinkohlenfeuerung eingeführt worden, und man verſuchte, den Brennholzverbrauch möglichſt einzuſchränken, um den Beſtand der Waldungen zu ſchonen. Ein Kurfürſtliches Reſkript ſchrieb 1790 den Bierbrauern vor, unter ihren Braukeſſeln kein Holz, ſondern nur Torf und Steinkohlen zu brennen. Der Rat erhielt den Auftrag, dieſe Vorſchrift einzuſchärfen und zu überwachen. Ueber- tretung wurde mit 100 Taler Strafe geahndet. Die achtziger Jahre hatten wiederholt ſchwere Eisgänge und ge⸗ fährliche Hochwaſſer gebracht. Uamentlich der Neckar mit ſeinen vielen Schleifen und engen Krammungen war eine große Gefahr für die Stadt. Die Bürger begrüßten es daher, als Der paradeplatz nach einem Stich von verhelſt 1794 Die Aufſtellung von Blitzableitern auf den häuſern bürgerte ſich ein, aber es kamen bei ihrer Anlage auch manche Fehler vor, welche die Sicherheit der Gebäude gefährdeten. Deshalb gab der Stadtrat bekannt, daß die Hauseigentümer, die Wetterableiter auf ihren Häuſern anlegen wollten, dies nur unter Aufſicht und Anleitung eines Uaturkundigen tun ſollten. Im Nationaltheater war die wichtigſte Novität des Jahres die OperFigaros Hochzeit, die Mo zat auf der Durchreiſe am 24. Oktober 1790 perſönlich dirigierte. die Kritik in der Jeit⸗ ſchriftRheiniſche Muſen bedauert, daß das treffliche Cuſtſpiel von Beaumarchaismit einer langen, wenn auch kunſtvollen und ſchön⸗ heitsreichen Muſik verſehen worden ſei. Kotzebue, der Lieblings- dichter jener Jahre, erſchien mit drei Erſtaufführungen:Die In⸗ dianer in England,Die Sonnenjungfrau undDas Kind der Liebe. Jffland, vor dem zum erſtenmal die Lockung eines Berliner Enga⸗ gements auftauchte, konnte mit ſeinem SchauſpielHerbſttag einen neuen Bühnenerfolg verzeichnen. Dom 21. März bis 5. April blieb das Theater wegen der Trauer um den verſtorbenen Kaiſer Joſeph II. geſchloſſen. Sur Krönung Leopolds II. in Frankfurt ſchrieb Ifland, einem ehrenvollen Auftrag er mit Tiebe und Zutrauen zu Aufopferungen aufgefordert wird; ſtarrſtnnig aber und un⸗ bändig iſt er, denn ſein Ehrengefühl ſträubt ſich hoch, wenn man ihm Geblſſe anlegen will. eine Daterlandsliebe iſt glühend und ſeine Ergebenheit gegen den Fürſten⸗Enthuſiasmus groß; wer nur oberflächliche Kenntniſſe in der vaterländiſchen Geſchichte hat, weiß es, daß Großmuth unſere Nation karakteriſtre. Sie war nie racheſchnaubend, nicht einmal gegen Feinde, die ſich mit ihrem Blute gemäſtet haben. Der Pfälzer iſt menſchenfreundlich, gaſtfrei und raſtlos, wenn es um die gute Sache zu thun iſt; er hält feſt auf Pflicht und Ehre, und auf den wälzt er ſeinen ganzen Haß, der derſelben zu nahe tritt. Seine Religion verehrt er mit einer Wärme, die ſich fühlen, aber nicht beſchreiben läßt; und nicht ſelten iſt der Auswuchs, welcher der⸗ ſelben ſpottet, 1 fremdem Grund und Boden gediehen. Er iſt ſanft wie der Himmelsſtrich, indem er athmet; artig im Umgange, und ſelbſt die pünktliche Simetrie unſerer Daterſtadt ſpricht laut von dem ausgebliebenen Geſchmacke, der den Pfälzer ſchon beſeelt hat, da über den übrigen Gefilden Deutſchlands noch auffallende Rohheit herrſcht. Daß er erfinderiſch und zu allem aufgelegt ſei; daß er Genterdrang für alle hohe Wiſſenſchaften, und beſonders für die bildenden Künſte habe, beweiſen die vielen Genien, die unbepflanzt gereift ſind; einigen Hang zur Unmäßigkeit, zur Modeſucht und Weichlichkeit hinweggewicht, ſo iſt der Pfälzer das höchſte Jdeal eines edlen Menſchen il endlich die Flußbaubehörde den Ueckar durch⸗ ſtüch und die Regulierung des unteren UHeckar⸗ laufes zwiſchen Feudenheim und Mannheim in Angriff nahm. am 21. Juli 1790 gab Oberbau⸗ direktor Dyckerhoff d. J. in der Zeitung be⸗ kannt, daß der Kurfürſt die Abgrabung des Ueckars nebſt Herſtellung einer geraden Strom- bahn dieſes Fluſſes von Mannheim bis Feuden⸗ heim genehmigt habe. Hierzu ſeien mehrere hun⸗ dert Arbeiter erforderlich, die ſich zum unver⸗ züglichen Beginn der Erdarbeiten melden ſollten. Die Ueckarregulterung nahm die folgenden Jahre in Anſpruch. Im gleichen Jahre genehmigte der Kurfürſt den Traitteurſchen Plan, eine Waſſerleitung von Rohrbach nach Mannheim herzuſtellen. der Ingenieur⸗Major Johann Andreas von Craitteur übernahm die Koſten dieſes Waſſer⸗ leitungsbaues gegen Zuſicherung eines Kurfürſt⸗ lichen Darlehens und Zuſchuſſes. Er verpflichtete ſich zur Aufſtellung einer Anzahl öffentlicher Brunnen und erhielt das Recht, Privathäuſer an die von ihm geplante Waſſerleitung gegen Ge⸗ bührenbezug anzuſchließen. So beſtand die Hoff⸗ nung, daß die ſchlechten Trinkwaſſerverhältniſſe in der Stadt verbeſſert und die öffentlichen Brun⸗ nen laufendes Waſſer erhalten würden. Unterm 18. 8. Der Theaterplatz mit dem palals Zweibrücken. Uach einem Stich von Klauber 28. Oktober 1790 veröffentlicht Traitteur in den Manheimer Blättern hierüber die erſte Nachricht an das publikum. Darin gibt die Waſſerleitungs⸗ direktion bekannt, daß nunmehr geſundes, reines a Guellwaſſer aus dem Gebirge nach Mannheim geleitet werden ſolle. Die Bedingungen, unter denen das Waſſer an die N ab⸗ gegeben werde, ſind in einem beſonderenImpreſſum enthalten, auf das die Hauseigentümer aufmerkſam gemacht werden. Jeder Haus- beſitzer, derden großen Nutzen und die Gemächlichkeit eines ſolchen RNöhrbrunnens in ſeinem Hauſe haben und das Waſſer dazu käuflich erhalten wolle, müſſe ſich in eine Subſkriptionsliſte einzeichnen, die im Kaufhaus bei dem Kollekteur Cordon aufgelegt ſei. Traitteurs Aufruf fand aber wenig Gegenliebe. Man zweifelte an der. führbarkeit des Planes, und in der Cat iſt die Ausführung nac jahrelangen erfolgloſen Verſuchen unter viel Kerger und Streitig⸗ Reiten geſcheitert. Im Jahre 1790 verließ Mannheims beſter Graphiker, der Kupfer⸗ ſtecher heinrich Sintzenich die Stadt, die ihm für den Abſatz N 33 112 Bittſchrift an das künftige Erziehungstribunal Ein Beiſpiel pädagogiſchen Humors, das gleichzeitig ein Charakteriſtikum der damaligen erziehungsphiloſophierenden Zeit iſt, findet ſich imIntelligenzblatt vom 2. November 790, Es lautet: 8 Wenn euch ein Vater des Dolks einſt ver⸗ ſammelt, o ihr Freunde der Jugend! ſo erwägt auch mein Leiden, und eifert gegen das Vor⸗ urtheil, deſſen Opfer ich bin. Ich und meine Schweſter ſind Zwillinge, und äuſſerlich ſo ähn⸗ lich, wie die Blätter eines Baums, aber eine partheiiſche Erziehung hat uns zu ganz verſchie⸗ denen Geſchöpfen gemacht. Mich Arme gewöhnte man früh, meine Schweſter als eine vornehmere perſon zu betrachten. Sie nahm bei jeder Ge⸗ legenheit den Rang über mir. Sie allein wurde belehrt und gebildet, und ich wuchs wie eine Bäurinn heran. Sie wurde im Zeichnen, Schreiben und nüzlichen Kenntniſſen unterwieſen, ich, wie eine Magd in der Familie, nur zu verächtlichen Arbeiten geübt, und, wenn ich es wagte, die 8.. folgend, das Schauſpiel:Friedrich von Geſterreich; in der Druck⸗ ausgabe iſt die Vorrede datiert; Käfertal bet Mannheim, den 10. Nov. 1790. Iffland trat in dieſem Schauspiel in Frankfurt auf und wurde dem Kaiſer vorgeſtellt, der ihm anerkennende Worte ſagte. Dort zeigte ihm Frhr. von Dalberg hocherfreut das Dekret der lebensläng⸗ lichen Anstellung mit Penſionszuſicherung, das der Intendant für di⸗ hervorragendſten Mitglieder ſeiner Bühne beim Kurfürſten erwirkt hatte. * Das ſind nur einige Streiflichter auf das Geburtsjahr dieſer Zeitung, das Jahr 1790, das für Mannheim ohne beſonders ein ſchneidende Ereigniſſe verlief. Allmählich hatte ſich die Stadt von dem ſchweren Schlage der Reſidenzverlegung etwas zu erholen begonnen aber ſchwere ſorgenreiche Jahre ſtanden bevor, Kückſchläge durch Kriegsnot und politiſche Umwälzungen. Nadel oder die Feder zu ergreifen, ſo waren empfindliche Schimpfwörter, ja nicht ſelten die Ruthe mein Lohn. Iſt es nicht ungerecht, alle Zärtlichkett an Einem Kinde zu verſchwenden?. anerſchaffne Fähigkeiten nicht zu entwikeln? eine Rangordnung unter Geſchwiſtern zu dulden, die alles wechſelſeitige Dertrauen aufhebt? In unſerm Hauſe fügt es ſich zum Unglük, daß wir beide unſre Brüder und Schweſtern ernähren müſſen, und dieſe Sorge fällt größtentheils auf meine wohlerzogene Schweſter. Man ſeze den Fall, daß ſie bett⸗ lägrig würde(und ſie iſt leider! mit Gichtfüſſen geplagt) müßte daun nicht hunger und Elend unſer unvermeidliches Toos ſein? Denn ich bin nicht geſchikt genug, einen Bettelbrief zu ſchreiben, und muß mich auch zu dieſem Aufſfatze fremder hände bedienen. Sie kann ſterben, und ſo bleibt unſrer verlaßnen Familie keine Derſorgerinn übrig. O gebieten Sie den Keltern gegen alle ihre Kinder eingun⸗ getheilte, unpartetiſche Ciebe.. 5 Ich bin Ihre demüthtge Dienerin e,. die linke Band.