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neue Mannheimer FJeitung(Mittag⸗usgabe) 3. Seite. Nr. 435 Treitag. den 19. Sepfember 1924 Die Frage iſt ſchon oft erörtert worden, ob es möglich iſt, einer Perſon in der Hypnoſe die Verübung eines Verbrechens aufzugeben. rſuche, die man darüber anſtellte, fielen verſchieden aus. Im all⸗ gemeinen ſteht man auf folgendem Standpunkt: Hypnoſe iſt eine verſtärkte Suggeſtion. Daß leicht beeinflußbare, wankelmütige, un⸗ ſichere Menſchen ohne eigenen Halt und das ſind ja die Merk⸗ male des Verbrechers durch Ueberredung und Suggeſtion ſeicht 0 allen Taten beſtimmbar ſind, iſt bekannt. Um ſo viel mehr iſt tes bei einer ſo ſtarken Beeinfluſſung wie der Hypnoſe möglich. Eine Perſon mit den nötigen ethiſchen Hemmungen aber wird auch einem in der Hypnoſe gegebenen Befehl trotz des verſpürten Zwanges den erforderlichen Widerſtand entgegenſetzen. Dies haben auch die Verſuche ergeben. Am leichteſten iſt allerdings die Suggerierung einer falſchen Ausſage, weil ſich in den Gedanken des Hypnotiſierten Wirklichkeit und das ihm als erlebt Vorgeſagte vermiſchen, ſodaß ihm das Unterſcheidungsvermögen fehlen kann. Das Gebiet iſt aber noch ungeklärt, aber ein Grund mehr, Zeugenausſagen mit Vorſicht entgegenzutreten. bedeu⸗ 5 Alle die genannten Fehlerquellen ſteigern ſich nun ganz ſend, wenn Erkrankungen des Gehirns oder der Sinnesorgane vor⸗ ich liegen. Schwache Augen, Kurz⸗ und Fernſichtigkeit, Farbenblind⸗ 15 heit, Schwerhörigkeit beeinträchtigen natürlich das Beobachtungsver⸗ ſo mögen auf das empfindlichſte. Mit beſtimmten Krankheiten ſind ird Halluzinationen verbunden, bei denen der Kranke Stimmen hört ben und Geſtalten ſieht, die nicht vorhanden ſind. Am ſchwerſten ſind are ieſe Beeinträchtigungen bei Geiſtes⸗ und Nerven⸗Erkrankungen, don denen beſtimmte Formen ſich noch dazu in einer krankhaften ucht zum Lügen äußern, wie z. B. die weit verbreitete Hyſterie. un haben wir ja allerdings unſere Sachverſtändigen, die uns ſagen, ob eine Erkrankung der Sinnesorgane oder des Gehirns oder der Nerven vorliegt. Aber die Schwierigkeit beſteht auch für den Sach⸗ verſtändigen Arzt darin, daß es eine ſcharfe Trennungslinie zwiſchen geſund und krank nicht gibt, ſondern daß dazwiſchen noch eine un⸗ endliche Reihe von Zwiſchenſtufen liegen, Uebergangsſtadien, die ſehr wohl ſchon erhebliche Wirkungen haben können, ohne daß der euge deshalb dem Richter auffallen muß. Dasſelbe gilt aber von Allen Störungen. Die Zahl der Fehlerquellen iſt alſo ſehr beträcht⸗ lich und es gehört eine große Erfahrung, gepaart mit ſicherem Ge⸗ ühl und Menſchenkenntnis dazu, bei einer Zeugenvernehmung all eſen Dingen Rechnung zu tragen. Wenden wir uns nun dem zweiten Teil unſeres Themas zu, dem Indizienbeweis, ſo liegt auf der Hand, daß wir vor allem etwaigen Fehlern viel leichter auf die Spur kommen und daß wir es mit wiſſenſchaftlich erwieſenen und jederzeit demonſtrierbaren atſachen zu tun haben. In einer von mir bearbeiteten Mord⸗ ache fand ich z. B. in dem Haar der Ermordeten einen zerbrochenen m. In dem rechten Handrücken der Verdächtigen waren mir ſchon porher 5 punktförmige friſche Wunden aufgefallen, die in einer Reihe lagen und gleichen Abſtand hatten. Die Abſtände er⸗ reieſen ſich als gleichgroß mit den Abſtänden der Zähne des zer⸗ brochenen Kammes. Dem Gericht lagen Photographien von Hand und Kamm vor. Die Gleichheit der Abſtände konnte mit dem Ar⸗ kel feſtgeſtellt werden. Solche Tatſachen ſind unumſtößlich. Die Täterin geſtand ſpäter. Der wichtigſte Indizienbeweis iſt der ingerabdruck. Die Innenſeite der Fingerſpitzen weiſen eigenartige Linien auf, die zwar in ihren allgemeinen Formen wie⸗ rkehren, in ihren Einzelheiten aber ſo verſchieden ſind, daß es kaum zwei Menſchen gibt, die die gleichen Linien haben. Nach der rechnung eines franzöſiſchen Gelehrten iſt die Wahrſcheinlichkeit, daß zwei Menſchen die gleichen Abdrücke hätten, ſo gering, daß ſie durch einen Bruch ausgedrückt werden könnte, der als Zähler eine 1 und als Nenner eine Jahl mit 60 Nullen hat. Deshalb wird das Fingerabdrucerfaren(Daktyloskopie) auch in erſter Reihe im rkennungsdienſt verwendet. Von jedem ſchweren Verbrecher wer⸗ n Fingerabdruckblätter hergeſtellt, Formulare, auf denen nach einem nheitlichen Syſtem die Abdrücke von allen Fingern genommen ſind. ieſe Blätter werden an beſtimmten Zentralſtellen geſammelt und nach einer ſinnreichen Methade regiſtriert. Will man nun die Per⸗ ſonatien eines Ver! fteten feſtſtellen oder nachkontrollieren, ſo bedarſ es nur der Aufnahme ſeiner Fingerabdrücke und Einſendung des lattes an die Zentrale. Liegt bereits ein Fingerabdruckblatt vor, ſo iſt der Verhaftete agnoſzlert. Werden nun am Tatork einer oder mehrere Fingerabdrücke vorgefunden(man kann auch dem Auge Aunſichtbare Abdrücke durch chemiſche Verfahren ſichtbar machen), ſo ſtt zunächſt mit den Zentralkartotheken nichts zu machen. Selbſt wenn es gelingt, feſtzuſtellen, um welche Finger es ſich handelt, nd die Regiſtraturen doch auf einer Formel aufgebaut, die alle inger umfaßt. Aber bei größeren Polizeizentren gibt es auch Spezialitätenkartotheken, aus denen beim Vorhandenſein einiger An⸗ haltspunkte ſchon eher der Täter herausgefunden werden kann. Im übrigen dienen ſolche Fingerabdruckſpuren zur Ueberführung eines ergriffenen mutmaßlichen Täters. Der aufgefundene ſog. Original⸗ ebdruck wird mit den von dem Ergriffenen genommenen auf alle inzelheiten verglichen, insbeſondere Schnittpunkte der Linien, Ab⸗ ſtände von einander und dergl. Ergibt ſich dabei Uebereinſtimmung 8 er größeren Anzahl von Einzelheiten, ſo iſt mit aller Sicherheit dargetan, daß der Ergriffene am Tatort war oder den Gegenſtand, dem ſich der Abdruck befand, in der Hand gehabt hat. In dem betennten Neckargemünder Mordprozeß Siefert haben ſolche Ab⸗ rücke zur Ueberführung des Täters geführt. Neben dem Fingerabdruckverfahren ſind es eine große Reihe Hemifcher, mikroſkopifcher und photographiſcher Methoden, um FTFTTTTETTTTccc( Ueber Jeugen und Indizienbeweiſe Von Amtsgerichtsdirektor Dr. Kley(Mannheim) abſo⸗! Annahme des Sachverſtändige lut ſichere Ueberführungstatſachen zu liefern. Bei vorgefundenen Blutſpuren, auch in getrocknetem Zuſtand, läßt ſich nicht nur mit Sicherheit feſtſtellen, ob es ſich um Blut oder einen ſonſtigen Stoff handelt, denn bei einem gewiſſen chemiſchen Verfahren bilden ſich mikroſkopiſch kleine Kriſtalle(Häminkriſtalle), die in keiner anderen Subſtanz vorkommen, ſondern es iſt auch ein ſinnreiches Verfahren möglich, feſtzuſtellen, ob das Blut Menſchen⸗ oder Tierblut iſt(Ühlen⸗ hutſcher phyſtologiſcher Blutnachweis). Gifte in dem Körper oder an Stoffen laſſen ſich meiſt noch nach langer Zeit nachweiſen und auch nach dem Tode noch. Die Identität von Haaren iſt auf mikro⸗ photographiſchem Wege an der Beſchaffenheit der Markſubſtanz, bis⸗ weilen auch nach der Oberflächenzeichnung feſtzuſtellen; die Unter⸗ ſcheidung von Menſchen⸗ und Tierhaaren iſt immer möglich. Sogar der Aufenthalt eines Menſchen wurde ſchon an den Haaren feſtge⸗ ſtellt, falls der Aufenthaltsraum mit chemiſchen Dämpfen angefüllt war. Bei Verbrechen mit Schußwaffen wurde ſchon wieder⸗ holt mit photographiſcher Vergrößerung einwandfrei bewieſen, daß ein Schuß aus einer beſtimmten Waffe abgegeben wurde, da ſich Eigenartigkeiten der Züge an dem Geſchoß abdrücken und Schlag⸗ bolzenſpitzen in dem Zündhütchen oder der Hülſe ſehr markante und durchaus verſchiedene Eindrücke hervorrufen. Auf dem Gebiete der Schriftfälſchungskunde iſt es eigentlich auf mikroſkopi⸗ ſchen, chemiſchen und photographiſchem Wege in allen Fällen n mit abſoluter eine Fälſchung oder Verfälſchung feſtzu⸗ ſtellen. Auch der Nachweis, ob eine Schrift, wenn auch verſtellt, mit der eines Angeſchuldigten 02 iſt, gelingt faſt immer. Sehr oft wurde auch die Identität von Tinte und Feder ſchon feſtgeſtellt. Auf welchen übrigen Gebieten aber ferner auf dem genannten Wege Täter überführt worden ſind, möge der folgende Kriminalfall lehren: Am 7. Oktober 1914 wurde in der Nähe von Wildtal ber Freiburg die Leiche einer älteren Näherin in einem Bohnenacker aufgefunden. Die Leiche wies Stichwunden und Schnittwunden am Hals auf und war mit einem rotblauen ſeidenen Halstucherwürgt worden. Bei der Leiche fand ſich ein buntes Taſchentuch, das nicht der Ermordeten gehörte. Daran fanden ſich dunkle Flecke. Als der Tat verdächtig war ein Fremdenlegionär verhaftet worden, der aber die Tat und das Eigentum an dem Taſchentuch leugnete. Seine ab⸗ geſchnittenen Fingernägel(ſehr wichtig), ſein Anzug und ſein Taſchenmeſſer wurden dem Gerichtschemiker übergeben. An dem Taſchentuch fanden ſich blaue und rote Seidenfaſern, wie ſie auch das Halstuch aufwies, mit dem die Ermordete erwürgt worden war. ſtaub, wahrſcheinlich von Schnupftabak, Kohlen⸗ und Koksſtaub und feinſte Sandkörnchen mit Glimmerſchüppchen und Hornblende⸗ kriſtällchen. Der Schmutz unter den Fingernägeln enthielt ebenfaus Sandkörner, Glimmerſchüppchen und Hornblendekriſtalle ſowie eine roße Anzahl von Wolle und Baumwollfaſern, die die gleiche Be⸗ chaffenheit wie der Anzug des Angeſchuldigten hatten. An dem Taſchenmeſſer fanden ſich dieſelben Wolle⸗ und Baumwollefaſern ſo⸗ wie kleinſte Blutſchollen. An dem Anzug fand der Chemiker ver⸗ ſchiedene abgeſchabte Blutſpuren ſowie ein Haar, das als identiſch mit dem Haar der Ermordeten befunden wurde. An den Hoſen endlich fanden ſich am unteren Ende Erdflecken. Dieſe beſtanden aus zwei Schichten übereinander. Die untere Schicht war von hell⸗ brauner Farbe und enthielt Ton, Quarzkörner und Hornblende, die obere dunklere Schicht war von lehmiger Beſchaffenheit. Die Zu⸗ ſammenſetzung der unteren Schicht war die gleiche wie die des Bo⸗ ns am Tatort, die der oberen Schicht die gleiche wie die des Weges vom Tatort nach der Wohnung des Täters. Es war alſo erwieſen: Der Angeſchuldigte war am Tatort ge⸗ weſen. Er hat oft Kohlen⸗, Koks⸗ und Tabakſtaub eingeatmet. Er hat an ſeinem Anzug Blutſpuren mit dem Meſſer und ſeinen Finger⸗ nägeln abgeſchabt und iſt mit dem Halstuch der Ermordeten und mit ihren Haaren in Berührung gekommen. Als dann die weiteren Erhebungen noch ergaben, daß der Angeſchuldigte einige Zeit in einem Gaswerk und in einer Sandgrube gearbeitet hatte und ein Schnupfer war, war an ſeiner Täterſchaft nicht mehr zu zweifeln und der Angeſchuldigte geſtand auch unter der erdrückenden Wucht der Indizien die Tat ein. So führen auch jetzt wie früher Indizien manchmal ein Geſtändnis herbel, aber nicht durch rohe Gewalt, ſondern durch die Macht wiſſenſchaftlich erwieſener Tatſachen, deren ſich weder der Richter noch der Angeklagte ent⸗ zliehen kann. wirtſchafflſches und Soziales Verkehrsfragen In einem Rundſchreiben an ſeine Mitglieder macht der Badi⸗ ſche Berkehrsverband Karlsruhe bemerkenzwerte Mit⸗ teilungen über eine Reihe bedeutſamer Verkehrsfragen. Auf die Ent⸗ ſchließung des Badiſchen Verkehrsverbandes wegen der Vertre⸗ tung Badens in der künftigen Reichsbahn.⸗G. teilte das Badiſche Staatsminiſterium mit, daß ſofort nach Bekannt⸗ werden des Sachverſtändigen⸗Gutachtens entſprechende Schritte bei der Reichsregierung unternommen wurden. Ebenſo decken ſich die Bobiſche des Badiſchen ee e mit den 4 der Badiſchen Regierung auf Auſhebung des Sichtvermerkszwanges für Reiſen aus dem Ausland nach Deutſchland. In Verbindung mit der und dem franzöſiſchen n⸗Gutachtens Die Flecken erwieſen ſich als Naſenſchleim. Dieſer enthielt Tabak⸗ 2 Verlangen nach Verlängerung der zollfreien Einfuhr aus dem Elſaß nach Deutſchland will der Verkehrsverband erneut eine Erleich⸗ terung des Verkehrs mit dem Elſaß zu erreichen ſuchen. Der für die Reichsbahn verloren gegangene Verkehr Holland Schweiz-Italien ſoll mit Wiederaufnahme des direkten Zug⸗ verkehrs und direkter Abſertigung bei Anpaſſung der Tarife an die einksrheiniſchen Strecken und Beſeitigung aller Paßſchwierigkeiten wieder zurückgewonnen werden. Die Wettbewerbsſähigkeit der deut⸗ ſchen Hotelinduſtrie muß durch Wegfall jeglicher Sonderbelaſtung einer Sicherſtellung erfahren. Für ausländiſche Kraftwagenfahrten in Deutſchland wird gleichmäßige Behandlung auf der Grundlage der Gegenſeitigkeit verlangt. Hinſichtlich des Eiſenbahnverkehrs wird neben der allgemeinen Beſchleunigung des Schnellzugsverkehrs und der weiteren Ausgeſtaltung des Fahrplans(Schwarzwaldbahn, Frei⸗ burg⸗München) die Einführung von Fahrpreiser ma gig⸗ ungen gewünſcht(u. a. für Reiſen zu Erhelung⸗zwecken, für Ge⸗ fellſchaftsfahrten von mindeſtens 30 Perſonen). Es ſollen die Sonn⸗ tagskarten bis Montag gelten und Verwaltungsſonderzüge, mit Sonntagskarten benützbar, nach dem Schwarzwald und anläßlich von größeren Veranſtaltungen nach den Städten geführt werden, der Triebwagenverkehr ſoll möglichſte Förderung erfahren. Nachdem die Eiſenbahnfahrpreiſe unter Hinwels auf das Ausland bis auf 50 Prozent über den Friedensſtand gebracht wurden, erſcheine ez billig, auch die vielſeitigen im Ausland beſtehenden Reiſevergünſtigungen dem deutſchen Reiſeverkehr zukommen zu laſſen. Zwecks För⸗ derung des Reiſeverkehrs im Spätſommer und Herbſt iſt ein vierfarbiges WerbeplakatHerbſt im Bodnerland herausgegeben und in weiteſtem Umfange verbreitet worden. Ein umfangreiches Werbeprogramm iſt für den Winter 1924/½5 vorge⸗ ſehen. Für Sommer 1925 iſt die Neuausgabe verſchiedener Werbe⸗ ſchriften in deutſcher, engliſcher und ſpaniſcher Sprache ſowie des bewährten Hotelführers für Baden geplant. Die Aus⸗ landreklame ſoll hauptſächlich mit Unterſtüzung der über 300 Vertretungen des Mitteleuropäiſchen Reiſebüros und mit Hilfe der amtlichen deutſchen Vertretungen im Ausland durchgeführt werden. Städtiſche Nachrichten Neue Mannheimer Jeitung In der geſtrigen Abendausgabe wurde unſeren Leſern ſchon mit⸗ geteilt, daß unſer Blatt nunmehr den TitelNeue Mannheimer Zeitung trägt. Mit dieſer Aenderung iſt gleichzeitig eine weſent⸗ liche Aenderung in der Beförderungsart verknüßpft. Die Vororte und teilweiſe das umliegende Intereſſengeblet werden durch zwei Automobile, Benz u. Protos, beliefert. Die vorliegende Nummer iſt zum erſtenmale auf dieſe moderne Art den Leſern zugeſtellt worden. Man wird die Beförderung der Zeitungspakete mit dem ſchnellen, vom Eiſenbahnfahrplan völlig unabhängigen Auto als einen in die Augen ſpringenden Fortſchritt empfinden, der den weit draußen im Verbreitungsgebiet wohnenden Bezieher in die Lage verſetzt, dieNeue Mannheimer Zeitung gleichzeilig mit dem Leſer in der Stadt in Empfang zu nehmen. Wir ſind der Ueberzeugung, daß allein ſchon dieſer Vorzug unſerem Blatt neue Leſer zuführen wird. Wenn man ſich vergegenwärtigt, mit welcher Spannung in den Jahren vor dem Kriege die illuſtrierte Wochenbeilage erwartet wurde, ſo darf man annehmen, daß die wertvolle Vereicherung, die die Neue Mannheimer Zeitung durch die achtſeitige IluſtrierteBil⸗ der der Woche erfährt, den lebhafteſten Betfall aller Leſer fin⸗ den wird. Die in Offſetdruck hergeſtellte Veilage, die regelmäßig jeden Freitag Vormittag beigelegt wird, erhält eine beſonders ori⸗ ginelle Note durch die vorgeſehene Illuſtration lokaler Vorkomm⸗ niſſe und ſolcher aus dem ganzen Verbreitungsgebiet. In der erſten Nummer werden unſere Bezieher die Bilder einer Anzahl Mit⸗ glieder unſeres Nationaltheaters(Opern⸗ und Schau⸗ ſpiel⸗Enſemble) finden. Leider war es nicht möglich, die Bilder ſämtlicher Solokräfte zu erhalten. Es iſt aber beabſichtigt, die fehlen⸗ den in einer der nächſten Nummern zu veröffentlichen. Herbſttage in Mannheim Die lachende Sonne, der blaue Himmel, die ſommerliche Tem⸗ peratur täuſchen nicht darüber hinweg, daß wir uns mit Rieſen⸗ ſchritten dem Herbſt nahen. Man braucht nur die Kaſtanien im Weichbild der Stadt zu betrachten. Das Laubwerk hat ſich ſchon roſtbraun gefärbt. Wie lange wird es noch dauern, bis die Bäume völlig kahl daſtehen. Auf dem Zeughausplatz iſt alljährlich die intereſſante Veobachtung zu machen, daß um dieſe Zeit ein zweites Grünen beginnt. Johannistrieb! ſagen ſich die Paf⸗ ſanten, wenn ſie ſich den Naturſcherz betrachten. Das Kaſtanien⸗ bäumchen an der öſtlichen Ecke des Zeughausplatzes ſteckt alljährlich zweimal Kerzen auf. Diesmal iſt es noch im Rückſtande. Aber die warme Witterung wird zweifellos das bisher Verſäumte nach⸗ holen laſſen. Nicht nur die Vegetation belehrt uns, daß ſich der Sommer zum Abſchied rüſtet. Bei einem Gang durch die Straßen begegnet man auffallend vielen Kohlen⸗ und Koksfuhrwerken. Es gilt, den Winterbedarf an Vrennmaterial in den Kellern zu bergen. Nee eeeeeeee Weeeeeeeeeine TTTT n N. ., Wenn wir zuſammen halten, werden wir den Teufel aus der Hoölle ſchlagen. Wir müſſen uns daran gewöhnen, in jedem Deutſchen 159 duerſt den Landsmann und nicht den politiſchen zu ismarck. SGBiographiſches über Karl Haider Von Eruſt Haider(München) Sonntag, 21. Septe:nber findet die Eröffnung der Karl⸗Haider⸗Gedächtnisausſtellung in 115 der Mannheimer Kunſthalle ſtatt. Wir ſind in der Lage, unſeren Leſern eine Lebensbeſchreibung des Künſtlers aus der Feder ſeines Sohnes zu bieten. Rein Vater, Karl Haider, wurde am 6. Februar 1846 in zen geboren als der Sohn des Leibjägers und Jagdzeichners 8 ar Haider. Dieſer war Autodidakt in ſeiner neben dem Beruf Wesbeabten Kunſt, ein Mann von viel Humor, einer trefflichen ga gachtungsgabe und einer beſondern Fähigkeit in der Wieder⸗ di e der Bewegungen von Tieren und Menſchen. Er zeichnete el für dieFliegenden Blätter. Die Mutter meines Vaters, 2 ereſe Fäßler, war als Kind mit ihren Eltern, Handwerksleuten 2 Süd⸗Baden, im Anfang des 19. Jahrhunderts nach Bayern usgewandert. In Frotzhofen bei München ließen ſie ſich als dgern nieder, dort lernte Thereſe den Jäger Max Haider kennen. gwei Söhne, Max und Karl, gingen aus ihrer Ehe hervor. Karl uung beſonders an der Mutter. Von ihr hat er auch das ziefe diezum Großen veranlagte Gemüt geerbt, ſie gab dem Kind der bedeutungsbollen Unterſtrme zu den bildenden Fähigkeiten iind Hand. Von Muſik und Dichtung konnte die einfache Frau Ber nerſten ergriffen ſein. und ein ſicherer Inſtinkt ließ ſie das Ldentende vom Geringeren ſcheiden. ſow Karl zeigte ſchon als Knabe ſtarke künſtleriſche Veranlagung, 99 8 ohl in der bildenden Kunſt als auch in der Muſik. Sein Vater ol ihn in Geſang und Klavierſpiel unterrichten und wollte, er 0 e Chorſänger werden. Es ging gegen ſeinen Willen, als ſich ß Sohn endgültig zum Malerberuf wandte. Aus ſeinem. ae ſtammen die erſten Zeichnungen. Unmittelbarkeit und hkeit der Naturbeobachtung waren das beſte Teil, was er 2. bon einem Vater übernehmen konnte. Mit dem 20. Jahr zeigt ſich orde n Zeichnungen ein perſönlicheres Moment eine außer⸗ Sdontliche Zartheit und Eindringlichkeit, die ganz abweicht vom eich des Vaters. Erſt auf einige Oelbilder hin(Moorlandſchaft n, Betende Alte 1869) gab nun auch der Vater ſeine Zuſtim⸗ Ming zum Beruf des Sohnes. Von 186165 war Karl an der 5 8 chner Akademie d. h.., zeichnete aber lieber und beſſer erhalß der Schule. Förderung, wurde ihm keine von ſeinen ſrern Hiktensperger und Anſchütz, wie er ausdrücklich betonte. Die Natur und die alten Meiſter waren ſeine Lehrer.Die Alten haben mich mit der Naſe auf die Natur geſtoßen, mit der ſie ſelber immer in enger Verbindung waren, ſagte er. Weſentlich in ſeiner lkademiegeit war natürlich die gegenſeftige Anregung von gleich⸗ ſtrebenden Freunden wie A. Oberländer und W. Leibl. Der Kreis von ganz bedeutenden Talenten, der um 1870 in München be⸗ ſtand darunter Schuch, Trübner, Thoma uſw. ſah damals nach meines Vaters ſowie Thomas eigener Aeußerung, den ſo fruh(1871) verſtorbenen Viktor Müller als eine Art geiſtiges Oberhaupt an. Er war der Einzige, der gegen die herrſchende Clique die Sache dieſer Außenſeiter mit voller Kraft vertreten konnte, er ſetzte ſich beſonders für meinen Vater ein. Auch Hans Thoma wurde meinem Valer einer der beſten Freunde fürs Leben. Sie ſahen ſich ſelten, aber viele Briefe zeugen von ihrer Weſens⸗ verwandtſchaft. Zu Leibl, mit dem ſich die Freundſchaft ſpäter lockerte, trat mein Vater immer mehr in künſtleriſchen Gegenſaßz. Das oft Raffinierte in der Malerei und die immer fanatiſchere Naturwiedergabe wurden ihm, bei aller Achtung vor ſeinem Können, zuwider, ſagte er. Ihm war Ausdruck des inneren Erlebens ober⸗ ſtes Ziel, wie er überhaupt, bei manchem Einfluß von außen, doch ganz ſeine Richtlinien in ſich trug. Im Jahre 1875 heiratete er eine Münchner Bürgerstochter, Katharina Brugger(Porträt 1875). Sie war einfach und gemütvoll, hatte feſten Glauben an ihren Mann und hat während der 8 Jahre dieſer glücklichen Ehe auch alles Schwere mit ihm auf das Selbſtloſeſte geteilt. Im Winter 7576 waren ſie in Florenz, wo ſie viel mit Böcklin ver⸗ kehrten. Kathrin hatte ein kleines Vermögen in die Ehe mit⸗ gebracht, das im Verlaufe von einigen Jahren aufgezehrt war. Verkaufen konnte mein Vater faſt nichts. Kritik und Ausſtellungs⸗ Jurh behandelten ihn geradezu mit Feindſchaft und ſo kamen Zeiten für ihn, in denen er, mit einer Mappe Zeichnungen ſeines Vaters unter dem Arm, zu vermöglichen Leuten gehen mußte, um ein paar Mark für den Lebensunterhalt zu bekommen. Ein Graf, erzählte er mir, hat ihm einmal auf unfeine Art ein Al⸗ moſen von 10 Mark geben wollen, die warf er ihm auf den Tiſch, packte die Zeichnungen und ging. Ein paar treuen Freunden iſt es zu danken, daß er die bitterſte Not, die beſonders nach dem Tode ſeiner Frau(1882) eintrat, überleben konnte. Vor allem war es der Zoologe Profeſſor Auguſt Paulp, der alles mit ihm teilte und, begeiſtert für den Menſchen und ſeine künſtleriſche Beſtimmung, unermüblich für ihn geworben hat. Ein Tagebuch Paulys iſt Zeug⸗ nis dafür, wie er die Bedeutung meines Vaters erkannte. A. W. Keim, der Maltechniker, A. v. Perfall und beſonders auch A. Bahers⸗ dorfer, der als Hiſtoriker doch ſo lebhaft an der neuen Bewegung teilnahm, ihm ihre Freundſchaft und Hilfe. Sie haben Konrad Fiedler an Marees. jahrelang, in ihren Grenzen, kein Geringeres an ihm getan als * Die Farbe war meinem Vater, bei größtem Feingefühl füe ſie, dochnicht Selbſtzweck, ſondern ausdruckerköhendes Moment. Die Form war ihm das Primäre und Unerläßlichewas hilftg mir die ſchönſte Jarbe, wenn ſie am unrichtigen Fleck ſitzt? ſagte ſer. Starke Sonne ſtörte ihm nur die Klarheit und den Gehalt der Form in der Landſchaft, ſowie die reine Tieſe ihrer Lokalfarbe. Letzten Endes war ihm eben Farbe und Form, ſowie überhaupr das Sichtbare der Natur, Mittel zum Zweck, um ſein Erleben dichteriſch geſtaltend zum Ausdruck zu bringen. Dabei ſtudſerte er aber während der Arbeit viele Bilder entſtanden zuletzt über⸗ wiegend aus der Vorſtellung ununterbrochen und mit größter Eindringlichkeit die Natur. Souveräne Künſtlereitelkeit der Schöp⸗ fung gegenüber beſaß er nicht. ſondern Ehrfurcht. Dichtung und Muſik bewahrten den Einſamen vor Verbitterung. Die Muſik hat ihn oft zur Arbeit geſammelt und erhoben, indem er ſich ernſte, feierliche Präludien und Fugen von Bach auf dem Klapier ſpielte. Bei mäßiger Technik war er im Spiel doch von einer kongenialen Erfaſſung des Weſentlichen. Die ſtrenge Architektonik und Rhythmik des Aufbaues ſeiner Bilder wurde zum ſichtbaren Zeichen dafür. Bayersdorfer ſagte einmal, ſeine Bilder ſeien von giottesker Größe und mag dieſer Ausdruck auch etwas über⸗ ſchwänglich ſein, ſo trifft es doch etwas Richtiges: gemeint iſt die in der modernen Kunſt faſt einzigartige Verbindung zweier Eigen⸗ ſchaften, einer kindlich einfältigen Reinheit mit männlicher Größe und Intenſivität. Ende der 8b0er Jahre ſchloß mein Vater Die Verſchiedenheit der Charaktere, die er zur Trennung und auf lange hinaus zu den ſchwerſten ſeeliſchen Erſchütterungen führen. Die Steigerung des Ausdrucksgehaltes ſeiner Bilder ins Monumentale entſprang aus der Erbebung über das Schickſal. Aus dem Glaspalaſt wurden die Bilder entweder zurückgeſchickt oder ſie wurden dort totgehängt, die Kritik konnte über das Unmoderne und in manchem ſicher Schwerfällige ſeiner Technik er ſelbſt beneidete Thoma und andere um ihre Gewandt⸗ heit nicht hinwegkommen und für das andere fehlte ihnen das Organ. Doch begannen feinfühlige Sammler, wie der Dichter W. Weigand, und immer mehr deutſche Galerien ſeine Bilder zu er⸗ werben. Aber es dauerte bis über ſein 60. Lebensjahr, daß die materielle Sorge aus ſeinem Hauſe wich. Anfangs der gber Jahre hatte er ſich gleichſam das Tiſchtuch zwiſchen ſich und der Großſtadt durchſchneidend in die Stille der bayeriſchen Vorberge nach Schlierſee zurückgezogen und dort wieder große Vertiefung für ſeine Arbeit gefunden. Mit Unterſtützung ſeines Schwagers Grein⸗ wald konnte er ſich dort ein einfaches Häuschen bauen. Eine große Kollektivausſtellung ſeiner Arbeiten im Winter 191011 in der Münchner Sezeſſion(mit Zügel zuſammen als Gegenſatz) zeigte zum erſtenmal voll ſeine Bedeutung. Im ſelben Jahre wurde ihm eine zweite Che. u ſpät erkannte, mußte 85