2. Seite. Nr. 302 Neue Maunheimer Zeitung(Mittag⸗Ausgabe) Freitag, den 4. Juli 1930 1 * heute ſchon darüber keinen Zweifel läßt, daß es die 5 britiſche Anregung aufnimmt und die Sep⸗ tembertagung des Völkerbundes mit umfaſſender Er⸗ örterung der immer noch völlig ungelöſten Minder⸗ heitenfrage beſchäftigen wird. Kein Geringerer als Macdonald hat, unmittelbar vor ſeiner Amtsübernahme, öffentlich dargetan, wie wenig gefeſtigt die Rechte der Minderheiten in Europa ſind und wie weſentlich für die Erhaltung des Friedens und, wie Macdonald erklärte, zur Ver⸗ teidigung demokratiſcher Einrichtungen, eine durch⸗ greifende Verbeſſerung ihrer Lage ſei. Damals hat Maedonald die Forderung nach Einrichtung einer ſtändigen Minderheitenkommiſſion vertreten, aus deren Arbeit die Geheimdiplomatie verbannt ſein müſſe. Die Entwicklung iſt leider den umgekehrten Weg gegangen. In immer ſtärkerem Maße werden die Minderheitenbeſchwerden in ihrer Erledigung Privatangelegenheit einiger Völker⸗ bundsbeamte der Geheimdiplomaten. Eine ſtändige Minderheiterkommiſſion des Völkerbundes, wie Macdonald, der Nationalitäten⸗ kongreß und die Oeffentlichkeit der an der Minder⸗ heitenfrage unmittelbar beteiligten Völker insbeſon⸗ ders des deutſchen Volkes, ſie ſchon vor geraumer Zeit forderte und wie ſie eben erſt von den britiſchen Parlamentariern wieder gefordert wird, ſoll nach deren Vorſchlag die in Betracht kommenden Länder beſuchen und dem Völkerbundrat im Mai des nächſten Jahres Bericht über das Ergebnis ihrer Unter⸗ ſuchung vorlegen. Eine ſolche Kommiſſion ſoll feſt⸗ ſtellen, wie weit die Minderheitenſchutzbeſtimmungen von Verſailles eingehalten werden. Und ſoll durchfetzen, daß ſie tatſächlich ein⸗ gehalten würden. Die deutſche Oeffent⸗ lichkeit, geeint in allen ihren Kreiſen und Par⸗ teten begrüßt dieſe Anregung mit lebendiger Sympathie. Ihre Forderung geht freilich über die nach Einſetzung einer Kommiſſion hinaus. Bekannt⸗ lich erlöſchen die Minderheitenſchutzbeſtimmungen automatiſch im Jahre 1935. Man mochte wohl zur Zeit ihrer Feſtſetzung gehofft haben, daß drei Luſtren nachher der Gedanke des Minbderheiten⸗ ſchutzes Allgemeingut ziviliſierten Denkens ſein würde. Tatſächlich ſehen wir aber, daß die Unter⸗ drückung der Minderheiten in manchem Staat von brutalem Verwaltungsterror heute gehäſſiger und ſyſtematiſcher betrieben wird denn je. Wir haben keinen Anlaß zu glauben, daß dies in einem Jahr⸗ fünft anders ſein wird. Infolgedeſſen verlangt die deutſche Oeffentlichkeit heute ſchon, daß die Minder⸗ heitenſchutzbeſtimmungen über ihre bisher feſtgeſetzte Geltungsdauer hinaus in Kraft bleiben und zwar in einer durch die Erfahrungen des letzten Jahrzehnts verbeſſerten Form. Wenn Curtius ſich, die große Chance erkennend, die die engliſche Anregung bietet, in Genf zum An⸗ walt dieſer Forderung macht, wie wir es hoffen, mag er dies im Bewußtſein tun, nicht nur die Einheits⸗ front der deutſchen Nation, ſondern alle an der Sicherung des Friedens intereſſierten Europäer hinter ſich zu haben. ——ů Streſemann-Dank Drahtbericht unſeres Berliner Büros [Berlin, 4. Juli. Freunde des verewigten Miniſters Streſemann haben ſich im„Streſemann⸗Dank“ zuſammengeſchloſ⸗ ſen, um das Andenken an den Staatsmann und Patrioten, deſſen Name für alle Zeiten mit dem rheiniſchen Befreiungswerk verknüpft iſt, wachzu⸗ halten. An der Spitze des Kuratoriums ſtehen die beiden volksparteilichen Abgeordneten Kempkes und Kalle, aber auch der Reichspräſident, der Reichskanzler und viele andere haben ihr lebhaftes Intereſſe an den Beſtrebungen des Streſemann⸗ Dankes verkündet. 5 Künſtler von Rang haben ihre Kunſt in den Dienſt dieſes Gedankens geſtellt. Im„Streſemann⸗ Dank“ ſind Kunſtwerke und Andenken erſchienen, um Streſemanns großer und wachſender Verehrer⸗ ſchar die Erwerbung einer dauernden Erinnerung zu ermöglichen. Der Reinertrag ſoll im Geiſt des verewigten Patrioten der ſtaats bürgerlichen Erziehung der Jugend zugute kommen. Die Spannung Nom-Paris Drahtung unſeres Pariſer Vertreters Paris, 4. Juli. Die franzöſiſch⸗italieniſche Spannung beherrſcht weiter die franzöſiſche Außenpolitik. Außenminiſter Briand, der in einer ausführlichen, im„Daily Herald“ veröffentlichten Erklärung die Vorwürfe Grandis in höflicher, aber beſtimmter Form zu⸗ rückweiſt, empfing am Donnerstag den franzöſiſchen Botſchafter in Rom, de Beaumarchais, um ihm neue Inſtruktionen mitzugeben, die die Verhand⸗ lungsbereitſchaft Frankreichs beweiſen ſollen. Auch die Leitartikler einiger führender franzöſiſcher Blät⸗ ter verſuchen, die Spannung zwiſchen den beiden Ländern zu mildern und treten dafür ein, daß endlich wieder Vertrauen die Beziehungen zwiſchen Frankreich und Italien beherrſcht. Das„Journal“ fragt nach den Urſachen des franzöſiſch⸗italieniſchen Mißverſtändniſſes und ſchreibt dieſe vor allem den lauten Drohreden auf italieniſcher Seite und den Hetzartikeln in der italieniſchen Preſſe zu. Erſt nach dem letzten Interview Grandis im„Daily Herald“ habe Briand diskret durch die Preſſe den wahren Sachverhalt darſtellen müſſen. Mit Bedauern ſtellt das„Journal“ feſt, daß die freundſchaftlichen Beziehungen mit Italien ſchon lange unterbrochen ſeien, obwohl Frankreich eine Aenderung der tripolitani⸗ ſchen Grenze und eine Aenderung des tuneſtſchen Statuts zugunſten Italiens und ſchließlich einen Freundſchaftsvertrag vorgeſchlagen habe. Der letzte Zeitungszuſammenſtoß zwiſchen Grandi und Briand, das Mißtrauen die beweiſe von neuem, daß Beziehungen zwiſchen den beiden Ländern vergiftet. Die Regelung der Rüſtungsfrage werde von ſelbſt kommen, wenn wieder Vertrauen zwiſchen den Ländern beſtehen wird. Andernfalls ſei das Problem unlöslich. Die erſte Aufgabe der franzöſiſch⸗ italieniſchen Politik ſei alſo, die Irrtümer und Mißverſtändniſſe aus dem Weg zu räumen. Die linksdemokratiſchen Zeitungen heben au den Ausführungen Muſſolinis über die Vertragsrevi⸗ ſionen hervor, daß Muſſolini nur im Namen ſeiner Nation geſprochen habe. Irgendein Wort bezüglich Freundſchaft und Hilfe für die vor zehn Jahren be⸗ ſiegten Staaten ſei nicht gefallen: „Die deutſchen Grenzreviſioniſten müſſen ſich auf grauſame Enttäuſchungen gefaßt machen, wenn ſie von Rom eine ſelbſtloſe und edel⸗ mülige Politik erwarten.“ Andererſeits herrſcht bei den linksdemokratiſchen Blättern der Eindruck, daß die Abänderungen, die Muſſolini für den Briand'ſchen Staatenbund vor⸗ ſchlägt, nur möglich wären, wenn alles über den Haufen geworfen würde. Eine ſolche Verwirrung wäre gleichbedeutend mit Krieg. Die Arbeit des Reichstags Drahtbericht unſeres Berliner Büros Berlin, 4. Juli. Der Reichstag hat am Donnerstag die Beratung des Haushalts für Verſorgungs⸗ und Ruhegehälter abgeſchloſſen. Wirtſchafts⸗ und Deutſche Volkspartei billigten die Abſicht der Regierung, den Kreis der Kriegsgeſchädigten endlich abzuſchließen. Es ſei ein Unding, daß noch zwölf Jahre nach dem Krieg 35000 neue Anträge auf Unter⸗ ſtützung geſtellt würden. Der deutſchnationale Abg. von Troilsp ſchlug vor, das bisherige Miniſterium der beſetzten Ge⸗ biete in ein Kriegsgeſchädigtenminiſterium umzuwandeln, da das Arbeitsminiſterium durch die Erwerbsloſen mehr als überreichlich in Anſpruch genommen ſei, ein Vorſchlag, der von den anderen Fraktionen ſo ziem⸗ lich einmütig abgelehnt wurde. Admiral von Brüninghaus kennzeichnete den Penſionskürzungsantrag der Sozialdemokraten, vor allem in ſeiner Verknüpfung von Penſionen und Privatvermögen als rechtswidrig und unſozial, wäh⸗ rend die Wirtſchaftspartei die Penſionskür⸗ zungen als vorübergehende Notmaßnahme gelten laſſen wollte. Der Abg. Loibl von der Bayeriſchen Volkspartei wandte ſich gegen jede Einſparung am Kriegsrentenetat, ebenſo in ſeiner draſtiſch⸗humor⸗ vollen Art und in unverfälſchtem Niederbayeriſch der bayeriſche Bauernbündler Eiſenberger, der meinte, den Kriegsgeſchädigten ſolle man eher mehr geben und dafür die Penſionen und hohen Beamten⸗ gehälter kürzen. Nachdem noch der Volksrechtler Dr. Beſt jede Penſtonskürzung als einen Eingriff in die verfaſſungsmäßigen Rechte der Beamten ab⸗ gelehnt hatte, wurde der Verſorgungsetat in der Ausſchuß⸗ faſſung angenommen und das ſozialdemokra⸗ tiſche Penſionskürzungsverlangen dem Aus⸗ ſchuß überwieſen. Dann erledigte man nach kurzer Anſprache noch die Haushalte des Rechnungshofs, des Reichs⸗ ſparkommiſſars und der Schulden ver⸗ waltung in zweiter Leſung. Ferner wurde eine Ausſchußentſchließung angenommen, die den Reichs⸗ ſparkommiſſar beauftragt, den Perſonalbeſtan d in den Reichsminiſterien des Verkehrs, des Innern, der Wirtſchaft und der Ernährung zu prüfen und ſein Gutachten dem Reichstag vorzulegen. Auf die heu⸗ tige Tagesordnung ſind nur kleine Vorlagen geſetzt worden. Man muß wohl oder übel— Anfang Juli eigentlich ein Kurioſum— den Beratungsſtoff ſtrecken. Die großen geſetzgeberiſchen Arbeiten, die der Reichstag noch vollenden ſoll, die Vorlagen zur Oſthilfe und die Arbeitsloſenverſiche⸗ rungsrefor m, werden im Augenblick erſt in den Ausſchüſſen beraten. Ebenſo wird, wie wir bereits hier ausführten, mit dem geſtern vom Reichsrat ver⸗ abſchiedeten Deckungsprogramm das Plenum früheſtens am Montag ſich beſchäftigen können. Auf heute vormittag iſt der Aelteſtenrat einberufen wor⸗ den, um die Dispoſitionen für die nächſte Zeit zu be⸗ raten. Reichskommiſſar für Reichsre form? Drahtbericht unſeres Berliner Büros Berlin, 4. Juli. Innerhalb der Reichsregierung wird, wie der de⸗ mokratiſche Zeitungsdienſt erfährt, der Plan erör⸗ tert, einen beſonderen Reichskommiſſar einzuſetzen, der einen Entwurf über die Reichsreform fertig ſtel⸗ len ſoll. Die Reichsregierung wünſche damit die Ar⸗ beiten zur Reichsreform nach Möglichkeit zu beſchleu⸗ nigen. Aeberflüſſiger„Vahnſchutz Drahtung unſeres Pariſer Vertreters Paris, 4. Juli. Nach der Rheinlandräumung konnte es nur noch eine Frage von Tagen ſein, daß die franzöſiſchen und belgiſchen Truppen im Saargebiet denen lediglich die Aufgabe des Bahnſchutzes übertragen war, den Abzugsbefehl erhielten. Von den verſchiedenſten Seiten wurde der 10. Juli als Abmarſchdatum ge⸗ nannt. Der„Matin“ veröffentlicht hierzu die fol⸗ gende halbamtliche Erklärung: Der Auftrag der etwa 400 Köpfe ſtarken interalliierten Truppen beſtand darin, die Eiſenbahnverbindungen zwiſchen Frank⸗ reich und dem beſetzten Gebiet zu ſchützen. Infolge der Rheinlandräumung iſt dieſe Sorge gegenſtandslos geworden. Die Saar⸗ kommiſſion wird ſich unter dieſen Umſtänden in ſehr naher Zukunft über die Zurückziehung der Truppen auszuſprechen haben. Aufruf des heſſiſchen Innenminiſters Darmſtadt, 3. Juli. Der heſſiſche Innenminiſter erläßt an die Bepöl⸗ kerung des befreiten heſſiſchen Gebiets folgender Aufruf: ö Letzte Nacht ſind in Mainz von Un verant⸗ wortlichen ſchwere Ausſchreitungen be⸗ gangen worden, die im Intereſſe des Anſehens un ſeres Landes auf das ſchärfſte verurteilt wer⸗ den müſſen, zumal davon auch gänzlich unbelaſtets ehrenwerte Bürger betroffen worden ſind. Die Be⸗ freiungsſtunde erfordert von der ganzen Bewöl⸗ kerung ein würdiges, dem Ernſt der Zeit ent⸗ ſprechendes Verhalten. Wenn jemand in den kritiſchen Jahren der Beſetzung eine zweifelhafte Haltung ein⸗ genommen hat, ſo iſt er durch das Urteil ſeiner Mit bürger zur Genüge beſtraft. Ich weiß, daß auch die Bevölkerung des befreiten heſſiſchen Gebiets ſolche Roheitsakte verurteil in dem Gefühl, daß der weltgeſchichtliche Vorgang der Befreiung nicht durch Handlungen nta werden darf, die der Größe unſerer Sache wider ſprechen. 0 Ich habe die Polizeibehörden angewieſen, gegen jede Ausſchreitung unter Anwendung aller polizeie lichen Mittel rückſichtslos vorzugehen. Die Ordnung und der öffentliche Frieden müſſen unter allen Umſtänden gewahrt werden. Ich weiſe darauf hin, daß für alle Vermögens⸗ und Sachſchäden unten Umſtänden die Geſamtheit aufzukommen hat. Darmſtadt, 3. Juli. gez. W. Leuſchner, Miniſter des Innern. * Mainz, 3. Juli. Nach Feſtſtellungen der Polizeiverwaltung ſin bei den Unruhen 32 Verhaftungen vorgenom⸗ men worden. Die Zahl der beſchädigten Läden ung Wohnungen beläuft ſich auf 21. 6 Separatiſtenfurcht — Mainz, 4. Juli. Aus Angſt vo., Racheakten d Bevölkerung hat ſich der Arzt Dr. Friedrich Rot ein von den dortigen Hauptführern der Separatiſten⸗ bewegung, mit ſeiner Frau durch Zyankalz zu vergiften verſucht. Die beiden wurden unten dem Schutze der Polizei ins Krankenhaus eingelie⸗ fert, wo ſie hoffnungslos darniederliegen.— Auch ſonſt haben ſich zahlreiche Perſonen aus Furcht vor Ueberfällen in polizeilichen Schutz begeben. Letzte Meloͤungen Glückwunſchtelegramm der Sowjetunion zur Rheinlandräumung — Moskau, 3. Juli. Der Volkskommiſſar für auswärtige Angelegenheiten, Litwinow, hat an Reichsminiſter Dr. Curtius ein Telegramm ge⸗ ſandt, in dem er namens der Sowjetregierung die Reichsregierung zur Beendigung der Beſetzung des deutſchen Gebietes durch ausländiſche Truppen be⸗ glückwünſcht. In dem Telegramm heißt es: N „Die Sowfjetregierung hat am 13. Januar 192 vor der ganzen Welt gegen die Beſetzung deutſchen Gebietes proteſtiert und nimmt mit beſonderer Be⸗ friedigung von der Wiederherſtellung der deutſchen Souveränität im Rheinland Kenntnis.“ Doumergue empfängt General Guillaumat — Paris, 4. Juli. General Guillaumat, der che⸗ malige Oberkommandierende der Beſatzungstruppen im Rheinland, weilte geſtern nachmittag beim Präſi⸗ denten der Republik, um ihm über den ordnungs⸗ gemäßen Rückzug der Beſatzungstruppen aus dem Rheinland Bericht zu erſtatten. 3302 Inder im Gefängnis — London, 4. Juli. Der Staatsſekretär für In⸗ dien, Wedgwood Benn, teilte in einer ſchriftlichen Antwort auf eine parlamentariſche Anfrage mit, daß die Zahl der Perſonen, die im Zuſammenhang mit der Gandhi⸗Bewegung in Indien verhaftet wurden und ſich gegenwärtig im Gefängnis befinden, 3302 beträgt. „E.—— ͤœv‚P———.————...—.:.—. Mannheimer Kunſtverein Kaſſeler Künſtler und Andere Wenn man auf den erhaltenen kleinen Führer der Gemälde einen kurzen Blick wirft, auf dem alles in kleinen Buchſtaben verzeichnet iſt, glaubt man, daß es ſich hier um eine ganz abſtrakte Gruppe handle. Man hat es aber hier lediglich mit einem Zuſammenſchluß beliebiger Kaſſeler Künſtler zu tun, von denen ſich jedoch die meiſten zur modernen Ma⸗ lerei bekennen. Arnold Bode bietet einige amüſante Stilleben, ein Vogeſendorf mit Friedhof und ein Blick in eine Vogeſenlandſchaft, von ſeiner kürzlichen franzöſtſchen Reiſe herrührend, illuſtrativ wirkend und mit kräf⸗ tigem Ausdruck. Von Karl Doebel intereſſiert im beſonderen ein hervorragendes Bild dreier Jazz⸗ ſänger, mit unerhörter Wucht, in Beckmannſcher Manier. Ein Stilleben von ihm iſt in ähnlicher Art. Bernhard Delſing zeigt zwei Badeſzenen, Gruppen vor dem Waſſer, ſowie zweit Damen⸗ porträts mit wenigen gutſitzenden temperament⸗ vollen Pinſelſtrichen gemalt, in guter Wirkung und heller, lichter Farbe. Drei Stilleben von H. Nebel feſſeln durch ihre Art, amüſant aus Zeitungsfetzen, Blättern und Früchten zuſammengeſtellt in neuſach⸗ licher Manier. Der Blick auf die Söhre, ſowie das Kinderbildnis von Lola Schwarzenberg ſtel⸗ len die harmoniſche Farbe, die gute Wirkung, licht und locker in den Vordergrund. Heinrich Derſchs Stilleben mit verſchiedenem Beiwerk Fiſchernetze und Waſſerfall im Schwarzwald ſind wuchtig und kräftig in der Farbe. Das Waldinnere von Auguſt Anhalt iſt ein in großen Zügen gemaltes Motiv unter Verwendung von grün in allen Nuancen. Ehriſtian Beyers Aquarelle ſind unter Ver⸗ wendung des Papierausfluſſes gemalt, auch das Stilleben mit Schaukelpferd iſt von ihm und auch von großer Kraft. Das vibrierende Farbenſpiel der ſturmgepeitſchten Wellenſchläge der Nord⸗ und Oſtſee verwendet Georg Burmeſter in ſeinen Bildern. Gut ſind auch die Bilder von Max Kne tſel mit den Häuſerpartien aus Kaſſels Umgebung, die ob ihrer Nüchternheit und trotzdem harmoniſcher Ge⸗ ſtaltung, feſſeln. Joſef van Brackel zeigt eine gutgeſehene heſſiſche Landſchaft. Hugo Rohleder bevorzugt Porträts mit ſprechendem Ausdruck. Die Landſchaften von Walter Schliephake haben einen romantiſchen Zug. Die Plaſtik iſt außerordentlich gut vertreten. Kurt Lehmann zeigt einige mit Feingefühl ſehr gut ge⸗ ſtaltete Arbeiten, die einen günſtigen Eindruck hinter⸗ laſſen. Es ſeien von ihm beſonders eine Liegende und der Kopf der Bildhauerin D. H. erwähnt. Schließlich noch Fritz Wachsmuth mit der Port⸗ rätbüſte des Schauſpielers Paulmüller, insbeſondere aber— das beſte Stück dieſer Ausſtellung— eine treffliche Beweinung Chrtſtt, eine in Holz kombinierte Gruppe von äußerſt empfindſamen Köpfen, ſcharf⸗ geſchnitten und voll Ausdruckes. Einige weitere Künſtler— die nicht zu dieſer Gruppe gehören— füllen den übrigen Platz noch aus, vor allem Sötebier⸗ München mit einem harmoniſchen und ſympatiſchen Akt in Bronze, de⸗ zent in der Linie von modernklaſſiſcher Schönheit, die ganze Haltung ſehr fein, locker und gelöſt, echt weiblich. Schließlich noch Otto Rein müller⸗ Innsbruck und Karl Kabis⸗pforzheim, zwei echte Heimatmaler, von denen der erſte Tiroler Motive in Schnee und Sonne ſowie Tiroler Architekturen und Partien, der andere Schwarzwaldlandſchaften, Seeſtücke, ſowie Blumenbilder in verſchiedener Art malt. W. O Reinhardt⸗Pläne. Max Reinhardt wird im Herbſt Hauptmanns„Griſelda“ an einer ſeiner Bühnen neu inszenieren. Weiter beabſichtigt Reinhardt Offenbachs Operette„Die Prin⸗ zeſſin von Trapezunt“ vollkommen neu be⸗ arbeiten zu laſſen und im Laufe der nächſten Spiel⸗ zeit im Deutſchen Theater herauszubringen. — Die erſte Premiere der Komödie in der neuen Spielzeit wird die als Gedenkfeier für Hofmauns⸗ tha! bereits angekündigte Repriſe des Luſtſpiels „Der Schwierige“ ſein.— Shakeſpeares „Der Widerſpenſtigen Zähmung“ ſoll ebenfalls in einer völligen Neueinſtudierung im Deutſchen Theater gegeben werden. Theater und Muſik Die Intendanz des Freiburger Stadttheaters hat für die kommende Spielzeit u. a. Edith Maer⸗ ker als dramatiſche Sängerin und Walter Rieß⸗ land als jugendlichen Liebhaber, beide vom Natio⸗ naltheater Mannheim, verpflichtet. Vom Spielplan 1930—31 der Kölner ſtädtiſchen Bühnen. Schauſpielhaus(neuer Intendant Fritz Holl). Uraufführungen: Corrinth „Sektion Rahnſtetten“(gleichzeitig mit Mannheim); Frank:„Sturm im Waſſerglas“. Erſtauffüh⸗ rungen: Shaw:„Der Kaiſer von Amerika“; Reh⸗ fiſch⸗Herzog:„Die Affaire Dreyfuß“; Ortner:„Inſu⸗ linde“; Bruckner:„Elifabeth von England“; Czokor: „Die Geſellſchaft der Menſchenrechte“; Pagnol: „Marius“; Bourdet:„Soeben erſchienen“ und„Das ſchwache Geſchlecht“; Carpenter:„Vater ſein dagegen ſehr“; Benatzky:„Meine Schweſter und ich“. Neu⸗ inſzenierungen: Shakeſpeare:„Troilus und Creſſida“; Schiller:„Die Jungfrau von Orleans“ und„Die Braut von Meſſina“; Ibſen:„Peer Gynt“; Grabbe:„Scherz, Satire, Ironie und tiefere Be⸗ deutung“. Für eventuelle Aufführung von im kom⸗ menden Spielfahre noch erſcheinender Neuheiten iſt Raum vorgeſehen. Ferner ſollen, wie mitgeteilt wird, wegen der Erwerbung weiterer Werke, die einige typiſche Vertreter der jungen und jüngſten Dichtergeneration in Uraufführungen einer Studio⸗ bühne zu Wort komen laſſen, Verhandlungen im Gange ſein, deren Abſchluß in Bälde zu erwarten iſt. — Opernhaus. Erſtaufführungen: Berg: „Wozgeck“; von Franckenſtein:„Li tai re“; Verdi: „Macbeth“; Rimskif⸗Korſſakow:„Sadka“; Offenbach: „Madame Favart“(Operette); Suppé:„Die große Unbekannte“(Operette) Neueinſtudierungen: Beethoven:„Fidelio“; Gounod:„Margarete“; Wag⸗ ner:„Tannhäuſer“,„Lohengrin“,„Rheingold“ und „Walküre“; Braunfels:„Die Vögel“; Lortzing:„Un⸗ dine“; Zeller:„Der Vogelhändler“(Operette); Kün⸗ neke:„Der Vetter aus Dingsda“(Operette).— Wie man ſieht, hält ſich der durch keine Uraufführung belaſtete, an erſter Stelle den längſt abgewirtſchaf⸗ teten„Wozzeck“ Alban Bergs präſentierende Spiel⸗ planentwurf des Opernhauſes in recht beſcheidenen Grenzen, und daß Intendant Hofmüller dabez gar 4 Operetten ankündigt, will mit der Tradition des früher beſonders hohen Anſehens ſich erfreuen⸗ den Kölner Opernhauſes auch nicht recht überein⸗ ſtimmen. l. OHeimatſpiele auf dem Kyffhäuſer. Am 6. Juſſ veranſtaltet der deutſche Reichskriegerbund Kyff⸗ häuſer auf der großen Terraſſe des Kyffhäuſer⸗ denkmals eine Aufführung eines hiſtoriſchen Heimatſpieles, das ein kulturgeſchichtliches Bild aus dem Zeitalter der Hohenſtaufen mit Ge⸗ ſang⸗ und Sprechchören und Inſtrumentalmuſik bieten ſoll. Dargeſtellt wird ein Beſuch Kaiſer Fried⸗ rich Barbaroſſas und ſeiner Gemahlin Beatrix von Burgund auf der Burg Kyffhuſen im Jahre 1188. Die Lieder des Heimatſpiels ſtammen aus dem ſo⸗ genannten„Loocheimer Liederbuch“ einer alten Hand⸗ ſchrift aus der Fürſtlich Stolbergſchen Bibliothek in Wernigerode. Während dieſe Lieder jedoch etwas „moderniſiert“ wupden, ſoll ein Lied Walters von der Vogelweide und Heinrichs von Morungen im mittelhochdeutſchen Urtext geſungen werden. O Abbruch des Stammhauſes Beethovens. Erſt vor wenigen Jahren hat der belgiſche Muſikforſcher Raymond van Aerde mit Sicherheit feſtgeſtellt, 8 daß der Großvater Ludwig van Beethovens, der kur⸗ kölniſche Hofkapellmeiſter gleichen Namens, nicht, wie bisher immer angenommen, aus Antwerpen, ſondern aus Mecheln ſtammte, und auch ſein Geburtshaus gefunden. Im vorigen Jahre faßte denn der Ge⸗ meinderat von Mecheln den Beſchluß, an dem alten Hauſe der ſehr engen Steenſtraße eine Gedenk⸗ tafel anbringen zu laſſen. Seitdem hörte man darüber nichts mehr. Wie nun aber der Deutſchen Muſikerzeitung aus Brüſſel berichtet wird, ſoll das Stammhaus der Beethoven— heute„Mu⸗ ſchel⸗ und Fiſchhaus“ bezeichnet— abgebrochen werden. Es wurde von einer gegenüberliegendn gro⸗ ßen Brauerei angekauft, und zwar ausgeſprochen zu dieſem Zweck; denn es iſt— ihren breiten Bierwagen im Wege. Sollte ſich ein ſölches Los wirklich nicht abwenden laſſen? a 5 * 3 8 N r eee ber eeee 1 .
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141 (4.7.1930) 302. Mittagsblatt
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