Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten
 

2. Seite Nr. 572 99 5 die Völlert die Eröffnungsſitzung des völkerbundsrate (Bon unſerem römiſchen Vertreter) bD. Rom, 8. Dezember. Trotzdem im Augenblick nicht weniger als ſieben Außenminiſten der verſchiedenſten Stgaten in Rom anweſend ſind, mißt man in den Kreiſen, die dem Außenminiſterium naheſtehen und in der Preſſe, auch in der oppoſitionellen, der Konferenz des Völkebundsrales keine allzugroße Bedeutung bei. Man iſt durch die brennenden Fragen innerpolitiſcher Probleme zu ſehr in Anſpruch ge⸗ nommen. Außerdem betont man, daß durch den konſervativen Wahlſieg in England die Skeptiker innerhalb des Völkerbundes, denen auch Italien angehört, ſtärker geworden ſeien. Trotzdem wur⸗ den die ankommenden Delegationen natürlich mit allem faſziſtiſchen Zeremoniell empfangen. Die Räume des herrlichen Palazzo Doria, in denen die Konferenz tagt, boten heute bei der Eröffnungsfeier im reichen Schimmer der venetianiſchen Leuchter, dem Prunk der koſt⸗ baren Möbel und Stoffe einen außerordentlich prächtigen Anblick. Im übrigen hält man nicht nur bei den Engländern und Ita⸗ lienern, ſondern auch in den an ſich gegen die geſamte Völkerbunds⸗ inſtitution weniger fkeptiſchen anderen Delegationen die diesmalige Tagung für verhältnismäßig unwichtig. Briand erklärte einigen Journgliſten, unter denen ſich auch unſer Vertreter befand, daß die römiſche Tagung des Rates lediglich gewöhnliche Verwaltungsarbeit zu erledigen habe. Dem Wunſch Englands auf Aufſchub der Dis⸗ kuſſion über das Genfer Protokoll werde, ſo ſagte Briand, zu den italieniſchen Journaliſten, beſtimmt ſtattgegeben werden. Das engliſche Geſuch ſei durchaus berechtigt. Damit kommt das wichtigſte Thema in Wegfall. Die Abrüſtungs⸗ und Schisdsgerichtskonferenz, die für Juni 1925 vorgeſehen war, wird dadurch auf unbeſtimmte Zeit vertagt. Das Intereſſe bleibt daher auf Fragen von geringer Bedeu⸗ tung beſchränkt. Wie ich zuverläſſig erfahre, werden die Sitzungen ſchon am Samstag geſchloſſen werden. Den breiteſten Raum werden vermutlich die Erörterungen über die orientali⸗ ſchen Probleme, insbeſondere über die griechiſch⸗türkiſchen Streit⸗ fragen einnehmen. Sowohl die griechiſche wie die türkiſche Delegation ſind mit zahlreichem Perſonal und verſchiedenn Sachverſtändigen urſchienen. In Kreiſen der griechiſchen Delegation ſteht man den zu erwartenden Verhandlungen, die unter weſentlich günſtigeren Verhöltniſſen ſtattfinden, als in Brüſſel, mit einem gewiſſen Opti⸗ mismus gegenüber. Die Danziger Fragen die gleichfalls einen bedeutenden Raum einnehmen werden, kamen gleich in der erſten Sitzung zur Erörterung. In' deutſcher Sprache gab Staatspräſident Sahm eine Erklärung ab. zunächſt nur zu einigen rein formellen Fragen. Die entſcheidenden Danziger Probleme, wie die Anerkennung der Danziger Souveränität durch Polen und die der polniſchen Eiſenbahndirektion in Danzig werden, wie ich von Danziger Delegierten böre. erſt gegen Ende der Woche verkandelt werden. In der Zwiſchenzeit wird in beſonderen Beſpre⸗ chungen unter Mitwirkung der hier anweſenden Mitalieder des Völkerbundsſekretariats der Verſuch gemacht werden. eine Eintaung in verſchiedenen Streitfragen zu erzielen, um einen Schiedsſpruch des Rats zu vermeiden. Ueber das Saarmandat dürfte auch erſt gegen Ende der Sitzung verhandelt werden. Mehr Bedeutung als der Sitzung des Völkerbundsrats mißt man in offiziellen italieniſſen Kreiſen der Zuſammenkunft Muſſolinis mit Chamberlain bei aus der ſich nach einer Stefani⸗Meldungdie Möalichkeit der Einhaltung einer gewiſſen politiſchen Richtlinie und einer engeren Zuſammenarbeit zwiſchen den beiden Ländern ergeben wird. Auch mit Beneſch dürfte Muſſolini wichtige Beſprechungen haben. Mit Princic ſoll über die Wiederaufnahme der italieniſch⸗iugoſlaviſchen Beſprechungen von VBenebig verhandelt werden. Ilalien und das Genfer Prokokoll Paris, 9. Dez.(Von unſerm Pariſer Mitarbeiter.) Nach einer Information desMatin aus Rom. iſt in den Unterredungen zwi⸗ ſchen Chamberlain und Muſſolini bereits feſtgeſtellt worden, daß Italſen ebenſo wie Enaland das Genfer, Protokoll nicht unter⸗ geichnen werde. Außerdem iſt Italien bereit, in einer großzüai⸗ gen Verſtändiaung über die enaliſch⸗italieniſchen Mittelmeerintereſſen ſich entgegenkommend zu erweiſen. ee Die pariſer Wirtſchaſtsverhandlungen Im Rahmen der deutſch⸗franzöſiſchen Wirtſchaftsver⸗ dandlun gen hielt geſtern der franzöſiſche Handelsminiſter Ra!. naldy zu Beginn der Vollſitzung der beiden Delegationen eine An⸗ ſprache, in der er ſeiner Befriedigung darüber Ausdruck gah, daß die Einladung Deutſchlands zur Internationalen Kunſt⸗ ausſtellung endlich ergangen ſei. Er fügte hinzu, daß er be⸗ guftragt ſei, Deutſchland zur Teilnahme an der Internationalen Elektrizitätsäusſtellung in Grenoble einzuladen. In der geſtrigen Vollfitzung waren auch die landwirtſchaft⸗ lichen Sachrerſtändigen anweſend. Ein endgültiges Refultat in den Fragen des Obſt⸗, Gemüſe⸗ und Weinbaues konnte noch nicht erziel werden, da ſich die Erörterung dieſer Fragen ſchwierig geſtaltete. Die ſtrittigen Fragen dürften in kurzer Zeit von den Mitgliedern dei Deſegation entſchieden werden. Die landwirtſchaftlichen Sachver⸗ ſtändigen werden am Mittwoch nach Deutſchland zurückkehren. Heute treffen in Paris die chemiſchen Sachverſtändigen ein, zu denen auch ein Vertreter der Höchſter Farbwerke, Herr Schnitzler, gehört. In Erwartung der Pariſer Finanzkon'erenz Die interalliierten Finanzſachverſtändigen, die S die für den 6. Januar vorgeſehene Finanzminiſterkonferenz vorbe⸗ reiten, die ſich bekanntlich mit der finanziellen Bilanzder Ruhr⸗ beſetzung und mit der Verteilung der Jahreszahlungen aus dem Dawesplan und der eventuellen Beteiligung der Vereinigten Staaten an dieſer Verteilung beſchäftigt, hat nach demTemps ihre Arbei⸗ ten nahezu vollendet. Die Sachverſtändigen hätten ſich nicht auf feſte Vorſchläge einigen können, ſodaß es alſo den Finanzminiſtern vorbehalten bleibe, ſelbſtändige Entſchlüſſe zu faſſen. Die interalliier⸗ ten Finanzſachverſtändigen würden ihr Protokoll der Finanzkon⸗ ſerenz als Unterlage für ihre Diskuſſion unterbreiten und ſih viel⸗ leicht auch noch einmal kurz vor dem Zuſammentritt der Finanz⸗ miniſter zu einer Beratung zuſammenfinden. Das öſterreichiſche Sanierungswerk Zur Frage des finanziellen Wiederaufbaues Oeſterreichs hat der frühere öſterreichiſche Außenminiſter Grünberger vor dem Rat namens der öſterreichiſchen Regie⸗ rung ein⸗ Erklärung abgegeben. daß Oeſterreich auch nach dem Rücktitt Seipels an dem Genfer Protokoll und an den ntit dem Völkerbund getroffenen Vereinharungen feſtf ilt. Die Re⸗ mierung wolle durch äußerſte Sparſamkeit das Gleichgewicht im Haushalt dauernd wiederherſtellen, und ſie ſei bereit, die er⸗ tungene Stabilität der öſterreichiſchen Währung aufrechtzuerhalten. Eine Erſchütterung der Grundſätze einer geordneten Volkswirt⸗ ſchaft werde ſie nicht zulaſſen. Die günſtige Beurteilung der öſterreichiſchen Verhältniſſe durch das Finanzkomitee des Völker⸗ bundes ſei durch die in den letzten Monaten eingetretene weitere Entwicklung durchaus gerechtfertigt. Die Konſolidierung der öſterreichiſch 1 Verhältniſſe ſchreit zufriedenſtellend fort. Die bedauerliche Zunahme der Arbeitsloſen in Oeſterreich beweiſe jedoch das Bedürfnis der öſterreichiſchen Volkswirtſchaft nach privaten Krediten. Die Erklärung wurde mit dem Hinweis geſchloſſen, daß die öſterreichiſche Regierung zum größten Teil die im Sep⸗ temßer in Genf vereinbarten Maßnahmen durchgeführt hat, und daß beſonders die vom Völkerbundsrat empfohlenen Steuererleich⸗ terungen bereits faſt alle in Kraft getreten ſind. Neue Mannheimer Jeitung(Mittag⸗uszgabe] undskagung in Rom Der verlauf der Sitzung Die römiſche Taauna des Völkerbundsrates iſt im großen Saale des Palazzo Doria in Gegenwart des diplo⸗ matiſchen Korps und einiger Damen der Ariſtokratie vom Präſiden⸗ ten Mello⸗Franco eröffnet worden. der Salandra das Wort erteilte. Dieſer entbot namens der italieniſchen Delegation den Gruß der italieniſchen Regieruna. die dem Rat dankbar ſei, weil er ausnahmsweiſe die ruhmreiche Hauptſtadt des Königsreiches zum Sitze dieſer Seſſion erwählt habe, was für das italieniſche Na⸗ tionalgefühl eine aroße Ehrung bedeute. Regieruna und Volk regen in Italien einmütia den friedlichen Fortſchritt on. Sie erkennen den aroßen Wert der internationalen Solidarität, ohne die es für die Menſchheit keinen Fortſchritt gebe. Rom habe der ziviliſterten Welt die länaſte Friedensepoche der Welt gegeben. Der Präſident dankte für den Willkommaruß Salandras und die italieniſche Gaſtfreundſchaft. Er hob die bedeutunasvolle Tatſache hervor, daß Chamberlain in einem heiklen Augenblick der enaliſchen Politik London verlaſſen habe. um an den Sitzungen des Völkerbundsrates teilzunehmen. Alsdann erariff Chamberlain das Wort, um für die italie⸗ niſche Gaſtfreundſchaft zu danken und die Bedeutung des Völker⸗ bundes hervorzuheben, der eigens für die Erhaltung des Volkslebens geſchaffen werden müßte, wenn er nicht ſchon beſtände. Nach dieſen Eröffnungsreden und einem Bericht der jſapaniſchen Deleaierten wurde zur Erlediaung der Tagesordnuna ge⸗ ſchritten. Chamberlain bei Muſſolini In römiſchen politiſchen Kreiſen wird dem Beſuch Cham berlains bei Mufſolini beſondere Vedeutung beigelegt. Die Idea nazionale pflichtet der Anſicht von der hohen Bedeutung der Unterredung Chamberlains mit Muſſolinj bei. Ein offiziöſes römi⸗ ſches Blatt ſagt: Das engliſch⸗italieniſche Einvernehmen berühre beſonders die Abrüſtung d h. die deutſch⸗franzöſiſche Frage und da⸗ mit die ganze europäiſche Politik. DieTribung ſieht die Bedeutung der Tagung des Völkerbundsrates mehr in der Eigenart der Perſön⸗ lichkeiten. Da ſich die neue engliſche Regierung vom Genfer Proto⸗ koll zurückgezogen habe ſo käme der Tagesordnung in Rom nur eine ziemlich relative Bedeutung zu. Die Saarfrage. Zu der Tagung des Völkerbundes hat ſich eine Delegation aus dem Saargebiet, beſtehend aus den Herren Schmelzer und Kommerzienrat Röchling von der Deutſch⸗ſaarländiſchen Volkspartei ſowie aus Rechtsanwalt Levacher und Rektor Mar⸗ kin nach Rom begeben. Zur Verhandlung vor dem Völkerbunds⸗ frat werden von den Saarfragen bekanntlich die Schulangele⸗ genheiten gelangen. Man hofft, daß auch die Zollfrage infolge des an das Generalſekretgriats gerichteten dringenden Telegramms angeſchnitten wird. Ob die weiteren Anfragen wie die Anweſen⸗ zeit des franzöſiſchen Militärs erörtert werden, ſteht noch dahin. Jedenfalls iſt die gegenwärtige Völkerbundstagung von beſonderer Wichitgkeit für das Saargebiet, da ſich zu erweiſen haben wird, ub die Verſtändigungspolitik Herriots, von der man auch das Saar⸗ gebiet nicht ausnehmen darf, zur Auswirkung gelangt. Ein internatſonales Rechtsinſtitut in Rom Einem Angebot der jtalieniſchen Regierung entſprechend, wird der Völkerbund in Rom ein internationales Inſtitut für die Vereinheitlichung des Privatrechtes in Rom bilden. Muſ⸗ ſolini hat dem Miniſterrat einen Entwurf des Abkommens ued des Statuts vorgelegt, die dem Völkerbundsrat in der nächſten Woche unterbreitet werden. Die italieniſche Regierung wird ein ähnliches Uebereinkommen treffen wie zwiſchen dem Völkerbund und Frankreich für die Grün⸗ dung des Inſtituts für die geiſtige Zuſammenarbeit in Paris. 5 eee 445 Rachklänge zu denvorwärtsEnthüllungen :: Bern. 9. Dez.(Von unſerm Schweizer Vertreter.) Die Un'er⸗ ſuchunga über die Enthüllungen des deutſchen ſozialdemo⸗ kratiſchen Preſſedienſtes war bereits zu einem für deſſen Behauptungen vernichtenden Abſchluß gelangt. Das ſchweizeriſche Militärdepartement, das die Unterſuchung aufgrund der Denunziationen des Sekretärs der katholiſch⸗konſervativen Partei durchgeſührt hat, teilte Oberſt Bircher durch zwei Mitglieder des Bundesrats das Ergebnis der Unterſuchung über ſeine angsblichen Beziehungen zu den Hitlerleuten mit. Dadurch erhielt Oberſt Bircher durch die oberſte Züricher Bundesbehörde völlige Satisfaktion. Sämtliche Verleumdungen haben ſich als unwahr herausgeſtellt. Wie derBerner Bund meint. hat der fälſchlich denunzierte Oberſt gegen den Urheber der Anſchuldigungen rechtliche Schritte unternommen. Ein Amerikaner über die deutſche Armee 2 London, 9. Dez.(Von unſerem Londoener Mitarbeiter.) Aus Newyork wird die Stimme eines Predigers in der Wüſte vernom⸗ men. Generalmajor Robert Lee Bullard wendet ſich in einem Interviem gegen die allgemeine Annahme, daß der alliierle Soldat dem deutſchen Soldaten überlegen ſei.Ich finde, ſo ſagt Bullard,daß der deutſche Soldat nicht allein dem alliierten Sol⸗ daten gleichkommt, ſondern der deutſche Soldat war ſo be⸗ ſeelt von Diſziplin, daß er drei Feinde erledigte, ehe er ſelbſt kampfunfähig wurde. Er iſt, fügte er hinzu,der beſ⸗ ſere Faktor der erfolgreichen Tätigkeit im Kriege wie im Frie⸗ den. Der General gelörte zur amerikaniſchen Armee im Kriege Er hefehligte nacheinander die zweite Brigade der erſten Diviſion und das dritte Armeekorps. Er hat auch in Kuba und auf den Philippinen gedient. Deutſches Keich Eine Lex Tirpitz in Vorbereitung Die hiſtoriſche Kommiſſion für das Reſchsarchiv hat in ihrer etzten ordentlichen Sitzung eine Entſchließung gefaßt, in der es u. a. heißt:Die Kommiſſion benutzt die Gelegenheit, um an die geſamte Bevpölkerung, beſonders an alle Perſönlichkeiten, die amtlich oder militäriſch an verantwortlichen Stellen geſtanden haben, beziehungsweiſe an ihre Rechtsnachfolger, die dringende Bitte zu richten, alle geſchichtlich wertvollen Dienſtpapiere und Nachläſſe dem Reichsarchiv zuzuweiſen. Angeſichts der unlieb⸗ famen Vorfälle der Verſchleuderung wertvoller Papiere hält die heſto⸗ riſche Kommiſſion den baldigen Erlaß eines Archivgeſetzes für dringend notwendig! Dieſer Fall iſt 505 durch Tirpitz provozlert worden. Nach Profeſſor Hans Delbrücks neuerlichen Andeutungen darf man damit rechnen, daß ein ſolches Geſetz bereits auf dem Wege iſt. Warſchau, 9. Dez. Vor einigen Tagen wurde auf den War⸗ ſchauWiener Schnellzug in der Nähe von Kralup ein An ſchlag verübt. An der Tunnebausfahrt waren zwei Balken quer über das Geleiſe gelegt worden. Der Voſſiſchen Zeitung zufolge iſt es nunmehr gelungen, den Täter, einen 25jährigen Vauernſohn zu perhaften. Er geſtand beabſichtigt zu haben, den Schnellzug zn Entgleiſung zu bringen und dann den Poſtwagen zu berauben. Dienskag, den 9. Dezember 1924 Die heſſiſchen Landtagswahlen Aus Darmſtadt wird uns geſchrieben: In Heſſen iſt dieemdt die Reichstags⸗ und Landtagswahl an einem Tage vorzern n worden. Hierbei iſt nun die auffällige Tatſache zu bemerken, 5 bei einigen Parteien nicht unweſentliche Stim menverſchſen bungen hervorgetreten ſind. Die Deutſchnationalen erhielten bei der Reichstagswahl rund 47 000 Stimmen, be: der Landtac wahl jedoch nur 43 000 Stimmen, die Deutſche Vo lksparte für den Reichstag rund 72000 Stimmen, für den Landtag 1 74000 Stimmen, der Bauernbund für den Reichstag rund 77 0 Stimmen und für den Landtag 76 100 Stimmen. Sogar bei den Nationalſozialiſten ſtehen 7700 Reichstagsſtimmen 8500 Landtags ſtimmen gegenüber. Dieſe Verſchiedenheiten in den Ziffern fin wohl in erſter Linie durch die Aufwertungsfrage veran⸗ laßt, Oberlandesgerichtspräſident Beſt war hier die Zugkraft 875 Deutſchnationalen für den Reichstag. Für die Beurteilung einer Partei darf nicht die Zahl der Mandate allein ausſchlaggebend ſein, denn die Stimmziffern beſa⸗ gen oft mehr, denn ſie geben ein zutreffenderes Bild von Stärke der Anhängerſchaft. Wenn man die Abſtimmungssziffern betrachtet, ſo haben die Sozialdemokratie, die Heſſiſche Volksparken das Zentrum, die Deutſche Volkspartei und die Demokratiſche Par⸗ tei eine mehr oder weniger ſtarkre Zunahme ſeit den Wahlen im Mai zu verzeichnen. Abgenommen hat die Stimmenzahl Kommuniſten, der Nationalſozialiſten und der Bauernbündler. nachdem, ob man bei einer Wahlbetrachtung die letzten Reichstags⸗ om wahlziffern vom 4. Mai 1924 oder die Landtagswahlziffern d 18 n 27. Nobember 1921 zugrund legt, kommt ein anderes Ergeb heraus. Ein richtiges Bild erhält man, wenn die Ziffern letzten Reichstagswahl zum Veroleich herangezogen werden. Dan⸗ wird der Mißerfole der zlügelparteien noch offenbarer. Die Kom? muniſten hätten, wenn am 4. Mai nicht chstag, ſondern zunn Landian ganihlt wordon mn;? 7 ihnen ſind indeſſen nur 4 zugefallen. Der Zuwachs von zivel Stimmen gegenüber der Landtagswahl von 1921 iſt alſo gewiſſer? maßen nurx ſcheinbar. Die Nationalſozialiſten(Völkiſche) konnten nach dem Ergebnis der Maiwahlen auf zwei Landtagsmanda hoffen; ſie haben aber keins erhalten. Betrachtet man die Mehrheitsverhältniſſe im neuen heſſiſchen Landtag, ſo iſt feſtzuſtellen, daß keine weſentliche Ner ſchiebung eingetreten iſt. Die im Jahre 1921 gebildete Mehr⸗ beit beſtand aus Sozialdemokratie(28 Sitze), Zentrum(13) u Demokratie(); ſie hatte insgeſamt 44 Parlamentsſitze inne. Ihr ſtand eine Minderheit gegenüber, die ſich aus folgenden Parteien zuſammenſetzte: Deutſchnationale Volkspartei(3 Sitze. Deutſ Volkspartei(100 und Bauernbund(11) mit insgeſamt 24 Sitzen.(Die Kommuniſten gehörten keiner Koalition an.) Legß man dem jetzt gewählten Landtag dieſelbe Mehrheitsbildung Zu⸗ arunde, ſo ergibt ſich folgendes Bild: Die Mehrheit verfügt fet über 43 Stimmen(Soz. 26, Zentrum 11, Demokr. 6) und di Minderheit(Dutl. 5, D. V. P. 9. Bbd. 9) über 23 Stimmen. Wenn alles ſo beim alten bleibt, Mehrbeit und Minderhei nur um je einen Sitz geſchwächt ſind, und die Mehrheit die bis herige Politik weitertreibt, ſo bedeutet dies nichts anderes als die Fortſetzuna der bisherigen Kriſenpolitik, unter der Heſſen 4 Jahre lang zu leiden hatte. Eine Aenderung könnte nur durch eine veränderte Stellungnahme des Zentrums herbet⸗ geführt werden. Das Zentrum hat zwei Mandate verloren. es alſo innerbalb der Koalition ſchwächer geworden, dagegen bat der Einfluß der Sozialdemokratie in ihr zugenommen. Die Sozzal⸗ demokratie verfüat innerhalb der Koalition faſt über zwei Dritte⸗ der Stimmen. Wenn alſo keine Aenderung in der Koalitionspoliti eintritt, ſo wird in den nächſten Jahren die Politik der Sozial⸗ demokratje in Heſſen Trumyf ſein, denn auch die Demokratie ha ſich bereits ganz in die Abhängigkeit der Sozialdemo⸗ kratie begeben. der Haarmannprozeß Fortgang der Jeugenvernehmung In der geſtrigen Nachmitzagsſitzung wurde die Vernehmung der allgemeinen Zeugen fortgeſetzt. Für die Vernehmung des zäbrigen Arbeiters Paul Sewig,. des 21jährigen Waldemars Maulert und des 21jährigen Otto Stelter, die mit Haar mann verkehrten, ebeno für die Vernehmung der 24jährigen Ei⸗ friede Zwinkmann, die die Braut von Grans war, wird die Oeffentlichkeit ausgeſchloſſen. Nach Wiederherſtellung der Heffentlichkeit wird der Zeuge Wiedemann vernommen, bei dem Haarmann und Grans län gere Zeit wohnten. Den Zeugen ſeien wiederholt Wäſcheſtücke ge⸗ ſtohlen worden; er habe die beiden aufgefordert, fortzuziehen; alle was Grans verzehrte, ebenſo die Wohnung bezahlte Haarmann⸗ Haarmann hielt ſich auch darüber auf, daß Grans ſein Geld ver⸗ jubelte. Die Zeugin Frau Koch, die Nichte Wiedemanns, gibt an, daß Haarmann und Grans ſich immer ſehr anſtändig benommen hätten⸗ Auf die Frage des Vorſitzenden, was die beiden getrieben hük' ten und ob Haarmann Verkehr mit jungen Leuten gehabt hätte⸗ antwortete die Zeugin: Haarmann habe Wäſche gekauft und ver⸗ kauft; von einem Verkehr mit jungen Leuten wiſſe ſie nichts. Fer⸗ ner ſoll Haarmann einmal zu ihr geſagt haben, daß er Grans aus dem Sumpfe zog: er wolle ihn bewahren, daß er nicht wieder unke die Räder komme. Später wolle er ihn einmal adoptieren, dam er immer jemanden bei ſich habe. 1 Die Zeuain Frau Dantels, die Mitinhaberin des Hauſes 65 der Neueſtraße, ſant aus, daß, als Grans allein in der Wadnun war, Frauen und Mädchen bei ihm aus und eingingen. Sie ſtreng 5 deshalb eine Räumungsklage bei dem Mieteinigungsamt an, da 10 dieſe Zuſtände nicht paßten. Inzwiſchen aber kam Haarmann es dem Gefängnis, erbrach die Wohnung und lebte dort mit dem jun gen Mann. Die Zeugin hörte einmal ſtöhnen in der Wohnung Hoarmanns. Eines Tages kam ſie mit Haarmann in Streit 17 05 wurde von ihm geichlagen. Di⸗ Zeuain erklärte weiter. wie Haar⸗ mann demernd Eimer in das Kloſſet ſchleypte. Eimnal ſah ſie au in dem Eimer eine rote Flüſſigkeit. Auf eine weiter⸗ Frage Vorſitzenden bekundete die Zeugin, daß ſie auch Klopfen Hacken aus der Wohnung Haarmanns hörte und zwar ſchon gens in aller Frühe. Die Zeugin will auch geſehen haben: und mor⸗ Grans junge Leute in die Wohnung brachte, worauf Grans er ſer klärte, daß es ſeine Freunde geweſen ſeien. Mit großer Weitſchweifigeit erzählts der Jzgorrenhändte Globes, daß er geden Haarmann Verdacht gehegt habe und wi ein Wiekliv ihn beobachtete. beſonders als er den Inhalt ein Militärſandſackes beim Schloß in die Leine ſchüt!ete. 94 Um 4 Uhr wurde die Verhandlung auf heute Vormittag verka Letzte Meldungen 5. Heenemann Berlin, 9. Dez. Stadhrat H. Heeneman n⸗Berlin, der 5 ſtzend: des Deutſchen Buchdrucker Vereins iſt un Sonntag nach kurzer heftiger Krankheit verſtorben. Heene caf⸗ war eine markante Perſönlichkeit mit den beſten Führer⸗Eig men⸗ ten in feiner Art und in gewiſſem Sinne der Nachfolger Büreee ſteins. Mitte November kehrte er von einer Amerikareiſe, weren auf Einladung derUnited Typo hetar of America! mit auüc. Buchdruckereibeſitzern unternommen hatte geſund und friſch zur er Eine Grippe warf ihn bald darauf aufs Krankenlager, von d rein ſich nicht mohr erheben ſollte. Der Deutſche Buchdrucker⸗Ve 30 ſteht trauernd an der Bahre eines ſeiner Führer, der Großes 9 leiſten verſprach und leider allzufrüh abberufen wurde. holm, daß über das Schickfal von 70 am Freitag aus Eſöbel gefahrenen Sul cherkuktern ſede Nachricht fehlt. Die Beſ der nermißten beläuft ſich auf 300 Mann. 4 Hamburg, 8. Dez. Der Fle.sburger Dampfer zaanal ee⸗ iſt auf der Reiſe von Hamburg nach Flensburg in einem ſchm Sturm in der Oſtſee geſunken. Die Mannſchaft konnte von aeg deutſchen Torpedobvot gerettet werden.. Berlin, 9. Dez. DieVoſſiſche Zeitung meldet aus Steg⸗ ing 0 der or. 8 228 2.. reee err e 63635.%0 ²˙.