2. Seite/ Nummer 3 lichen Sondierungsverſuchen, hatte er abgelehnt. Er wünſche den Reſt ſeiner Erdentage in Ruhe zu verbringen, Fernab vom politiſchen Getriebe und den Leidenſchaften, dem mitleidsloſen Haß, den es aufwühlt. Man mag ſich nicht recht vorſtellen, daß der vorbildliche Pflichtenmenſch(ine wonderful old man, nennen ihn die Amerikaner) endgültig ſich verſagte, ſo man ihm eindringlich darlegte, wie das Wohl des auch dieſes neue Vaterlandes Opfer noch von ihm verlange. Damit wäre eini⸗ Auch der Reichstag ges erreicht, noch nicht alles. Hat mitzureden. Der muß— wir haben das alles ja ſchon einmal, beim verſtorbenen Ebert, exerziert— dem Antrag, die Amtsdauer des Reichspräſidenten zu verlängern, mit Zweidrittelmehrheit beipflichten. Und hier liegen, ſalopp geſprochen, die Muſikanten begraben. Die unbedingte Oppoſition verfügt über 193 Stimmen. Alſo juſt über das Drittel, das den Antrag zu Fall bringen könnte. Wieder einmal hinge die Entſcheidung an ganz wenigen Stimmen. Und ſelbſt mit ihr wäre noch nichts gewonnen. Der Reichspräſident von Hindenburg iſt ein alt⸗ preußiſch konſervativer Mann. In Wirklichkeit iſt dieſer altpreußiſche Konſervativismus ja überhaupt nicht mehr vorhanden. Doch die Schichten ſind noch da, die ihn einſt verkörperten, bisweilen auch die Ein⸗ zelnen. Soweit ſie in die Parlamente gewählt wur⸗ den, ſitzen ſie ſogar noch auf den gleichen Bänken. Eine Präſidentſchaft aber, die nicht auch von der Rechten geſtützt würde— er hat ſich darüber mehrfach und ganz unzweideutig ausgeſprochen— wäre inner⸗ lich für den greiten Feldmarſchall nicht zu tragen. Dagegen läßt mit Gründen ſich nicht ſtreiten. Man muß die Menſchen nehmen, wie ſie ſind. Und wie ſie organiſch wuchſen. **.*. Mithin wird es nützlich ſein, beizeiten auf einen Wahlkampf um die Präſidentſchaft ſich einzurichten. Die Präſidentenwahlen im Reich ſind Plebiszite. Plebiszite aber in ihren Ergebniſſen ſind unberechen⸗ har. Der Zufallregiert. Die Unorganiſterten, Unorganiſterbaren, von irgend einer Welle, einer Augenblicksſtimmung erfaßt, geben den Ausſchlag. Die Nationalſozialiſten werden— das müſſen ſie— Adolf Hitler aufſtellen. Es iſt keineswegs ſicher, daß ſeine Kandidatur nicht Erfolg haben möchte. Wahr⸗ ſcheinlicher aber iſt, daß der erſte Wahlgang reſultat⸗ los verläuft und im zweiten ein bürgerlicher Kom⸗ promißkandidat, etwa der frühere Reichswehrminiſter Geßler, durchs Ziel geht. Der war ſchon vor ſteben Jahren ein ſehr ausſichtsreicher Anwärter auf die Präſidentſchaft. Damals wurde ſeine Kandidatur von Guſtav Streſemann zerſchlagen. Mit ſolcher Gegnerſchaft iſt nicht wieder zu rechnen. Vielmehr iſt anzunehmen, daß allen, die nicht wünſchen, daß die Präſidentenwahl im Reich, die allgemeine Verwir⸗ rung noch ſteigernd, wie ein Alarmſchuß in dieſe wirre, zerklüftete, entſchlußlos nach irgend einem Ausweg taſtende Welt hineinfährt, der Dr. Otto Geßler als Nachfolger Hindenburgs durchaus will⸗ kommen ſein wird Oberſelber will? Kau m. Er hat als per⸗ ſönlicher Vertrauter des erſten wie des zweiten Reichspräſidenten zu tief in die Dinge hineingeſehen, Ut, wie er es gelegentlich zu nennen pflegt, nach dem „ſiebenfährigen Gefängnis in der Wilhelmſtraße“ ſich zu ſehnen. Dennoch: dem Appell an ſeinen Patriotis⸗ mus und ſein deutſches Pflichtgefühl wird auch Geßler ſich nicht verſagen dürfen. — Aufhebung eines Braunkohlen- Syndikats Telegraphiſche Meldung — Berlin 3. Jan. Der Reichswirtſchaftsminiſter veröffentlicht im Reichsanzeiger aufgrund der Notverordnung vom 26. Juli 1930 eine Verordnung vom 31. Dezember 4531, derzufolge der Syndikatsvertrag des Mittel⸗ deutſchen Braunkohlenſyndikats von 1927 in der Faſſung vom 1. April 1929 für nichtig erklärt bird. Die Verordnung tritt am 20. Januar 1932 in Kraft. ſchaftsdepreſſion ſowie währungs⸗ Neue Mannheimer Zeitung/ Morgen ⸗Ausgabe Montag, 4. Januar 1932 94,5 Millionen Defizit Der Güterverkehr der Deutſchen Reichsbahn ging im November weiter zurück. Neben ſaiſon⸗ mäßigen Einflüſſen bewirkten die allgemeine Wirt⸗ und zollpolitiſche Maßnahmen anderer Länder dieſe Abſchwächung, die gegenüber November 1930 11,74 Proz. betrug. Ob⸗ wohl am 1. November 1931 die geſetzliche Regelung des Wettbewerbs zwiſchen Kraftwagen und Eiſen⸗ bahn in Kraft trat, wurde eine weitere Verkehrsabwanderung auf den Laſt⸗ kraftwagen beobachtet. Auch der Rückgang des verkehrs hielt an. Die 2 Perſonen⸗ Zugkilometer betrugen 50,35 Millionen gegen 53,98 im Oktober, die Wagen⸗ achskilometer 1864 Millionen gegen 2077 Millionen im Vormonat. Die Betriebseinna hmen beliefen ſich auf 290,01 Millionen Mk.(im Vormonat 335,76 Millionen Mark), während die Geſamtaus gaben 384,55 (407,21) Millionen Mk. erreichten, was einen Fehl⸗ betrag von 94,5 Millionen Mk. ergibt. Die Einnahmen zeigen einen Tiefſtand, wie er ſeit Jahren nicht feſtgeſtellt worden iſt. Der Einnahmerückgang beträgt im Perſonen⸗ und Gepäckverkehr gegenüber November 1930 19,7 Proz. und gegenüber November 1929 25,4 Proz. Bei dem Güterverkehr ſank das Einnahmeergebnis gegenüber 2* 1 Die Rundfunk- Sabotage Eine Erklärung der Reichsrundfunkgeſellſchaft Zu der Störung der Rundfunkanſprache des Reichspräſidenten am Silveſterabend gibt die Preſſe⸗ ſtelle der Reichs rundfunkgeſellſchaft eine Erklärung, in der es heißt: „Die Störung traf nur den D eutſchland⸗ ſender. Am Kontrollempfang im Hauſe des Rundfunks wurde ſelbſtverſtändlich ſofort die Stö⸗ rung der Sendung über den Deutſchlandſender bei ihrem Beginn beobachtet, jedoch konnte im Augen⸗ blick, als man die Störung hörte, nicht ſofort er⸗ kannt werden, ob ſie nur auf den Deutſchlandſender oder etwa auch auf die übrigen Sender ſich aus⸗ wirkte und ob die Störung örtlich auf dem Wege vor oder nach dem Hauſe des Rundfunks erfolgte. Ein Verſuch, bei dem ſämtliche Ausſendungen einen Augenblick geſchwächt wurden, zeigte, daß nur die Sendung des Deutſchlandſenders geſtört war und ſömit die Störungsurſache auf dem Wege nach Kö⸗ nigswuſterhauſen liegen mußte. Die Schwächung aller Sender hat nicht mehr als fünf Sekunden ge⸗ dauert und hat mit dem nichts zu tun. Die eingehenden Unterſuchungen haben ergeben, daß alle Maßnahmen, die für die Uebertragung er⸗ forderlich geweſen ſind, von der Rundfunkorgani⸗ ſation ſöwohl als auch von der Reichspoſt im vollen Umfange getroffen worden waren. Die Störung der Rede konnte demnach nur durch Eingriff in den Leitungsweg auf offener Strecke erfolgen. Gegen ſolche Eingriffe kann man ſich techniſch leider nicht ſchützen, deun es iſt nicht möglich, den viele Kilometer langen Leitungsweg auch noch im Freien unter wirkſame Bewachung zu ſtellen“. unberechtigten Eingriff *——ñ—-—-—ͤ———— ſlickgünge bei der Reichsbahn 1930 um 17,9 Proz. und gegenüber 1929 um 38,7 Proz. Der Perſonalbeſtand hat ſich von 675681 Köpfen im Oktober auf 663 463 Köpfe im November vermindert. Der neue Verwaltungsrat ie Reichsregierung hat den neuen Verwaltungs⸗ rat der Reichsbahn ernannt. Die Herren Berg⸗ mann, von Batocki und von Siemens ſind wieder ernannt worden. Auſtelle der Herren Grund, Jeidels und von Miller ſind die Herren Staatsſekretär z. D. Gutbrod und Miniſterial⸗ direktor Schulze vom preußiſchen Handelsmini⸗ ſterium ernannt worden. Die Ernennung eines Ver⸗ treters der Beamtenſchaft der Reichsbahn ſteht noch 5 Nütkgang der Lebenshaltungskoſten Die Reichsinderziffer für die Lebenshal⸗ tungskoſten(Ernährung, Wohnung, Heizung, Be⸗ leuchtung, Bekleidung und„ſonſtiger Bedarf“) be⸗ läuft ſich nach den Feſtſtellungen des Statiſtiſ Reichsamtes für den Durchſchnitt des Monat De⸗ zember auf 130,4 gegenüber 131,9 im Vormonat. D Der Rückgang beträgt ſomit 11 v. H. An dem Rückgange ſind hauptſächlich die Bedarfs⸗ gruppen Ernährung und Bekleidung betei⸗ ligt. Es ſind zurückgegangen die Indexziffern für Ernährung um 1,6 v. H. auf 119,9, für Bekleidung um 2,1 v. H. auf 129,1, für„ſonſtigen Bedarf“ um 0,0 v. H. auf 180,5. Die Inderziffer für Wohnung hat ſich nicht geändert; die Inderziffer für Heizung und Beleuchtung iſt mit 148,8 nahezu unverändert geblieben. Die Unterſuchung der Störung hat bisher noch kein greifbares Ergebnis gezeitigt. Einer der beiden zur Verneh⸗ mung nach dem Polizeipräſidium gebrachten Tele⸗ graphenbauarbeiter iſt wieder entlaſſen worden. Auch der zweite Verdächtige ſcheint um die fragliche Zeit nicht an dem Tatort geweſen zu ſein. Jetzt hat man einen dritten Telegraphenbauarbeiter zur Vernehmung nach dem Politeipräſibdium geholt. Sein Alibi wird zur Zeit noch nachgeprüft. Die Unterſuchung des Falles iſt um ſo ſchwieri⸗ ger, als man an dem in Frage kommenden Kabel⸗ brunnen nicht die geringſten Beweisſtücke gefunden hat. Auch iſt der Kreis der in Betracht kommenden Perſonen außerordentlich groß. Genugtuung in Moskau! Drahtbericht unſeres Berliner Büros Berlin, 3. Januar. Der kommuniſtiſche Sabotageakt gegen die Rede des Reichspräſidenten iſt in Moskau zunächſt ver⸗ ſchwiegen worden Erſt ſpäter hat der Moskauer Rundfunkſprecher der Komintern mit lebhafter Ge⸗ nuugtuung über dieſen„Genieſtreich“ der Berliner Kommuniſten berichtet. In der Meldung heißt es wörtlich:„Es werden Zeiten kommen, in denen der Berliner Sprecher ſich mit dem Ruf melden wird: Hier iſt Sowjetdeutſchland!“ Wir können der„Deutſchen Zeitung“ nur Recht geben, wenn ſie im Zuſammenhang mit dieſem An⸗ ſchlag die Frage aufwirft, ob der Berliner Rund⸗ funk ſich auch weiterhin den Kommuniſten in dem Umfange zur Verfügung ſtellen werde, wie es in den letzten Wochen zu beobachten war. Man hat die literariſchen Agitatoren des Kommu⸗ nismus, wie Ludwig Renn, Ernſt Toller, Armin T. Wegener, Katz, Gasbara und andere bolſchewi⸗ ſtiſche Propaganda treiben und für Sowjetrußland Stimmung machen laſſen. Vorſpiel zur Abrüſtungs⸗Konferenz Belgien beſtellt Militär⸗Flugzeuge — London, 3. Jan. Die belgiſche Regierung has bei der Fairey Avation Company Militärflugzeuge im Geſamtwerte von 300 000 2 beſtellt. Das iſt der größte Auftrag, den eine ausländiſche Regie⸗ rung bisher der britiſchen Flugzeuginduſtrie erteilt hat. Wieder⸗Aufbau des Allen Schloſſes in Stuttgart — Das württembergiſche Staatsmini⸗ ſterium erläßt einen Aufruf zum Wiederaufbau des Alten Schloſſes in Stuttgart. Es heißt darin: „Die württembergiſche Staatsregierung iſt ent⸗ ſchloſſen, den kraftvollen Kern im Stadtbild zu er⸗ halten und, ſoweit es mit der künftigen Verwen⸗ dung des Baues in Einklang ſteht, wieder herzu⸗ ſtellen. Zunächſt ſollen die Umfaſſungsmauern ge⸗ ſichert, ergänzt und durch Dächer geſchützt werden. Schon dazu ſind große Mittel erforderlich, die durch den hierzu verwendbaren Teil der Brandverſiche⸗ rungsſumme bei weitem nicht gedeckt find. Wir wen⸗ den uns daher an alle Württemberger und Freunde unſeres Landes, die in dieſer ſchweren Notzeit noch in der Lage und gewillt ſind, einen Beitrag für das vaterländiſche Werk zu geben und rufen ſie auf: „Gebt bald!“ a Die Löſcharbeiten im Alten Schloß ſind nunmehr ganz eingeſtellt worden. Der Brand kann ſomit als erloſchen betrachtet werden. Mit den Aufräumungsarbeiten wird in den nächſten Tagen begonnen. Zunächſt müſſen die noch ſtehenden Wände vor weiteren Schäden geſichert werden. Man hat zu dieſem Zweck an verſchiedenen Stellen Bal⸗ ken angebracht, um weitere Einſturzgefahr zu ver⸗ hindern. Letzte Meldungen Raubmord im Saargebiet — Saarbrücken, 3. Jan. In Diefflen(Kreis Saarlouis) wurde die 63 Jahre alte Witwe Sche⸗ rer in ihrem Bette liegend tot aufgefunden. Sie wies Wunden am Kopf und Würgemerkmale auf. Ihr Kleiderſchrank ſtand offen und war durchwühlt. Offenbar handelt es ſich um einen Raubmord. Die Tote hat vermutlich bereits vier oder fünf Tage iet ihrem Bett gelegen. Familientragödie — Potsdam, 3. Jan. Der Eiergroßhändler Rettich in Stahnsdorf⸗Weſt ſchlug ſeine Ehefrau und ſein dreijähriges Töchterchen mit einem Hammer nieder und beging darauf Selbſtmord durch Er⸗ hängen. Die ſchwerverletzte Frau wurde in Krankenhaus in Lichterfelde geſchafft. Man hofft ſie am Leben erhalten zu können. des Kindes dagegen wird gezweifelt. General Pau — Paris, 3. Jan. General Pau, der Vorſitzende des Zentralkomitss des Franzöſiſchen Roten Kreuzes war, iſt geſtern 85 Jahre alt, geſtorben. Der General, der nur einnen Arm hatte, hat als Organi⸗ ſator des franzöſiſchen Heeres vor dem Kriege eine große Rolle geſpielt. Hafenarbeiterſtreik in London — London, 3. Jan. 3500 Mitglieder einer Hafen⸗ arbeitergewerkſchaft haben wegen Kürzung ihres Tagelohnes um 10 Penee beſchloſſen, am Montag in den Streik zu treten. Dadurch würde das Laden der Themſe⸗Schiffe und der großen Frachtſchiffe unmög⸗ lich gemacht werden. * * Die Zeichnungsfriſt für die ſteuerfreie Reichs⸗ bahnauleihe, die nach den bisherigen Beſtimmungen mit dem 31. Dezember 1931 abgelaufen war, wurde bis zum 1. Februar 1932 einſchließlich ver⸗ längert. Schwindler oder Prinz? Kaſpar Hauſer, wie Eduard Eugel ihn ſieht Aus dem neuen Kaſpar Hauſer Buch von Prof. be Eduard Engel„Prinz oder Schwindler“, Ver⸗ lag Weſtermann, Braunſchweig, veröffentlichten wir bereits das entſcheidende Kapitel. Wir laſſen hier die eingehende Würdigung des Buches folgen unter beſonderer Berückſichtigung der für Baden wichtigen Dinge. Für Eduard Engel gibt es in der Beurteilung der Kaſpar Hauſer⸗Frage nur zwei Parteien: die „Geſunden und die Kranken“, die„Romanſäusler“ oder„Sparrenkranken“ und die„ſtrengen Forſcher“, die Schwindlergemeinde und die Prinzengemeinde, Die Geſunden ſehen in dem 16jährigen Burſchen, der an Pfingſten 1828 in Nürnberg auftauchte, einen nichtsnutzigen großen Betrüger oder einen be⸗ mitleidenswerten ganz kleinen jungen Schwind⸗ ler, die Kranken aber ſehen in ihm den badiſchen Erbpringen, den Sohn des Großherzogs Karl und ſeiner Gemahlin Stephanie, der für die Oeffent⸗ lichkeit wenige Tage nach ſeiner Geburt im Oktober 1812 geſtorben wäre. Engel zählt ſich natürlich zu den Geſunden, zu den beſonders Geſunden, da ihn ein geheimnisvolles Wirken“, eine ihm ſelbſt„ge⸗ heimnisvolle Fügung ſeines Lebensweges gezwungen und berufen“ hätte,„das abſchließende Wort über die Hauſerei zu ſprechen“. Aus dem abſchließenden Wort iſt ein ganzer„ur⸗ kundlicher Roman“ geworden. Denn Engel wiederholt die ganze Beweisführung der Gemeinde, die in dem Findling Kaſpar einen Schwindler ſieht; die erſte Schrift, die er ſchon im Jahre 1876 über den Fall geleſen hat, war im Sinne der geſunden Schwindlergemeinde geſchrieben und hat ihn„voll⸗ kommen überzeugt, daß es ſich um das albernſte aller ſich für Geſchichte ausgebenden Ammenmärchen handle“ Alle dieſe Märchen wärmt Engel wieder auf, er will bringen das ganze überreiche Tatſachenmaterial von dem erſten Auftreten und der angeblichen Gefan⸗ genhaltung, von den angeblichen Mordverſuchen, die in Wirklichkeit vorgetäuſchte Selbſtverletzungen ge⸗ weſen ſein ſollen, von den angeblichen Gerüchten, mit 85 denen man die Prinzenſchaft beweiſen will. Die Art, wie Engel ſeine Beweismittel verwendet, iſt nun allerdings nicht ganz einwand⸗ frei. Er bietet eben einen urkundlichen Roman, und das iſt bei ihm keine reine Darſtellung der Tat⸗ ſachen. Er will mehr durch die Kraft ſeiner Sprache und die dahinter ſtehende unerſchütterliche Gefühls⸗ gewißheit überreden, als durch eine nüchterne Ver⸗ gleichung der trockenen Urkunden überzeugen. Da⸗ hex gibt er kaum im einzelnen die Quellen an, aus denen er geſchöpft hat, daher wertet er ſie nicht ſorg⸗ fältig gegeneinander ab, wie er es bei den Ausſagen derſelben Zeugen aus den verſchiedenen Jahren machen müßte. Daher läßt er ſeine Gewährsmän⸗ ner nicht einmal ganz zu Wort kommen, ſondern un⸗ terbricht ſie dauernd durch beifällige oder abfällige Zwiſchenrufe, wie ſie eben nur in Romanen möglich ſind. Daher iſt die Ausdrucksweiſe und Wortgebung eine ſo freimütig⸗ungehemmte, daß ein Teil der Leſer vielleicht ſeine helle Freude an der Herz⸗ erfriſchung haben wird, wo ein andrer Tetl bedenk⸗ lich den Kopf ſchüttelt über das neue Gelehrten⸗ deutſch. Von einem Roman erwartet man einen far⸗ bigen Abglanz des Lebens, von einem ur kund⸗ lichen gar eine auf entſprechende Belege gegrün⸗ dete Darſtellung, die uns das wirklich geſchehene Handeln aus den Charakteren der Perſönlichkeiten verſtändlich macht und damit den Urkunden Leben einhaucht. Engel hat ſich nur um die Seele eines harmloſen Schwindlers bemüht, alle andern Men⸗ ſchen ſind verzerrt, die Urkunden einſeitig verwer⸗ tet. Statt eines einheitlichen Gemäldes gibt er uns einen ganz groben, faſt unkenntlichen Holzſchnitt in Schwarz⸗Weiß. Weiß ſind die Lämmer, die an der Echtheit des Findlings gezweifelt haben, ſie find unvoreingenommen und geſund, klug und ſcharf⸗ ſinnig. Aber die andern! Ein„gelehrter Halbirrer“ will mit Hauſer okkultiſtiſche Geſchäfte machen, mit dem Ruhm des hochberühmten Krimmaliſten Feuer⸗ bach iſt es gar nicht weit her, er war unredlich, geiſtesſchwach, ja geiſteskrank, ein„gewiſſenloſer Mann“, deſſen Schriften„den Eindruck eines über⸗ haupt nicht wiſſenſchaftlich gebildeten Mannes, ſon⸗ dern eines faſelnden Stümpers, eines Rechtsbeu⸗ gers, dazu eines Menſchen ohne die Spur von Ver⸗ antwortungsgefühl“ machen; wer an das Prinzen⸗ märchen glaubt, gehört zu den„leichtfertigen Ver⸗ leumdern, für die es nur den einen mildernden Um⸗ ſtand gibt, daß ſie an der bekannten Geiſteskrank⸗ heit leiden, die man mit dem Schonwort Sparren neunt“. Derartige Striche der Meſſerführung zur Ausgeſtaltung des Bildes zeigen, daß man den Ro⸗ man Engels nur mit Mühe zur Gattung der voll⸗ wertigen Romane wird zählen können. Rätſel und Zufälle da in der Hauſerfrage, daß an ihrer Löſung der draufgängeriſche Scharfſinn eines Engel ein würdiges Betätigungsfeld gefunden hätte. Er weiſt ſelbſt darauf hin, daß die Magiſtratsakten mit den erſten Vernehmungen Hauſers„ſeltſamer⸗ Wie ſieht nun eigentlich das neue Beweis⸗ ſt ück aus, das Engel als untrügliche Urkunde zur Erhärtung ſeiner Meinung beibringt und das bereits in der„Neuen Mannheimer Zeitung“ veröffentlicht wurde. Eine 80jährige Dame beſcheinigt, daß ihr Vater, der einſt mit Kaſpar Hauſer freundſchaftlich verkehrte, wiederholt erzählte, er hätte den Sei⸗ denbeutel, der an der Mordſtelle gefunden wurde, ſchon vorher im Beſitze des Kaſpar Hauſer geſehen. Damit wäre erwieſen, daß die Ermordung ein Mär⸗ chen wäre und Kaſpar die ungewollt tödliche Ver⸗ letzung ſich ſelbſt beigebracht hätte. Engel behauptet, dieſer Primaner Julius Schumann wäre bei der ge⸗ richtlichen Unterſuchung nicht als Zeuge geladen worden, hätte ſich auch nicht gemeldet. Nun iſt aber tatſächlich aus den Gerichtsakten feſtgeſtellt, daß er eingehend und eidlich vernommen wurde, daß der Inhalt der Engelſchen Urkunde ſogar ſchon im Jahre 1928 in der Preſſe veröffentlicht und wider⸗ legt wurde. Mit der Neuheit der Urkunde iſt es alſo ebenſo wenig wie mit ihrer ſachlichen Beweis⸗ kraft, die Ankündigung vom abſchließenden Wort iſt eine Irreführung der Leſer, wie ein Gelehrter vom Rufe Engels ſie ſich nicht leiſten ſollte. In ähnlicher Weiſe iſt Engel leicht fertig geweſen mit dem übrigen vorliegenden Schrifttum. Es it gewiß zuzugeben, daß ſich darunter viel Wuſt und willkürliche Erklärungsverſuche befinden, die oft noch mit Stimmung arbeiten. Aber es ſind noch ſopiele weiſe verloren, verbummelt, verkramt“ ſeien. Hat er nachgeforſcht, wo und unter welchen Umſtänden dieſer ſtarke Band verſchwunden iſt? Dieſer Band iſt nämlich deswegen ſo außerordentlich wichtig, weil hier der erſte Eindruck von dem ſeeliſchen Zuſtand Hauſers am deutlichſten zu erkennen iſt, während bei allen ſpäteren Ausſagen der Zeugen nicht mehr das gleiche Bild ſich ergeben kann. Und Engel fußt haupt⸗ ſächlich auf den späteren Aeußerungen, die nahezu ſechs Jahre nach dem erſten Auftreten zu Protokoll gegeben wurden. N Mit dieſen Akten iſt vor allem ein unerſetzlicher Verluſt verbunden: der Originalbrief nebſt dem Zettel, den der Findling am Pfingſttag 1828 bei ſich trug, ſind nicht mehr vorhanden. Dadurch iſt die graphologiſche Deutung ſehr gehemmt. Nach Engel, der behauptet, daß Hauſer dieſe Schriftſtücke ſelbſt geſchrieben habe, iſt das nicht ſchlimm, ihm ge⸗ nügt der„Augenſchein“ und die„oberflächlichſte Schriftvergleichung“. Für die ausführlichen Gut⸗ achten heutiger Graphologen hat er nur gründliche Verachtung, das iſt eine„verlogene Graphologie“ Er gibt uns aber nicht die einzelnen Tatſachen, auf⸗ grund deren er ſein Urteil fällt, er gibt uns nur ein oberflächlich gehaltenes Gutachten eines Archivdirek⸗ tors, das endgültige und nachprüfbare Einzelergeb⸗ niſſe vermeidet. Engel hätte auch im Falle der Graphologie beſſer getan, ſorgfältige Einzelarbeit zit bieten, die in ihrer Geſamtheit zu ſeiner Ueber⸗ zeugung zwingt, ſtatt nur Glauben an ſein Können zu fordern und Andersmeinende herabzuſetzen. (Schluß im heutigen Abendblatt.) —— „Räuber Gedenkfeier in Mannheim Die im Auftrage des Südfunks von Friedrich Walter verfaßte hiſtoriſche Hörfolge In tyran⸗ nos, deren Urſendung am 15. Januar vom Mau n⸗ heimer Senderaum aus unter Leitung von Dr. A. Holzbauer erfolgen wird, gliedert ſich in zehn Bilder, die 17771782 teils in Stuttgart, teils in Mannheim ſpielen und die Entſtehung der„Räu⸗ ber“, ihre Uraufführung in Mannheim und Schillers Flucht als Inhalt haben. 1. Bild: Auf der Karlsſchule;— 2. Bild: Stif⸗ tungstag der Karlsſchule, Schiller arbeitet an den Räubern;— 3. Bild: Schiller lieſt ſeinen Freunden im Bopſer Wald aus den Räubern vor;— 4. Bild: In der Wohnung des Regimentsmedikus und bei Luiſe Viſcher(Laura);— 5. Bild: Intendant von Dalberg beim Buchhändler Schwan, Theaterbearbei⸗ tung der Räuber;— 6. Bild: Volksſzene in Mann⸗ heim vor dem Theaterzettel;— 7. Bild: Die Ur⸗ aufführung am 13. Jan. 1782, Verzweiflungsſzene des Franz Mor;— 8. Bild: Bei Andreas Streicher; — 9. Bild: Schiller vor Herzog Karl Eugen;— 10. Bild: Abſchted vom Elternhauſe, Flucht. Für die Hauptrollen wurden folgende Künſtler des Mannheimer Nationaltheaters verpflichtet: Willy Birgel, Hans Godeck. Wilhelm Kolmar, Ernſt e Fritz Schmiedel, ſowie a. G. Rob. ogel. i 5 i 5 5 das An dem Aufkommen I mem * Als die h reif jahr, tau der aben Floc wied Tau: die n noch lage: Schn Fuh: mach mitte plötz hauf ſeitig aben Schu beka. gehe 2 eben denn ſäule Schn das den nur und war! Schr den groß Hatte niſſe war 10 2 ſich So aufg über hält! Rod läut. ſich gebe erga bind men gen hieſi digt
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143 (4.1.1932) 3. Morgenblatt
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