Drreee Auntag, den 8. Dezember 1924 * Blick ſein ka Neue Mannheimer Jeitung[Morgen⸗Ausgabe) 5. Seite. Nr 50 Montags⸗Moſaik beute ſehen wir die Wahlplakate ganz anders als geſtern 5 Gefühl des Vorbei iſt unabweisbar. Wenn aber ſo der cht mehr wie vor kurzem noch von Für und Wider abhängig un, dürfen wir umſomehr einmal Rechenſchaft darüber ab⸗ beſtehe was an rein künſtleriſchem Wert an dieſen Säulen weiter do nun auf unſeren heutigen allgemeinen Zuſtand keinen cr. zulaſſen; denn zu allen Zeiten ſind derartige Werbemittel aueeimen beſonderen künſtl. Inſpirationen begleitet geweſen. Das man doch Anzi 85 was ſich einen beſtimmten Platz in der Geſchichte erhalten en mehr oder weniger witzige ſatyriſche Einfälle, von denen tentteht. daß auch ſie ſich einmal überlebt haben werden. Und ann ich mir denken, ohne mich dem Vorwurf eines lauen Aeſthe u betentume auszuſetzen, daß die Entwürfe zu ſolchen Plakaten gendwelchem fernen Zeitpunkt von wirklich künſtleriſchen Ein⸗ ebun 5; igen abhängig ſein dürften; ich gehöre nicht zu denen, die und ſch5 es ei weder led ein, u 83 un, dicke undere L eineg * unſerem M̃ de abrheit N. mie nuinen, daß es bis dahin ſchon gar keine Parteien mehr gibt, auch die Meinung teile ich nicht, die da glaubt, daß eines nen Tages unſere Kunſt begraben ſein wird. Nein, ſolange n Streben der Menſchen gibt, wird beides nicht untergehen: die Parteiung noch die Kunſt; ſtirbt das ſtrebende Bemühen eines Tages, dann bricht die Menſchheitsdämmerung her⸗ naufhaltſam. Nur dürfen wir eines nicht vergeſſen, nämlich olch ein„Untergang“ unmöglich von denen empfunden werden die glauben, ſelbſt darin zu ſtehen, auch wenn ſie noch ſo Bücher darüber ſchreiben. Darüber wird einſt ein ganz r Richter die Wage halten: die Zeit. Den Gedanken an hat zein Wahlplakat wachzurufen gewußt, und doch gibt es das ihr ein höchſtes Amt zuerkennt. Es befindet ſich in annheimer Schloß und heißt die„Entſchleierung icht ſehr zutreffend heißt es ſo; denn nicht daß, ſondern bier die Wahrheit entſchleiert wird, iſt der große, tiefe und ur die Zeit der Entſtehung des herrlichen Bildes ſo überraſchend eue dänzt e heit de genftande zu machen, daß nicht Kunſt und nicht Wiſſenſchaft Schleier von der Wahrheit milchweißer Geſtalt wegzuziehen den Gedanke. Der Name des Gemäldes müßte unbedingt er⸗ werden und heißen: die Entſchleierung der Wahrheit durch eit. Das iſt doch der großartige Gedanke, die tiefe Wahr⸗ s Bildes, das ſich erkühnt hat, die Wahrheit ſelbſt zu ſeinem dermz 8 rmögen, ſondern einzig Vater Kronos, die Zeit! Und ſo ſitzt neſer ing man erſt 8 und 8 hat Vild ſchei nen; ſolch zunächſt die Geſchichte, der die Philoſophie die Beſinnung ähr raunt. Auch dies ein gewaltiges Gedankenbild, wenn bedenkt, daß dieſe Verquickung ſich im damaligen Abendland iſt ja ſeit neueſtem ſtreng verboten, noch Europa zu ſagen— u der Zeit der Entſtehung des Gemäldes durchgerungen hat, er Mann, der hier die entſcheidenden Anregungen gegeben gerade zu der Zeit die betreffenden Werke ſchrieb, als das Krahes entſtand: Voltaire. a, die Zeit wird die Wahrheit enthüllen, die Zeit darüber ent⸗ n, was von unſerem Tagwerk einſt wird beſtehen bleiben kön⸗ und es iſt vielleicht von einem gewiſſen Nutzen, ſich in einer den Stunde darauf zu beſinnen, eingedenk des Repräſentanten 9 reichen und tiefen, leider, leider immer noch nicht in ihrer n lebe 18 Mit gheſter an ſe in d bezie itn e de 5 1 ſuter dch ön en T ſhrden Größe auch von Fernſtehenden gewürdigten kulturhiſtori⸗ Schätze unſerer Stadt, die keine Archivalien, vielmehr ndige Zeugniſſe von bleibendem innerem Wert ſind. Zeit vr Waßrheit— unter dieſer Verbindung kann man, ausgehend den großartigen ue, die ganze Geſchichte unſerer Stadt ſeſen dem, wodurch ſie kulturell bedeutſam wurde, zuſammen⸗ Das wollen wir zu einem Zeitpunkt ausſprechen, der uns n wieder an der ferneren Bildung unſeres Geſchickes, jeder mem Platz, mitwirken ließ * 0 Es dürfte der Oeffentlichkeit nicht entgangen ſein, daß es er letzten Zeit, abgeſehen von allem, was man ſonſt noch darauf hen könnte, hier ganz taifuniſch zuging. Wie alles, ſo ausünt das vorbeigegangen, aber der Reiz, den der ferne Oſten Fadten urückgeblieben. Und ich kann es ſchon wieder be⸗ japaniſche und chineſiſche Lhrik gekauft und mit Weihnachten geſchenkt wird, daß jede höhere Tochter en, da in baz dem Lao⸗Tſe herläuft, als ob die Seligkeit davon abhinge, ewige Einerlei des Tao⸗te⸗King gedrungen zu ſein. Gegen jefe und Weite wollen wir gar nichts ſagen; aber haben Dirſich ſchon einmal die Nachläufer überlegt, daß es von dieſen unge aaolkke deweichen 7 ein in kude Heen bee vor denen kriechen, die über ihnen ſtehen, treten ſtets die. wer du Handl ans Neuc „ A ee Waneme etwa dreißig Ueberſetzungen gibt, die nicht nur dem aut, nein auch dem Sinn nach vollſtändig von einander Daß, um wirklich in dieſe Dinge einzudringen och einen diel dornenvolleren Pfad zurücklegen muß als den, ide gebundenes Büchlein in das zarte Pfötchen zu nehmen. uf manchem Weihnachtstiſch werde ich Märchen der Boto⸗ und Suntaneger erblicken, daneben Liebesgedichte der Kir⸗ und Hochzeitslieder der Südſeeinſulaner; das wird dann Buckle. mit Füßen, welche unter ihnen ſtehen. Berliner Muſikplauderei Von Oscar Bie Nächtlichen heißt die neue Pantomime, die Max Terpis in Stoatsoper uraufgeführt hat. Ein Sput von Geſtalten, die de ſchleichen. Dämmerung, Stille, Sehnſucht. Sczat ⸗ ngſt, Dämonen, Leidenſchaft und Erwachen. Es iſt keine inbaren Dramas, es iſt eine Tanzſymphome, Stile. Gewiſſe Bewegungsvorſtellungen ſind der der einzelnen Rummern und werden in Licht und Farbe zu ichen Erſcheinungen. Licht und Farbe waren wundervoll in chenhaſten Zauber der Pirſchanſchen Dekorationen, die nur ſung wentte Vorhänge benutzten und 1 durch verſchiedene Beleuch⸗ bracht n zenen dauernd veränderten uſtand räumlicher Viſionen Vahnen. Solche traumhafte Schönheit hat man ſelten auf einer öhee geſehen. Die Ta elbſt ſtande r. 10 der 900. Es 298. Weend e ee ſe— cat s war wal wird einmal wurde dieſer one Muſik getan chen en chien ke Fryr *. r ft cht ub 9 e8 85 55 ccufeenſch oder revovultonär, ſondern, ich möchte ſagen, mehr jed gigbenz verſtandnen modernen Muſie, wapon nur die gute Abſicht 90l eb, unſer Bublikum in dieſe ko don ommer. Falehnkcer Willen⸗ während ſie ſchon Bankrott ſind, mit leer und monoton. Es war kein rhychmiſcher Zwang. es ganz gefährlich. Eine Geſpenſternummer Sogar die Orcheſterlichter verlöſchlen. In umheimlichem Stille trippelten da ein paar ungeſchulte Perſön⸗ Zuf der Bühne umher und erweckten ſtatt Grauſen vielmehr Wpeſende das ſich ſteigerte, in Pfeifen überging und einige Bemerkungen der Gaberie hervorlockte. Im übrigen dee Mufik von Welleſz auch ſehr geeignet, das Publi⸗ zu intereſferen. Sie arbeitet teils nur mit rhuthmiſchen In⸗ Iten, teils im Charakter modernſter Abonalifät, aber doch es ein Abend der Geſpen⸗ belleriſch und eklektiſch. Alſo war b konnten Tanzerei und einer em Sinne, einer nicht ganz Kunſtgenre zu erziehen, das den Aufführungen der in einer größeren Voll⸗ gbeit in Erinnerung hat. m bischen geſpenſtiſch erſcheint mir das ganze hieſige Muſik⸗ Guter Wille, ſchlechde Mittel und ein dräuendes Publikum. nach der Volksoper. Dle armen Leute ſitzen da und dem Reſte ihres guten wehr ds, auf Teilung. Es wird ſo ſnge Hgen bis die Miete nicht vektor bſt Läſ J 0 00 gezahlt werden kann. Der Di nge vat ſich zurückge⸗ zund wartet auf ſein Schichſal. Das Deutſche Opernhaus, in größten Nöten, hat eine furchtbare Angſt vor der Auf⸗ der Volksoper, weil dann die beſſeren Mitglieder dieſes Hau⸗ ihm herüberkämen und die eignen ns⸗los würden. Es n kann; und wir geſtehen uns, daß es herzlich wenig iſt. alles ſehr verdienſtvoll ſein. Nur befürchte, ich, wenn ich bitte jetzt erzähle mir einmal die Sage von den bdier Hayhmonskindern, auf ein gleich verdutztes Geficht zu ſtoßen, wie bei der Frage, od die intime jugendliche Vertraute mit Li⸗tai⸗Pe mir etwas wirklich Empfundenes aus der Lektüre von Lenaus Lyrik zu ſagen weiß. Daxan wird aber kein Menſch etwas ändern. Umſomehr ſind wir verpflichtet, es anzuerkennen, wenn uns der ferne Oſten etwas wirklich Wertvolles und fruchtbringender Beſchäftigung Zuzuführendes übermittelt. Dazu gehört das Meh⸗ Jongg⸗Spiel, trotzdem es uns von Anglo⸗Amerika aus im⸗ portiert wurde. Zunächſt ein Spiel, in dem auch einmal ein Wind weht; die bevorzugte Windrichtung iſt der Oſten, wobei wir uns ſehr gut anſchließen können, da der Oſtwind bei uns bekanntlich am erſten den Regen zu vertreihen bermag. Nun iſt das in China allerdings gerade umgekehrt; denn dort bringt er Regen, deſſen Ausbleiben ſtets eine große Beunruhigung für die zur Zeit auch anderweitig in Aufregung verſetzte Bepölkerung darſtellt. Noch bis in unſere Tage hinein iſt es geſchehen, daß der fehlende Regen Anlaß zu ſehr ernſthaften Zeitungsartikeln war, die unbedingt den angenommenen Grund für das Fehlen des koftbaren Naß be⸗ ſeitigen wollten. Die Götter der Winde ſpielten in China ſeit jeher eine große Rolle. Umſo erfreulicher erſcheint es, daß ſie, wie das Oſtwindexempel aus dem Mah⸗Jongg zeigt, mit uns in gar keinen Konflikt zu treten brauchen. Wie an dieſem windigen Beiſpiel, ſo ließe ſich noch an manchem andern zeigen, wie ſinnreich das Spiel mit unſeren Gepflogen⸗ heiten verknüpft werden kann, ohne ſich dieſer zu entäußern. Was aber vielleicht das Schönſte daran iſt: es kann von Kindern und Greiſen mit gleichem innerem Gewinn geſpielt werden, da es un⸗ zählige Kombinationen und Erweiterungen geſtattet, dem Zufall ſowohl wie den Ergebniſſen ernſter Ueberlegung den größten Spielraum läßt— kurz vieles hringt und ſo manchem etwas bringen wird. Nur ſoll ſich der, der etwas gewinnen möchte— und wir alle wollen, wenigſtens beim Spiel, etwas gewinnen— hinſichtlich der Abrechnung, die auch eintreten kann, vorſehen: denn auch der Gewinner hat nicht immer endgültig gewonnen! Das iſt vielleicht das Wahrſte an dem Spiel. Spiele gehören zu den Winterabenden. Und doch iſt es immer ſchauen, wo die Abende im Familienkreis hingeraten ſind. Unſere Stadt bildet inſofern eine gar rühmliche Ausnahme, als es nicht mehr viele Plätze geben wird, an denen ſich die Pflege der Haus⸗ muſik einer ſolchen Blüte erfreut wie hier. Aber trotzdem wühlt unſere unruhige Zeit an der Grundlage des Zuſammenſeins am heimiſchen Herd; das iſt die Ruhe. Aber eigenartigerweiſe hat eine unſerer großarkigſten Neuerungen in dieſer Beziehung wieder gerade das umgekehrte Reſutat erzielt: der Radiol Leider iſt es wohl in Mannheim nicht möglich, den Radio wie z. B. in Frankfurt für wenige Mark zu einem ſpeziell ſtädtiſchen Haus⸗ gerät zu machen und einen Sender innerhalb unſerer Mauern einzurichten. Es iſt gar zu nett, wenn Ahne und Kind in der warmen Stube zuſammenſitzen, den ſchwarzen Hörer am Ohr, den Strickſtrumpf in der Hand, der auch wieder durch den Radio zu ungeahnten Ehren gekommen iſt, und dem Märchenerzaähler lau⸗ ſchen oder einen Vortrag über die neueſten Erfahrungen mit Kuchenbacken ohne Mehl anhören. Aber zur häuslichen Seligkeit gehört auch die Antenne und der Empfangsapparat nicht. Hingegen eine Inſtanz, an die wir bei dieſer, nun doch einmal ſchon weihnächtlich geſtimmten Gelegenheit appellieren. Das ſind die jungen, heranwachſenden Hausmütterchen. Die haben ſich in letzter Zeit einen Sport zugelegt, den leider gewiſſe unſerer In⸗ ſtitutionen unterſtützen, der aber drauf und dran iſt, ein Volksübel zu werden, und das umſo mehr, weil niemand darauf achtet. Ich meine nichts anderes, als, wie ich es nennen möchte der Pſycho⸗ logiefimmel, der immer mehr überhand nimmt. Junge Mädchen, die aus Intereſſe an Fragen der Erziehung und Bildung Stätten der Belehrung aufſuchen, werden hier mit einer pfychologt⸗ ſchen Koſt ernährt, die zunächſt nicht anderes zur Folge haben kann, als neben einer bedauerlichen Verwirrung der Begriffe zugleich eine maßloſe Ueberſchätzung dieſer doch nur ſehr beſchränkt auf Fachkreiſe anwendbaren Wiſſenſchaft. Da kommt man dann in irgendeiner Geſellſchaft neben eine junge Dame zu ſitzen und nach drei Minuten Unterhaltung geht es los: huch, das iſt doch ſo inter hfant mit der Pſychologie, einfach fabelhaft, was man ſich da alles erſt erklären kann; ſagen Sie, haben Sie ſich auch ſchon einmal mit Pfychologie beſchäftigt..„ wiſſen Sie, wir haben ſo einen famoſen Lehrer, und überhaupt iſt das ſo wichtig, nicht wahr.. man kennt die Menſchen doch erſt wirklich, und dann die Kinder.. ach, wie intereſſant, den Vorſtellungsablauf, die kind⸗ lichen Aſſoziationsbildungen, die Raumvorſtellung in ihren An⸗ fängen zu beobachten, fabelhaft Rabindranath Tagore hat einmal ein Buch geſchrieben: doz Heim und die Welt. Wenn einer der Unſern ſo etwas gemacht hätte, wäre er mit Recht und Glanz aus dem erſten beſten Ver⸗ lagsbüro hinausgeflogen. Aber vielleicht ſetzt ſich einmal bei uns ſemand, der Zeit hat, hin und ſchreibt ein rot eingeſchlagenes Buch: das pſfychologiſch durchdrungene Heim und die ſonſtige von den Pfychologen verkleiſterte Welt. Leider kann es vor Weihnachten nicht mehr erſcheinen Autolykus. ſucht krampfhaft ſich zu ſanieren, mit einem meuen Dirigenten. So grauſam es iſt, und ſopiele Exiſtengen dabei zu Grunde gingen, es wöre ſchon das beſte, dieſe beiden Theater krachten erſt einmal ganz zuſammen, ehe man eins von beiden wieder neu aufbaut. Nur ſo eſt eine Geſundung müglich. Es iſt zuviel Unglück dabei geſchehen. Ein Mann wie Leo Blech iſt einach ausgeſchaltet worden. Er wäre nach Wien gekommean. Aher ſein Proteltor Strouß wurde in dem⸗ ſelben Augenblick dort geſtürzt. Das kommt davon, wenn man Opernhäuſer nach Aktienpaketen leitet. Spreche ſch zunzel von Muſik? Ich glaube, es iſt die Kunſt, die hier die Gemüter am meiſten in Aufregung hält. Etwa eine Ausſtellung von Toulouſe⸗Lautrec bei Mathieſſon, oder von Hodler bei Caſſirer, oder von dem Spanier Togores bei Flechtheim— das beſchäftigt wenige Menſchen. Es iſt nur intereſſant, daben zu ſehen, wie die Ausländer wieder hier in jedem Fach einziehen. Nein da mußte man den Beifall vergleichen mit dem Stracciari ſich hier von der Oper verabſch'edete. Es war eine Rigolettoaufführung, in der alles wieder gut gemacht wurde, was beim Barbier verbrochen war. Die Gildaarie der Capfſir und das Racheduett erzeugten ſolche Stürme vgn Applaus, daß ſie wiederholt werden mußten. Ja, härte man damit angefangen! Uebrigens weiß Stracciari ganz gut Be⸗ ſcheid. Er war erſtaunt über den hohen Stand der hieſigen Oper. Er gab zu, daß ſeine Truppe wenig vorberettet hergekommen ſei. Er geſtand freimütig daß die deutſche Kunſt im Enſemble jetzt die Italiener glatt beſiegt habe. Aber die Italiener laſſen uns nicht los. Ada Sari, der neuſte Stern der Scala, iſt mit ungeheurer Re⸗ klame in unſer Konzertleben eingebrochen. Eine ſchöne und ge⸗ pflegte Stimme mit guter Koloratur, aber nicht eiwa ein Phänomen wie die Patti oder die Melba. Zu den Halbitalienerinnen gehört auch die Japanerin Teito Kiwa, die auch uns mit ihrer reigenden Butterfly beglückte, in der zu der trefflichen Mailänder Technik noch der große Reiz der ſeelenvollen Dramatik im Miniaturſtil ihrer Raſſe hinzukommt. Haben Ser ſchon den Komiker Grock geſshen, dieſe Weltberühmt'⸗ eit, die jetzt tauſende von auch in unſere Scala lockt? llle dieſen großen Kürmſtlererfolge ſind nichts gegen ihn. Der Mann ſingt, ſpielt Klavier, ſpielt Saxophon, ſpielt eine Miniaturgeige mit Handſchuhen, und geigt auf der Geige eines andern von der Seite noch mit hinzu. Er iſt ein großer Muſiker von ſiherzeugendem Humor, blendender Technik, hinreißender Geſtaltungskraft. Aber er iſt auch ein Menſch von Weltanſchauumg. Hinzer ſeinen Spüſſen ruht der Schmerz eines verkannten Künſtlers. Da er dabei immer beſcheiden und hüflich bleibt, entſteht eine Miſchung von ſo bezau⸗ ber der Konik, daß man etwa ſagen könmte: der Münchner Humoriſt Valentin, eine ähnlich rührende Miſchung von Menſch und Künſt⸗ ler, wird in ihm auf ein internttionales Format gebracht. Ja, da⸗ ein nicht gerade frei und ſelig machendes Gefühl, wenn wir zu⸗ es möglich geweſen, ſämtliche Nachzügler abzufertigen. Städtiſche Nachrichten wahlſonntag ſogar Jupiter Pluvius, von ſeine Neutralität aufgab und ſeit Wochen die Nicht⸗ Iſt's verwunderlich, daß geſtern dem allgemeinen Wahlfieber erfaßt, ſich auf die Seite der Parteileute ſchlug, die die Nich wähler an ihre Staatsbürgerpflicht erinnert hatten? Soviel iſt ſicher, daß mancher der Wahlurne ferngeblieben wäre, wenn ſich das abſcheuliche Regenwetter, das am Samstag den Auſenthalt im Freien zum denkbar ungemütlichſten geſtaltete, fortgeſetzt hätte. Wer etwas früher als gewöhnlich aufſtand, um ſeiner Wahlpflicht ſchon vormittags zu genügen, konnte nicht nur trockenen Fußes den Weg zum Abſtimmungslokal zurücklegen, ſondern wuͤrde ſogar von der Sonne begrüßt, die in der elften Stunde bei immer mehr aufklären⸗ dem Himmel, die Wolkendecke durchbrach und ſo freundlich als mög⸗ lich auf die lebhaften Bilder erniederlächelte, die ſich in Mann⸗ heims Straßen entwickelten. er buntſcheckige, bilderreiche Wahl⸗ kampf der Plakatſäule wurde am Tage der Entſcheidungsſchlacht durch die Propaganda mit dem Kraftwagen geſteigert. Wie vor acht Tagen erſchienen die 00 ſchwarz⸗weiß⸗rot und ſchwarz⸗xot⸗ gold in den Straßen. Der Jugendgruppe der Deutſchen Volks⸗ partei ſtanden zwei Kraftwagen zur Verfügung, auf denen, über⸗ all mit Jubel begrüßt, die alten Reichsfarben flatterten. Die Reichs⸗ bannerleute bedienten ſich des gleichen Propagandamittels. In echt amerikaniſcher Manier wurden ſogar Reden an das„verſammelte Volk“ gehalten. Als am Zeughausplatz ein Reichsbannermann ſein Sprüchlein ablas, fuhr ein Auto der Deutſchen Volkspartei vor⸗ bei, dem der Beifall zuteil wurde, auf den die Gegenſeite gerechnet hatte. Unbehelligt ſollten die ſchwarzweiß⸗roten Autos nicht bleiben. Als in der vierten Nachmittagsſtunde die beiden Kraftwagen mit einem Laſtauto der Deutſchnationolen in der Mitte die Straße paſ⸗ ſierten, in der ſich das Gebäude der kommuniſtiſchen„Arbeiter⸗ eitung“ befindet, wurden ſie plötzlich von link⸗ und rechts über⸗ fallen. Ein größerer Trupp ſtürzte aus dem Hauseingang des Druckereigebäudes. Es entſpann ſich ein Handgemenge, bei dem die Mannſchaft der drei ſchwarz⸗weiß⸗roten Autos, obwohl ſie bedeutend in der Minderheit war, die Oberhand behielt. Die Autos konnten ſich ſchließlich freie Bahn verſchaffen, wurden aber bis in die O⸗ Quadrate verfolgt. Ein junger Mann, der ſich auf dem deutſch⸗ nationalen Auto befand, wurde dermaßen über den Kopf geſchlagen, daß er längere Zeit bewußtlos war. Im übrigen ſind ſchwerere Verletzung nicht dorgekommen. Bezeichnend iſt, daß ſich unter der angreifenden Menge ein Mann befand, der einen Stahlhelm auß⸗ atte. Die Wahlbeteiligung war ſchon in den Vormittags⸗ ſtunden ſehr ſtark. Viele hatten mehr als früher die Mahnung beherzigt, frühzeitig den Weg zur Wahlurne anzutreten⸗ Wer erſt nach 2 Uhr das Haus verließ, mußte anſtehen. Vor zahlreichen Wahllokalen bildeten ſich lange Polonnaiſen; aber man fand ſich mit dieſer Unbequemlichkeit ohne viel Murrem ab, in der Freude über dieſe rege Aktivität der Wählerſchaft. Am ſtärkſten war wie immer der Zudrang in der ſechſten Abendſtunde. Hoffentlich iſt Ein pöllig ungewohntes Bild, das den Vorzug der Neuheit in Anſpruch nehmen darf, bot der Marktplatz. Tauſende hatten ſich hier verſam⸗ melt, um die Wahlergebniſſe entgegenzunehmen, die durch des „Neue Mannheimer Zeitung“ von dem Baſſermannſchen Hauſe pro⸗ jtzirt wurden. Da ein vorzüglicher Apparat zur Verfügung ſtand, konnten die auf der weißen Plane erſcheinenden Mannheimer Ein⸗ zelergebniſſe mit Leichtigkeit abgeleſen werden. Daß ſie ſchnell zur Kenntnis des Publikums gelangten, dafür ſorgte eine Anzathn Rechenmaſchinen, die uns von der Fa. Friedmann u. Seumer zur Verfügung geſtellt worden war. Infolge dieſer modernen Hilfs⸗ mittel war es möglich, in knapp zwei Stunden das Geſamtergebnis der Mannheimer Abſtimmung bekannt zu geben. Großes Intereſſe fanden auch die Kinobilder aus dem Zeitungsweſen, dis in den Pauſen über die Leinwand zogen. Inſere Leſer werden in den nächften Tagen Gelegenheit haben, den inſtruktiven Film in den hie⸗ ſigen Lichtſpieltbeaſern zu ſehen 720 1 Von dem Wahlfieber, das erſt verebbte, als die Abſtimmungs⸗ ergebniſſe allgemein bekannt wurden. profitierte vor allem die 125 5 9 Engelhorn& Surm ferrige Herren- und Rnaben-Nleidung vornehme Maffschneiderei Mannleim O. +6 Und die Fledermaus gehört auch dazu, die zu Gunſten der Preſſe die reizendſte Vorſteſlung wurde, die je diefe Opperette er⸗ leht hot. In fürf Minuten war ſie ausverkauft. Die Adele der Maſſary, der Eiſenſtein des Mariſchka, der Alfred des Slezak, den Froſch des Pallenberg— genügt das nicht? Der Zuſammenſtoß von Slegal und war gradzu aufreibend. Und wer diri⸗ gierte? Brund Walter, der dem unvergänglichen Werke immer noch friſchen Atem zuführte. Dieſer Mann iſt hier belieht wie keim andrer. Man wartet auf ihn, vielleicht nicht ohne Grund. Abends in einer Geſellſchaft ſpielt er die Fledermaus am Klapier. Seine ölteſte Tochter ſingt die Adele. Die Töchter ſind muſtkaliſche Raſſen⸗ menſchen ſtärkſter Gattung. Dann ſitzt die füngere am Klavier und begleitet die älbere Couplets und Schlager: Tutankhamen, toitoitoß und ſo eiwas. Leben und Kunſt löſt ſich in ſtelle Heiterkeit auf. Dieſe Nächtlichen bleiben lange zuſammen und fürchten keine Ge⸗ ſpenſter mehr. Theater und Muſik Mannheimer Nakionaliheater. Dieſes Jahr heißt der Mai⸗ käfer Summſemann Anton, Anton Gaugl, und macht„Peter⸗ chens Mondfahrt“ zu einer recht vergnüglichen Angelegen⸗ heit. Es fehlt ihm zwar neben dem ſechſten Beinchen, das der Mondmann verwahrt, noch ein bischen von jener charmanten Lie⸗ benswürdigkeit und humorigen Wärme, die den Summſemann des vergangenen Jahres ſo lange am Leben gehalten hat. Aber er wird auch erſt im recht kalten Januar ſterben und bis dahin noch viele, viele Kinderherzen erfreuen. Im ganzen ſonſt hatte die Auf⸗ führung, die Neumann⸗Hoditz liebevoll betreut, kaum eine weſent⸗ liche Veränderung 1 die früheren erfahren. Alle Darſteller waren ſichtlich mit Luſt und Liebe bei der Sache und machten ſich ein Vergnügen daraus, den Kindern, die in reicher Zahl erſchienen waren, ein Vergnügen zu bereiten. Die hübſche Muſik von Clemens Schmalſtich brachte Max Lenzer zu einem rhyth⸗ miſch nicht immer ganz exakten und ein wenig dünntonigen Er⸗ klingen. Magda Bauer hatte die Tänze ſehr hübſch vorbereitet, ſo daß angeſichts des kindlichen Jubels auch der Kritiker, der faſt ſo böſe iſt wie der Mondmann, verhüllten Hauptes in das Land der Erinnerung zurückſchleicht, wo ihm das Theater(im Gegenſatz zu den Tagen der Gegenwart) ſo viel, viel Freude gemacht hat, daß er es nicht vergeſſen kann. Mags euch, ihr lieben Kinderlein, doch auch ſo gehen! Drum bittet eure Eltern, daß ihr auch einmal mit dem Summſemann und dem Peterchen⸗Guſtl Römer⸗Hahn,(der ein ziemlich ausgewachſner Jüngling geworden iſt) und der ſieben gehört auch zum Leben der Kunſt. Annelieſe⸗Lilt Münch aus der großen ſilbernen Kanone auf den Mond geſchoſſen werdet. Mir hat es dort gut gefallen! ene ce depeeee g
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