ö 1 U 7 10. Seite/ Nummer 610 Neue Mannheimer Zeitung/ Neujahrs⸗Ausgabe Samstag, 31. Dez. 1932 Sonntag, 1. Jan. 1933 ö 5. .„ büter der deutſchen Mannſchaft, iſt nach ſeiner Verheira⸗ Rudern: Goldene Medaille: Berliner R.., Payot Meiſterin der Damen. In der Weltrangliſte der Der Mannheimer T W 1846 trug im Laufe des . tung fetzt vom altiven Sport zurückgetreten. ilberne Medaillen: Er hat wäh⸗ rend ſeiner langen Schwimmerlaufbahn über 750 Stege errungen. Unvergeßlich wird ſein Siegeszug durch die Ver⸗ einigten Stagten ſein. In Amſterdam blieb ihm durch Ueberbeanſpruchung in der Staffel und beim Waſſerball die goldene Medaille verſagt. Er konnte hinter dem Ja⸗ paner Tſuruta den zweiten Platz belegen. Sietas wurde über 200 Meter Bruſt Vierter; auch Frl. Jordan kam im Kunſtſpringen auf den vierten Plotz. 5. Plätze belegten Küppers über 100 Meter Rücken und Eſſer im Kunſt⸗ ſpringen. Die deutſchen Schwimmer müſſen ſich beſonders im Springen, wo ſie früher tonangebend waren, umſtellen. Der Vollſtändigkeit halber bringen wir eine — Ehrenliſte der Dlympiafieger Athletik: Goldene Medaillen: Ismayr, Ge⸗ wichtheben Mittelgewicht; Brendel, Ringen Bantam⸗ gewicht. Silberne Medaillen: Wölpert, Ge⸗ wichtheben Federgewicht; Földeak, Ringen Mittel⸗ gewicht; Ehrl, Ringen Federgewicht; Sperling, Ringen Leichtgewicht. Bronzene Medaillen: Straßberger, Gewichtheben Schwergewicht. Vierte Plätze: Schäfer, Gewichtheben Federgewicht; Föl⸗ deak, Freiſtilringen Weltergewicht; Gehring, Ringen Schwergewicht. 1 Boxen: Silberne Medaillen: Ziglarſki, Ban⸗ a tamgewicht; Schleinkofer, Federgewicht; Cam pe, Weltergewicht. Die Erfolgsſerie der Mannheimer„Amicitia“, die ſeit 1928 nicht unterbrochen wurde, fand in Los Angeles mit der ſilbernen Medaille im Vierer ohne Steuer⸗ mann ihre Krönung. Wir haben hierüber bereits an an⸗ derer Stelle ausführlich berichtet. Wie recht Ruderlehrer Gwinner mit ſeiner Ausbildung hatte, zeigte der harte Endkampf im Vierer ohne gegen England. Nach den vorher⸗ gehenden Anſtrengungen im Achter und Vierer hatte man kaum damit gerechnet, daß ſich die Mannheimer Ruderer im Vierer noch durchſetzen würden. Im Laufe des Jah⸗ res gingen die Mannheimer nicht ſo oft wie in den vorher⸗ gehenden Jahren an den Start. Aber jeder Start der Meiſtermannſchaften wurde auch ein überzeugender Sieg. Die Erfolge der„Amicitio“ brauchen wir hier nicht mehr einzeln aufzählen, da wir ſie im Lauſe des Jahres ent⸗ ſprechend würdigten. Der Berliner RC beteiligte ſich im Juli an der Henley⸗ Regatta. Bußhtz ſiegte im Diamond Skulls, der Vierer mit Steuermann wurde vom Tha⸗ mes RC London klar geſchlagen. Los Angeles brachte im Vierer mit eine goldene und im Doppelzweier(Buhtz⸗ Boetzelen) eine ſilberne Medaille. Mit dem Abſchneiden in Los Angeles iſt der Heutſche Ruderſport an die beſte Weltklaſſe herangewachſen. Wichter Flieger-Weltmeiſter Die Radweltmeiſterſchaften, die vom 7. Auguſt bis 7. September in Rom ausgetragen wurden, Hrachten dem jungen Richter bei den Amateurfliegern die Weltmeiſterſchaft. Bei ſeinem ſpäteren Ueber⸗ tritt ins Lager der Berufsfahrer konnte er ſofort ſeine hohe Klaſſe unter Beweis ſtellen. Sa wall konnte ſeinen Weltmeiſtertitel bei den Stehern nicht behalten, er wurde von Paillard ⸗ Frankreich geſchlagen. Möller⸗ Deutſchland wurde Dritter. Die anderen deutſchen Fahrer konnten ſich nicht durchſetzen. Der erfolgreichſte Steher 1932 war Sawall mit 298 Punkten vor Pail⸗ B lard⸗Frankreich, Krewer, Möller und dem jungen Metze (alle Deutſchland). Vierer mit Steuermann. Si „Amicitia“ Mannheim, Vierer mann; Berliner R.., Doppelzweier. Leichtathletik: Silberne Medaillen: ohne Steuer⸗ Ellen Bra u⸗ müller, Speerwerfen; amal 100 m⸗Staffel mit Körnig, Hendrix, Borchmeyer und Jonath.— Bronzene Medaillen: Tilli Fleiſcher, Speerwerfen; Jonath, 100 Meter; Eber le, Zehn⸗ kampf. Vierte Plätze: Hirſchfeld, Kugelſtoßen; Weimann, Speerwerfen; Jonath, 200 Meter; Hähnel, 50 Kilometer⸗Gehen; Dol linger. 100 m für Frauen. 4mal 400 Meter⸗Stafſel(Büch⸗ ner, Nehb, Metzner, Dr. Peltzer): Frl. Fleiſcher, Dis⸗ kus. Fünfte Plätze: Syring, 10 000 Meter; Heublein, Diskus für Frauen; Sievert, Zehn⸗ kampf. Sechſte Plätze: Syring, 5000 Meter; Sievert, Kugelſtoßen; Sievert, 50 Kilometer⸗ Gehen; 4mal 100 Meter⸗Staffel für Frauen; Welſcher, 110 Meter Hürden. Piſtolenſchießen: Silberne Medaille: Oberleutnant Hax. Fechten: 4. Platz: Cas mir im Säbelfechten u. 5. Platz im Florettſechten; 5. Platz: Helene Mayer im Florettfechten. Schwimmen: Silberne Medaille im Waſſerball; 4. Plätze: Sietas 200 Meter Bruſt; Frl. Jordan, Kunſtſpringen. 5. Plätze: Küppers, 100 Meter Rücken; Eſſer, Kunſtſpringen. Segeln: 4. Platz: Behr. Fünfkampf: 5. Platz: Remer; 6. Platz: Mierſch. Die Mannheimer„ Amieitia“ Welthlaſſe Bei den Weltmeęeiſterſchoften im Zweier⸗ und Sechſer⸗Raſenradball konnte Wander⸗ luſt⸗ Frankfurt ſeinen Titel von 1981 mit Erſolg vertei⸗ digen. Die Europameiſterſchaft im Einer⸗ Kunſtfahren holte ſich wieder Stricker ⸗ Schweiz vor Heidenreich ⸗ Breslau mit knappſtem Vorſprung. Am 28. Januar gewannen die deutſchen Berufsfahrer in Brüſſel den Länderkampf gegen Belgien mit 211. Der Radländerkampf gegen Frankreich in Paris wurde von Deutſchland 018 verloren. Erfolgreiches Jahr im Tennis Deutſchland, das 1931 im Kampf um den Davis⸗Pokal wenig Glück hatte, überraſchte in dieſem Jahr um ſo an. genehmer. Mit dem Wiedereintritt Prenns in die deutſche Davispokalmannſchaft und der hervorragenden Form des jungen v. Cramm eilte dieſe von Sieg zu Sieg. Erſt im Endkampf gegen Amerika mußte ſie ge⸗ ſchlagen zurücktreten. Indien verlor den erſten Kampf vom.—9. Mai in Berlin mit:5, Oeſterreich mußte in Wien 14 Tage ſpäter mit:3 die Ueberlegenheit der Deutſchen anerkennen. England unterlag in Berlin mit dem gleichen Ergebnis. Italien kam in Mailand überhaupt nicht zu Wort und gab alle Punkte ab. Der deutſche Sieg mit:0 war überzengend. Das Schluß ſpiel gegen Amerika ging in Paris nach äußerſt dramatiſchem Endkampf:3 für Deutſchland ver⸗ loren. Mit Glück hätte das Ergebnis auch ebenſogut umgekehrt lauten können. Bei den Weltmeiſterſchaften in Wimbledon ſchieden ſämtliche deutſchen Teilnehmer aus. ECilly Auß e m, die Weltmeiſterin von 1931 mußte durch Krank⸗ heit längere Zeit ausſetzen. Sehr gute Leiſtungen boten die Damen Krahwinkel und Horn. Bei den inter⸗ nationalen deutſchen Meiſterſchaften in Hamburg wurde v. Cramm Meiſter der Herren und die Schweizerin Herren nimmt Prenn den 6. und v. Cramm den 8. Platz ein. Bei den Damen wurde Frl. Krahwinker an die 5. und Frl. Horn an die 8. Stelle geſetzt. Ein ganz außerordentlicher Erfolg. Die D im Jeicken des Turufoſtes Die Jahresarbeit der Deutſchen Turnerſchaft ſtand be⸗ reits im Zeichen des Deutſchen Turnfeſtes in Stuttgart. Das Hauptintereſſe beanſpruchten jeweils die verſchiedenen Kunſtturnwettkämpfe und die Deutſche Gerätemeiſterſchaft in Berlin vom 12. und 13. November. Ueberraſchend wurde Frey⸗ Kreuznach mit 178,5 Punkten Meiſter vor Winter⸗Frank⸗ furt mit 178 und Steffens⸗Bremen mit 177. Bei dieſen Meiſterſchaften ſchnitten auch die Mannheimer Turner ganz ausgezeichnet ab. En dreß⸗Mannheim belegte mit 133 Punkten als älteſter Teilnehmer den 45. Platz. Jahres eine ganze Anzahl Kunſtturnwettlämpſe aus, die er alle ſiegreich beſtehen konnte. Bei dem Eidgenöſſiſchen Turnfeſt in Aarau erhielt dis Riege des T V 46 einen Lorbeerkranz 1. Klaſſe. Beim Kunſtturnen der Senioren erzielte Endreß von 60 erreichbaren Punkten 56,90. Für 6 Uebungen wurden die Leiſtungen mit voller Punktzahl gewertet. Den größten Erfolg erzielten die Mannheimer Kunſtturner beim Kunſtturn⸗Städtekampf in Stettin, an dem ſie zum erſten Mal teilnahmen. Mit 1368 Punkten, vor Tu SpV Spandau mit 1313 und Guts Muths Berlin mit 1277 Punkten holten ſich die Mannheimer zum erſten Mal den Wanderpreis der Stadt Stettin. Auch die zweite Riege verlor keinen Kunſtturnwettkampf. Der Nachwuchs iſt alſo ganz ausgezeichnet. Die Entwicklung der DT auf allen anderen Sportgebieten zeigt ſich am beſten in den verſchiedenen neuen Höchſtleiſtungen, die immer mehr denen der an⸗ deren Sportverbände nahekommen. Die Breitenarbeit in der D und die Jugenderziehung ſind vorbildlich. Die übrigen Sportarten wie Handball, Hockey, Rugby uſw. traten inter⸗ national weniger in Erſcheinung. Im Handball⸗ ſport gab es nur ein Länderſpiel. Am 28. Auguſt wurde Oeſterreich in Weißenfels von der deutſchen Nationalmannſchaft 15:11(10:3) geſchlagen. Unſere Hocke y⸗ ſpieler trugen zwei Länderkämpfe aus. Oeſterreich unterlag am 10. April in Leipzig:10. Deutſchland mußte ſich am 11. September in München der indiſchen Wundermannſchaft 015(:4) beugen. Im Mo⸗ torrad⸗ und Autoſport hielten ſich die deutſchen Fahrer und Marken gegen die internationale Konkurrenz ſehr gut. Beſonders im Automobilſport machte ſich die Wirtſchaftskriſe ſtark bemerkbar. Bei den Reitern waren die deutſchen Tur⸗ nierreiter im vergangenen Jahr wie immer ſehr erfolgreich. Beim internationalen Tur⸗ nier in Rom vom 30. April bis 8. Mai errang Deutſch⸗ land 4 Siege, 4 zweite und 3 dritte Plätze. Der Muſſo⸗ ltut⸗Goldpokal konnte von deu deutſchen Reitern zum zweiten Mal gewonnen werden. Sollten ſie in der Lage ſein, ihn 1933 zum dritten Mal zu erringen, würde er endgültig in deutſchen Beſitz übergehen. Im Rugbyſport haben wir den internationalen Standard noch nicht erreicht. Engliſche Mannſchaften kämpften mit wechſelndem Erfolg in Deutſchland. Die Oxford Greyhounds ſchlugen den Sc 1880 Frank⸗ furt einmal 32:10 und im zweiten Spiel mit 33:8. Schwä⸗ chere engliſche Mannſchaften mußten ſich in Hannover, Heidelberg und Norddeutſchland eindeutige Niederlagen gefallen laſſen. Den Länderkampf gegen Frank⸗ reich verlor Deutſchland am 17. April in Frank⸗ furt mit:20. Der Rugbyſport kann ſich in Deutſchland nicht recht durchſetzen. Im Fechten hat Deutſchland außer Erwin Cas mir und Helene Mayer wenige Vertreter, die der inter⸗ nationalen Klaſſe gewachſen wären. Helene Mayer konnte in Los Angeles durch Pech nur den 5. Platz belegen. Der unverwüſtliche Casmir kam im Florett⸗ und Säbelfechten, obwohl er lange Zeit ausgeſetzt hatte, zu ſchönen Erfolgen. Bei den Olympiſchen Winterſpielen in Lake Placid war Deutſchland ſehr ſchwach vertreten. Skiläufer waren überhaupt keine am Start, nur Eisläufer, Bobfahrer und eine Eishockey⸗ mannſchaft griffen in den Kampf der Weltbeſten ein. Im Viererbob wurde die Mannſchaft Kilian Drit⸗ ter. Ueber die Unfälle der deutſchen Bobfahrer in Los Angeles haben wir ſ. Zt. ausführlich berichtet. Ohne die⸗ ſes fürchterliche Pech wäre Deutſchland weiter vorne ge⸗ weſen. Im Eishockey kam Deutſchland auf den drit⸗ ten Platz. Im Geſamtklaſſement nahm Deutſch⸗ land die 7. Stelle ein. Bei den Europameiſterſchaften im Eis⸗ ſchnellaufen hielt ſich der Berliner Bar wa verhält⸗ nismäßig gut. Ueber 1500 Meter kam er auf den 10. Platz, bei 5000 und 10 000 Meter gelang es ihm, den 8. Platz zu belegen. In der Geſamtplazierung der Europameiſterſchaft landete er an 8. Stelle. Bei den Weltmeiſterſchaf⸗ ten der Eiskunſtläufer wurde Bailer ⸗Deutſch⸗ land Dritter hinter Schäfer⸗Oeſterreich und Wilſon⸗Kanada. Bei den Akademiſchen Skiwettläufen in Grin⸗ delwald wurde im Langlauf(14 Km.) Kl. 2 Dr. Oſter⸗ meier⸗München Sieger, der auch im Sprunglauf der Kl. 2 auf dem erſten Platz endete. Die anderen Heutſchen Teilnehmer belegten hier noch gute Plätze. Die Eis ⸗ hockey⸗Europameiſterſchaften, die Deutſchland 1930 in Chamonix den Sieg brachten, ſahen diesmal in Berlin die deutſche Mannſchaft erſt auf dem 4. Platz hinter Schweden, Oeſterreich und der Schweiz. Wir haben verſucht einen Ueberlick über die Leiſtungen des deutſchen Sports im Jahre 1932 zu geben; die Dar⸗ ſtellung erhebt nicht den Anſpruch auf Vollſtändigkeit. Es ſollte lediglich ein Geſamtbild über die großen Leiſtungen und Veranſtaltungen gegeben werden. Die Olympiſchen Spiele, die 1936 in Berlin ſtattfinden, werden die deutſchen Sportverbände veranlaſſen, ſchon jetzt gründliche Vorbereitungen zu treffen. Verſchiedene Ver⸗ bände haben auch bereits neue Richtlinien aufgeſtellt, nach denen der Nachwuchs für Berlin ſyſtematiſch herangebildet werden ſoll. Bei der zentralen Lage von Berlin iſt damit zu rech⸗ nen, daß die Olympiſchen Spiele 1936 einen noch beſſeren Beſuch als die in Los Angeles aufzuweiſen haben werden. Es gilt Deutſchland nicht nur ſportlich, ſondern auch als gaſtgebendes Land würdig zu vertreten. Hoffentlich brin⸗ gen uns die Spiele neben den ſonſtigen Erfolgen auch endlich einmal den erſten Sieg in der Leicht⸗ athletik. Willy Müller. 5 Silveſternächte des Grauens Die letzte Nacht des alten Jahres wird auf der 0 ganzen Welt in ausgelaſſenſter Stimmung gefeiert. 4 Heberall herrſcht Freude und Fröhlichkeit, überall feiert man den Jahreswechſel in rauſchenden Feſt⸗ a lichkeiten. Althergebrachter Brauch, geheiligte Tra⸗ 1 dition iſt es, das alte Jahr in freudigſter Weiſe zu Grabe zu tragen und das neue ebenſo zu beginnen. Wenn es nun Ausnahmen gibt, Ausnahmen, die aus Silveſternächten des Glückes und des Frohſinns Nächte des Grauens gemacht haben, ſo iſt es 1 e e daß derartige letzte Stunden des Jahres in die Weltgeſchichte eingegangen ſind. Vielleicht eignen ſich gerade Silveſternächte beſonders zu furcht⸗ baren, grauenerregenden Taten, jene Nächte, in g denen die Allgemeinheit an nichts Böſes denkt und „ ſich ungetrübt der Feſtesfreude hingibt. Solches 1 Nichtsahnen zu ſchrecklichen Verbrechen 1 auszunützen, blieb einzelnen Scheuſalen vorbehalten. Eines der grauenerregendſten Verbrechen, das jemals begangen wurde, ereignete ſich in der Silveſternacht des Jahres 1857. f In einem feudalen Schloß der engliſchen Graftſchaft 1 Worcheſter feierte man wie überall den Beginn des neuen Jahres. Zahlreiche Gäſte aus der Umgegend waren geladen. Die Damen ſtrahlten im Glanze eleganter Toiletten und des wertvollen Familien⸗ 5 5 ſchmuckes, die Brillantknöpfe in den Hemdoͤbrüſten 8 der Heren blinkten und blitzten in der feenhaften Beleuchtung des großen Feſtſaales. Es floß der Sekt, und der Alkohol tat ſeine Wirkung. Um Mitternacht war die Stimmung auf das Höchſte geſtiegen. Mit dem Glockenſchlag 12 erloſch nach alter Sitte das Licht. Es ertönten die 12 Schläge— ungeheurer Jubel— Rufe— Schreiel! Niemand ahnte, daß ſie etwas anderes bedeuteten wie Ausdrücke höchſter Fröhlichkeit. Bis ein mark⸗ erſchütternder Hilferuf durch den Saal gellte! Alles war plötzlich ſtill und lauſchte.— Man hörte ein — N furchtbares Stöhnen! 55 f Man ſchrie nach Licht— kein Lämpchen flammte 5 auf. Es blieb alles finſter. Bis auf einmal heller Feuerſchein an den hohen Fenſtern ſichtbar wurde, und Rauch und Brandgeruch die Gäſteſchar in Schrecken verſetzte. Jeder verſuchte in der Dunkel⸗ heit die Türen zu erreichen, um ins Freie zu ge⸗ langen. Alles war verſperrt! Ein wildes Handgemenge begann, ein rück⸗ ſichtsloſer Kampf unter den Eingeſchloſſenen. Man zertrümmerte die Fenſter, ſprang hinunter in die dunkle Tiefe! Höchſtes Entſetzen! Der aus den umliegenden Dörfern herbeigeeilten Feuerwehr gelang es nach ſtundenlangem Bemühen des Feuers Herr zu werden. Die Entdeckung, die man aber nachher machte, erhellte eines der furcht⸗ barſten Verbrechen, die die Kriminalgeſchichte Eng⸗ 5 lands jemals gekannt hat. 2 5 Im großen Feſtſaal lagen 17 Perſonen mit bdurchſchnittenen Kehlen, aller Schmuck⸗ gegenſtände beraubt. Außerdem noch 8 Frauen, die 4—. 8 im Tumult totgetreten oder im Rauch erſtickt waren. 5 Von den Geretteten waren 4 Frauen und 3 Männer N in Wahnſinn verfallen. oroskop 19 Niemals wurden die Beſtien, die dieſe entſetzliche Tat in der Silveſternacht begangen hatten, entdeckt, und heute noch getraut man ſich in der Grafſchaft die Silveſternacht nicht in unbekümmerter Fröhlich⸗ keit zu begehen. Silveſter 1812 in Moskau! Napoleon hatte die brennende Stadt verlaſſen. Zar Alexander verfolgte den Feind. Alle Kirchenglocken wurden ſchnell zu Kanonen umgegoſſen. Im Arſenal arbeitete man Tag und Nacht. In der Silveſternacht wollten die Arbeiter wenigſtens für einige Stunden Ruhe haben. Sie verweigerten die Arbeit. Wutentbrannt ſchrie der verantwortliche Offizier, Fürſt Nariſchkin, den Werkmeiſter Nardow an. Dieſer erklärte, daß die Arbeiter in der Neujahrsnacht keine Mordwaffen herſtellen wollten. Da ſtieß der Fürſt den Werkmeiſter in den glühenden Schmelzofen! Ein furchtbarer Schrei! Alles war vor Entſetzen gelähmt. Einer der Arbeiter aber rief dem Fürſten zu:„Da⸗ für wirſt Du eines Tages Deine Strafe erhalten!“ Und der Fürſt entging ſeiner Strafe wirklich nicht. Als er ſpäter nach der Schlacht bei Leipzig vom Zaren mit einer hohen Auszeichnung dekoriert wurde, ſchrie er plötzlich auf:„Schießt nicht! Schießt nicht! Die Stimme Nardows gellt aus jeder Kä⸗ none!“ Er war plötzlich wahnſinnig geworden. Eine der grauenhafteſten Silveſterüberraſchun⸗ gen, die die Geſchichte kennt, bot die brutale und tyranniſche Zarin Anna Jwanowa im Jahre 1788 ihren Silveſtergäſten. Es war einer der ſtrengſten Winter, die man in Rußland erlebt hatte und die Zarin ließ gegenüber ihrem Palais auf der Newa einen Palaſt aus Eis bauen. In der Sil⸗ veſternacht wurde dieſer Eispalaſt märchenhaft er⸗ leuchtet und bot den Gäſten, die verſammelt waren, einen feenhaften Anblick. In übermütiger Laune rief plötzlich die Zarin:„In dieſem Palaſt dort drüben ſoll heute Nacht mein Lieblingsnarr, Fürſt Golotzin, Hochzeit feiern!“ Der Fürſt mußte ſich ſogleich eine der Hofdamen zur Gattin wählen. Die junge Gräfin Panin war die Erkorene. Frohgeſtimmt fuhr nun die ganze Geſellſchaft in Schlitten zum Eispalaſt. Hier forderte die Zarin das Paar auf, die Pelze abzulegen und ſeine Hoch⸗ zeitsnacht in dieſem Palaſt aus Eis zu verbringen. Aufgeſtellte Wachen mußten mit dem Kopf dafür bürgen, daß das Paar den Eispalaſt nicht verlaſſe. Nachdem tüchtig gezecht worden war, fuhr die Hof⸗ geſellſchaft mit Ausnahme des jungen Hochzeits⸗ paares in betrunkenem Zuſtand davon. Als man am Neujahrsmorgen das„glückliche Paar“ abholen wollte, fand man zwei Erfrorene eng aneinander⸗ geſchmiegt auf dem Eis liegend vor! Seltſame Silveſterberufe Man weiß, daß manche Vergnügungslokale am letzten Tag jeden Jahres in wenigen Stunden ein Vielfaches deſſen verdienen, was ſie ſonſt in vielen Wochen herausſchlagen, man weiß, daß die Artiſten an jenem Tag ſich für einige Zeit„geſund machen“, daß ganze Induſtrien, ſo die Scherzartikel⸗ und Ka⸗ lenderinduſtrie hauptſächlich dem Silveſter ihre Exi⸗ ſtenz verdanken. Weit weniger bekannt aber dürfte ſein, daß der 31. Dezember der Urheber verſchie⸗ dener Berufe iſt, die nur an dieſem einen Tag im Jahr in Erſcheinung treten. Dreihundertvierundſechzig Tage hat da ſo ein Mann auf der Straße Witzbücher oder uralte Maga⸗ zine verkauft, iſt Hilfsarbeiter, Arbeitsloſer oder ſonſtwas geweſen, am dreihundertfünfundſechzigſten aber ſtürzt er ſich in ein kohlſchwarzes Gewand, be⸗ ſchmiert Geſicht und Hände mit Ruß und be⸗ gibt ſich gegen zwölf Uhr nachts auf die Straße. Ein Schornſteinfeger! Silveſter ⸗Schornſtein⸗ feger! Jeder, der ihn betupft, ſpendet gerne ſei⸗ nen Obulus. Denn Glück für das ganze kommende Jahr iſt mit ein paar Pfennigen doch wirklich nicht zu teuer bezahlt! Da erzählte ſo ein„ſchwarzer Mann“, daß er im Vorjahr in knapp drei Stunden nicht weniger als 85 Mark verdiente, alſo gar kein ſchlechtes Geſchäft! Wenn es auch in dieſem Jahr etwas weniger ſein wird, an Silveſter iſt auch der Aermſte freigebig, ein paar Zehner ſpringen ſicher⸗ lich heraus. Auch keinen üblen Verdienſt wirft der Beruf der„Glückwünſcher“ ab. Das ſind jene ſehr bekannten Geſtalten, die einem am frühen Neujahrsmorgen aus dem Bett heraus⸗ läuten, einem eine gedruckte Glückwunſchkarte mit ehrerbietigem Gruß überreichen, dabei die Hand aufhalten und ſolange geduldig warten, bis Du ihnen mit klingender Münze deinen Dank ab⸗ ſtatteſt. Eine Neuheit ſind die von einem Fremdenführer⸗ Unternehmen eingeſtellten„Silveſterführer“, denen die Aufgabe zufällt, in der Stadt anweſende Fremde in der Silveſternacht an jene Stellen zu führen, an denen wirklich etwas„los“ iſt. Abgeſehen von den koſtenloſen Silveſterfreuden, die ſie dabei einheimſen, werden ſie ſich ſicher über das Trinkgeld nicht zu beklagen haben, denn am letzten Jahrestag befindet man ſich immer in Gebelaune. Die Wahrſager und Horoſkopperkäufer wachſen am Silveſterabend buchſtäblich aus dem Boden. Für dreißig Pfennige kannſt Du Dir von jemand, der geſtern noch Aepfel oder Blumen feil bot, Dein un⸗ ermeßliches Glück im neuen Jahr aus der Hand leſen laſſen. Die Verkäufer kleiner Schweinchen und praktiſcher Taſchenkalender ſind typiſche Silveſtererſcheinungen. Fiele es Dir ein, an einem gewöhnlichen Tag im Jahr ein Schwein, auch wenn es aus Pappe iſt, oder einen Kalender zu kaufen? An Silveſter mußt Du es tun, denn man kann doch ſein Glück nicht mit Füßen treten. Andererſeits muß man auch notwendigerweiſe wiſſen, wie im neuen Jahr die Geburts⸗ und Feter⸗ tage fallen. r f Auch die„Sucher“ können nur an Silveſter und dem darauffolgenden Neujahrstag reuſſieren. Sie ſchlängeln ſich in der Nacht durch alle Lokale und ſuchen das, was Du im Schwips wegwirfſt oder verlierſt, und das ſcheint gar nicht wenig zu ſein, wenn man ſo einem berüchtigten„Sucher“, der in ſeinem ſonſtigen Beruf„Tſchickklauber“ iſt lein Mann, der Zigarren⸗ und Zigarettenreſte ſammelt und zu„anſtändigem“ Tabak verarbeitet) glauben darf. Der behauptete nämlich, im Vorjahr mit einem Reingewinn von 102 Mark ab⸗ geſchloſſen zu haben. Allerdings finden manche „Sucher“, beſonders um zwölf Uhr herum, wenn es überall dunkel wird, auch Gegenſtände, die Du noch gar nicht verloren haſt.. So gibt es eigene Silveſterberufe, die den Aus übenden an einem Abend im Jahre einen ſonſt nie erträumten Gewinn abwerfen. So iſt eben dem einen Silveſter ein Feſttag, der Geld koſtet, dem anderen iſt er ein gutes Geſchäft. Tages aleucles Souutag, 1. Jaunar Nationaltheater:„Die Schneekönigin“, Märchen von Mar⸗ ot Schlieper, Miete⸗Vorrecht 8, Anſong 14 Uhr.— Abends:„Lohengrin“ von Richard Wagner, außer Miete, Vorrecht D, Anfang 19 Uhr. Apollo⸗Theater: Gaſtſpiel des indiſchen Fakirs„Blaca⸗ man“ mit ſeinem Varieté, 16 und 20.15 Uhr. Plauetarium: 16 Uhr Vorführung, 17 Uhr Vorführung mit Vortrag:„Der Jahreslauf der Sonne“. Weinberg D 5, 4: 16.30 Uhr Tanztee; 20 Uhr Konzert und Tanz. Pfalzbau⸗Kaffee: Konzert mit Einlagen. Morgen⸗ Aufführung: Alhambra:„Der weiße Rauſch“, vormittags 11.30 Uhr. Lichtſpiele: Alhambra: o ry Theater: „Ein Mann mit Herz“.— „Traum von Schönbrunn“.— Univerſum:„F. P. 1 antwortet nicht“ und Bühnen⸗ ſchau.— Scala⸗Theater:„Ein blonder Traum“. — alaſt⸗Theater:„Der weiße Dämon“.— Schauburg:„Helgas Fall und Aufſtieg“.— Capitol:„Kriß, das flammende Schwert“.— Lichtſpielhaus Müller:„Mamſell Nitouche“. Gloria⸗Palaſt:„Der Schützenkönig“. Sehens würdigkeiten Städt. Schloßmuſeum: Schattentheater und Puppenſpiel, verbunden mit einer Ausſtellung im Ritterſaal von Schit⸗ lerzeichnungen(Wettbewerb der Volks⸗ und Höheren Schu⸗ len). Ferner der Werdegang der Rheinbrücke Mannheim Ludwigshafen. Geöffnet von 10—183 und von 14—16 Uhr. Muſeum für Natur⸗ und Völkerkunde im Zeughaus: Biologiſche Ttergruppen und ethnograpiſche Sammlungen, eld von 15 bis 17 Uhr.— Städtiſche Kunſthalle: erbeſchau des Mannheimer Graphikers K. M. Kieſel. Phyſiognomiſch⸗grapholog. Studienſchau„Geſtalt und Ge⸗ ſtaltung“.— Sonderausſtellung des Zeughausmuſeums in den Räumen der Kunſthalle:„Die Kunſt Alt⸗Amerikas“, geöffnet von 10—13 und von 14—16 Uhr.— Mannheimer Kunſtverein, L. 1, 1: Mod. Kunſt⸗Sonderausſtellungen Mannheimer und 1 Künſtler, geöffnet von 10—13 und von 14—16 Uhr. a Der Zahn lacht! 33: q uu ZAM S N N
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143 (31.12.1932) 610. Neujahrs-Ausgabe
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