2. Seite/ Nummer 271 Neue Mannheimer Zeitung/ Mittag⸗Ausgabe Mittwoch, 15. Juni 1932 ine anmtlich Die Finanzlage des Reichs Gegenüber 1930 haben die Steuern und Zölle im vergangenen Jahre an Stelle von 6 Mili⸗ arden Mark noch nicht 5,5 Milliarden er⸗ bracht, und für das Jahr 1932 ſchätzt man ein Auf⸗ kommen von nur rund 5,4 Milliarden Mark. Die Ausgaben des Reichs ſo unvermittelt zu ſenken, iſt bisher nicht gelungen. Von Steuererhöhun⸗ gen ſind nennenswerte Mehreinnahmen nicht zu erwarten. Bei der Lage des deutſchen und inter⸗ nationalen Geld⸗ und Kapitalmarkts iſt auch mit der Aufnahme von Anleihen nicht zu rechnen. Der Haushaltentwurf der Reichsregierung ſieht in Ausgaben und Einahmen 8,2 Milliarden Mark vor. Darin ſind Ausgaben für landwirtſchaftliche Siedlun⸗ gen in Höhe von 50 Millionen Mark enthalten, ferner für Befreiung der Untertagearbeiter von der Ar⸗ beitsloſenverſicherung 33 Millionen Mark, für die knappſchaftliche Penſionsverſicherung 25 Millionen Mark und für den Freiwilligen Arbeitsdienſt 20 Mill. Mark. Zur Deckung hat ſich die Reichsregierung ge⸗ zwungen geſehen die bereits früher beſtandene Salßſteuer in derſelben Höhe wieder einzuftihren und auf dem Gebiet der Kriegsbeſchädigtenverſorgung das Mißverhältnis zu beſeitigen, daß die kinderloſen Leichtbeſchädigten beſſer geſtellt waren als die ver⸗ heirateten mit Kindern. Außerdem hat ſie die Kinderzulagen der Waiſen⸗ renten in der Kriegsverſorgung auf das 15. Le⸗ bensjahr begrenzt. Auf dieſe Weiſe und durch eine Erhöhung der nach Verabſchiedung des Reichshaus⸗ halts noch vorzunehmenden Ausgabenabſtriche iſt es ihr gelungen, den Haushalt auszuglei⸗ chen. Das in der Umſatzſteuer liegende Gefah⸗ renmoment, daß die bisherige Schätzung von 1820 Milltonen Mark nicht erreicht werden konnte, iſt durch Beſeitigung der am 1. Dezember 193. eingeführten Freigrenze von 5000 Mark gemildert worden. Neben der Sorge um das Durch⸗ halten des Reichshaushalts ſteht die Reichsregierung vor der größeren Sorge, bei den Gemeinden und den Verſicherungsträgern größere Kaſſenzuſammen⸗ brüche zu verhüten. Die Maßnahmen der Notver⸗ ordnung dienen daher vor allem auch der Sicherſtel⸗ lung der Unterſtützung für die Arbeitsloſen und der unbebingten Aufrechterhaltung der Sozialverſicherun⸗ gen insgeſamt. Die Fehlbeträge auf dem geſamten Gebiet der Arbeitsloſenfürſorge und bei den übri⸗ gen Verſicherungsträgern werden durch eine Reihe von Maßnahmen beſeitigt. Die Regierung hat trotz der angeſpannten Finanzlage insgeſamt 384 Millionen Mark für ſoziale Zwecke in dem Reichshaushaltplan vorgeſehen. Für die Kriſenfürſorge und die Wohl⸗ fachrtserwerbsloſen ſind 867 Millionen Mark eingeſtellt, für die In validen verſicherung 402, für die knappſchaftliche Penſionsverſiche⸗ rung 95 und für den Freiwilligen Arbeits⸗ deu ſt 20 Millionen Mark. Dieſe Poſten zuſammen betragen ungefähr den vierten Teil der Ge⸗ ſamtausgaben des Reichs nach Abzug der Ueberweiſung der Steueranteile an die Länder. Weitere Beträge für ſolche Zwecke konnten unter keinen Umſtänden aufgewandt werden. Der Geſamtplan der Arbeitsloſenhilje Die Sicherheit der öffentlichen Haushalte iſt in den letzten zwei Jahren durch die ſtändig zunehmen⸗ den Erforderniſſe der Arbeitsloſenhilfe immer wie⸗ der gefährdet worden. Für die Sicherung der dies⸗ jährigen Haushalte kommt es entſcheidend darauf an, ſie von dieſem Unſicherheits faktor nach Möglichkeit zu befreien. Zu dieſem Zweck iſt in Ausſicht genommen, die ganze Arbeitsloſenhilfe nach Bedarf und Deckung einheitlich in einer Anlage zum Haushalt des Reichsarbeitsminiſteriums zu regeln. Nach ber jetzigen Lage muß zurzeit im Jahresdurch⸗ ſchnitt mit 5 950 000 Arbeits loſen gerechnet werden. Nach der vorgeſehenen Neuregelung bleibt dieſe Zahl beſtehen. Es ändert ſich jedoch ihre Zu⸗ ſammenſetzung. In der Arbeitsloſenverſicherung ſind an Stelle von 1250 000 1 170 000 eingeſetzt, in der Kriſenfürſorge ſtatt 1 800 000 1 745 000, in der Wohl⸗ fahrtserwerbsloſenfürſorge bleiben 2150 000; die Zahl der Nichtunterſtützten ſteigt won 75000 0 auf 885000. Würde es bei der bisheri⸗ gen Regelung verbleiben, ſo würde der Geſamtauf⸗ wand 3557 Millionen Mark betragen. Mit anderen Worten um eine halbe Milliarde mehr, als im Rech⸗ nungsjahr 1931 für die Arbeitsloſen in Reich und Gemeinden auszugeben war. Dieſer Mehrbetrag muß auf der Ausgabenſeite eingeſpart werden. Zu⸗ nächſt ſollen in der Arbeitsloſenverſicherung(Alu) die Unterſtützungsleiſtungen um durch⸗ ſchnittlich 23 v. H. geſenkt und die Hilfs⸗ bedürftigkeitsprüfung nach ſechs Wo⸗ chen eingeführt werden. Das ergibt eine Er⸗ he Erläuterung ſparnis von 188 Millionen. In der Kri⸗ ſenfürſorge(Kru) ſoll die Hilfsbedürftigkeits⸗ prüfung unbeſchränkt eingeführt, und die Unterſtüt⸗ zungsleiſtungen ſollen um durchſchnittlich 10 v. H. geſenkt werden. Die Erſparnis hier macht 117 Mil⸗ lionen aus. Außerdem ſollen die um 15 v. H. ge⸗ ſenkten Wohlfahrtsſätze als Höchſtſätze eingeführt werden, wodurch 67 Millionen eingeſpart werden. In der Wohlfahrtserwerbsloſenfürſorge(Wolu) werden die Unterſtützungsleiſtungen um durchſchnitt⸗ lich 15 v. H. geſenkt werden, was eine Erſparnis von 148 Millionen ausmacht, mithin Geſamterſparnis 520 Millionen, welcher Betrag von den obengenann⸗ ten 3557 Millionen abgezogen einen Aufwand von rund 3030 Millionen Mark ergibt. Davon erfordert die Alu 796 Millionen, die Kru 1092 Millionen und die Wolu 1142 Millionen. An Deckungsmitteln ſtehen zur Verfügung Alubeiträge 1083 Millionen, von den Gemeinden aufzubringende Beiträge an Stelle von 1352 Millionen, die ſie zu zahlen hätten, wenn alles beim alten bliebe, 680 Millionen und Reichszuſchüſſe 867 Millionen, insgeſamt alſo 2630 Millionen. Es fehlen alſo noch 400 Millionen Mark, die von der Einnahmeſeite her beſchafft werden müſſen. Abermalige Erhöhung der Umſatzſteuer, die bis jetzt nicht die geſchätzten Beträge bringt, oder weitere Zu⸗ ſchläge zur Einkommenſteuer, die in ihren Erträgen außerordentlich zurückgegangen iſt, da ein allgemeiner Zuſchlag den Fehlbetrag nicht deckte, ſcheiden von vornherein aus. Daher bleibt nur übrig, alle noch in Arbeit Befindlichen zugunſten der Arbeitsloſen mit einem Prozentſatz des Einkommens zu belaſten. Dieſe Ab⸗ gabe wird für die neun Monate des Rechnungs⸗ jahres 400 Millionen Mark erbringen. Die Beiträge zur Alu ergeben einen Ueberſchuß von 287 Millionen. Er zuſammen mit dem Gemeindefünftel in Höhe von 210 Millionen und einem Teil des Reichszuſchuſſes in Höhe von 595 Millionen ergeben die für den Bedarf der Kru nötigen 1092 Millionen. Der Bedarf der Wolu wird gedeckt durch die eigne Leiſtung der Gemeinden in Höhe von 470 Millionen, die Abgabe zur Arbeitsloſenhilfe in Höhe von 400 Millionen und den verbleibenden Teil des Reichs⸗ zuſchuſſes in Höhe von 272 Millionen, zuſammen alſo 1142 Millionen. Vedingungen für die Gemeinden Der dritte Abſchnitt der Notverordnung beſchäf⸗ tigt ſich mit dem Problem der Wohlfahrts⸗ hilfe. Da die Gemeinden von ihrem Geſamtauf⸗ wand für Kriſenunterſtützung und Wohlfahrtsunter⸗ ſtützung in Höhe von 1352 Millionen nur 680 Mil⸗ lionen tragen ſollen, muß der Reſt zugeſchoſſen wer⸗ den. Von dieſem Reſt ſind abzuſetzen die bereits in den vergangenen Monaten des laufenden Haushalts⸗ jahres verausgabten Beträge in Höhe von 70 Mil⸗ lionen und außerdem 20 Millionen zur Förderung des freiwilligen Arbeitsdienſtes. Die Vorſchriften über die Verteilung der Wohlfahrtshilfe ſchließen ſich an die Vorſchriften zur Erleichterung der Wohl⸗ fahrtslaſten im Rechnungsjahr 1931 an. Neu iſt, daß der Stichtag beweglich gedacht iſi, und daß als Wohl⸗ fahrtserwerbsloſe nur arbeitsfähige, arbeitswillige und unfreiwillig arbeitslos mer unter 60 Jahren gelten, die in dauernder Kon⸗ trolle des Arbeitsamtes ſtehen. Die Arbeitnehmer⸗ ſchaft ſoll nicht ausgeſchloſſen werden, wenn jemand vorübergehend nicht als Arbeitnehmer tätig iſt. Das Ausmaß der in Ausſicht genommenen Wohlfahrts⸗ hilfe läßt es gerechtfertigt erſcheinen, wenn das Reich in Zukunft ſeine Beteiligung davon abhängig macht, daß der einzelne Fürſorgeverband eine Haus ⸗ halts⸗, eine Kaſſen⸗ und eine Rech⸗ nungsordnung feſtſtellt. Dafür ſollen u. a. folgende Grundſätze gelten: Die Feſtſtellung eines den Erforderniſſen äußerſter Sparſamkeit entſprechenden Haushaltsplanes darf nicht durch Beſchluß der Gemeindevertretung er⸗ ſchwert oder unmöglich gemacht werden. Perſönliche Ausgaben müſſen in einem Stellenplan nachgewie⸗ ſen werden, den die Gemeindevertretungen vorzu⸗ legen haben. Kommt kein Haushaltsplan zuſtande, ſo hat der Gemeindevorſtand alle erforderlichen Aus⸗ gaben zu ſenken, um die Finanzführung der Ge⸗ meinde ſicherzuſtellen. Es barf nicht geſchehen, daß die Landes⸗ geſetggebung durch Aenderung des Landesrechts finanzielle Nachteile für die Gemeinden bringt. Die Notverordnung enthält ein ausdrückliches Verbot dieſer Art in dem Sinne, daß die finanzielle Be⸗ laſtung der Gemeinden nicht erhöht werden darf. Eine andere Neuerung beſteht darin, daß nicht nur die Bezirksfürſorgeverbände, bei denen die Zahl der Wohlfahrtserwerbsloſen über 50 v. H. des Reichsdurchſchnitts beträgt, berückſichtigt werden, ſondern alle Wohlfahrtserwerbsloſen in den Genuß der erhöhten Reichshilfe gelangen. Die Schlüſſelung wird verfeinert durch Berückſichtigung der örtlichen Verhältniſſe. mittag vom Reichsarbeitsminiſter Dr. Schäffer zu einer Ausſprache empfangen werden. Hervorgehoben ſei noch, daß, wie wir bereits vor einigen Tagen an⸗ kündigen konnten, die Verdoppelung der Bürgerſteuer nicht in der Notverordnung eut⸗ halten iſt. Nach Anſicht der Reichsregierung ſind die Gemeinden durchaus in der Lage, mit den erhöhten Reichs zuſchüſſen zunächſt auszukommen. Auch die Länder ſelbſt, ſo wird ausdrücklich er⸗ klärt, ſeien nicht ermächtigt, die Bürgerſteuer weiter zu erheben. Das ändert natürlich nichts daran, daß dieſe ganz beſonders unbeliebte Steuerart im näch⸗ ſten Jahr und in jedem Fall nach den alten Sätzen wiederkehren wird, Der Reichsinnenminiſter und der Reichsarbeitsminiſter werden heute abend um 7 Uhr in der für die Reichsregierung vorbehal⸗ tenen Rundfunkſtunde über Inhalt und Sinn der neuen Notverordnung über alle deutſchen Sender ſprechen. 5 Selbſtmord eines preußiſchen Staatsrates — Berlin, 15. Juni. Im Gebäude des Preu⸗ ßiſchen Landtages hat ſich auf der Toilette des preußiſchen Staatsrates das ſtellvertretende Staats⸗ ratsmitglied Lagrange(Sp/) geſtern abend aus bisher noch unaufgeklärten Gründen erſchoſſen. Reichs-Veberbrückungskredit Berlin, 15. Juni. In unterrichteten Kreiſen ſieht man die Bedeu⸗ tung der finanziellen Maßnahmen, die die Reichs⸗ regierung in der geſtern veröffentlichten Notverord⸗ nung ergriffen hat, vor allem darin, daß die Grun d⸗ lage für den Etats ausgleich und damit für eine ordnungsmäßige Etatspolitik in Reich, Ländern und Gemeinden überhaupt erneuert worden iſt. Da⸗ mit iſt auch dem„drohenden Kaſſenchaos“ begegnet worden, das man bereits ſeit einiger Zeit befürchtete. Nur mit Mühe war es gelungen, im Mai und im Juni die Notwendigkeit zu verhindern, daß das Reich einen Ueberbrückungskredit in Anſpruch nehmen mußte. Wie wir ſchon geſtern berichteten, rechnet man jetzt damit, daß ein ſolcher Kredit i m Juli erforderlich wird. Die Inanſpruchnahme eines Ueberbrückungskredites dürfte jetzt aber keine Schwierigkeiten mehr machen, da ſeine erſte Voraus⸗ 905 08 der Etatsausgleich, ſtrikte durchgeführt wor⸗ m iſt. eee — Paris, 15. Juni. Wie dem„Journal“ aus Lille berichtet wird, ſind geſtern drei Schüler im Alter von 11—13 Jahren beim Baden im Deule⸗ Kanal plötzlich von der Strömung erfaßt worden und ertrunken 5 gewordene Arbeitneh⸗ Nadolnys positiver Abrliſtungsvorſchlag Flalien, Rußland und Oeſterreich mit dem deutſchen Vorſchlag einverſtanden Meldung des Wolff⸗Bür 3 — Genf, 15. Juni. An der geſtrigen Sitzung des Büros der Ab⸗ rüſtungs konferenz nahmen u. a. teil: Gib⸗ ſon, Herriobt, Sir John Simon, Nadolny, Grandi, Zaleſki, Hymans. Ueber die Sitzung wurde nach Schluß der Beratungen folgende amtliche Mitteilung ausgegeben: Das Büro der Konferenz für die Herabſetzung und Beſchränkung der Rüſtungen hat beſchloſſen, die Delegationen aufzufordern, ihre privaten Beſprechungen wieder aufzunehmen. Zweck dieſer Beſprechungen iſt, gewiſſe grundſätz⸗ liche politiſche Fragen, die in den Berichten der Land⸗, Flotten⸗ und Luftkommiſſionen ſowie der Kommiſſion für den chemiſchen und bakteriologiſchen Krieg aufgeworfen ſind, zu klären, um die Behand⸗ lung dieſer Delikte durch den Hauptausſchuß der Konferenz zu erleichtern. Im Verlaufe der Sitzung gab Hen⸗ derſon zunächſt einen Rückblick auf den Verlauf der Konferenz ſeit April. Dabei erinnerte er an die Beſchlüſſe des Hauptausſchuſſes der Konferenz vom April. Henderſon ſtellte feſt, daß nur der Ausſchuß, der ſich mit den chemiſchen Kriegs⸗ mitteln zu befaſſen hatte, eine klare Antwort auf die vom Hauptausſchuß geſtellten Fragen gege⸗ ben habe. Henderſon teilte weiter mit, daß in⸗ zwiſchen die deutſche Delegation einen Vor⸗ ſchlag eingereicht habe, und erteilte hierzu dem deutſchen Vertreter, Botſchafter Nadolny, das Wort. Botſchafter Nadolny erläuterte kurz den deutſchen Vorſchlag, der von der Grundlage ausgehe, die die Friedensverträge bezüglich der qualitativen Abrüſtung geſchaffen hätten. Man habe in den letzten Wochen geſehen, wie ſchwierig es für die militäriſchen Sachverſtändigen ſei, Regeln für die Abrüſtung ihres eigenen Landes aufzuſtellen. Man müſſe ſich infolgedeſſen an das Bei⸗ ſpiel halten, das in den Friedensverträgen bezüglich der qualitativen Abrüſtung gegeben worden ſei. Dieſe Abrüſtung ſollte ausdrücklich den erſten Schritt zu einer allgemeinen Abrüſtung bilden. Insbeſondere hätten die deutſchen Vertreter im Hauptausſchuß und den techniſchen Kommiſſionen konſequenterweiſe ge⸗ fordert, a 1 daß die qualitative Abrüſtung allgemein auf dasſelbe Niveau feſtgeſetzt werde. Aus dieſen Gründen und angeſichts der Ergebniſſe der techniſchen Kommiſſionen haben wir uns erlaubt, von neuem dieſe Forderung in Form eines beſon⸗ deren Vorſchlages dem Hauptausſchuß zu unter⸗ breiten. Einleitend wird im deutſchen Vorſchlag beſonders auf die Entſchließung des Hauptausſchuſſes vom 19. April hingewieſen, wonach die gegenwärtige Ab⸗ rüſtungskonferenz einen erſten entſcheidenden Schritt zur allgemeinen Herabſetzung der Rüſtun⸗ gen auf das möglichſt niedrige Niveau zu vollziehen hat. Die deutſche Delegation ſchlägt vor, daß man bei der Bezeichnung derjenigen Waffen, die der qualitativen Abrüſtung unterwor⸗ fen werden ſollen, von folgender Frageſtellung aus⸗ gehen ſoll: Angenommen, daß ein Staat eine Politik des be⸗ waffneten Angriffs annimmt, oder Angriffshand⸗ lungen gegen einen anderen Staat unternimmt, wel⸗ ches ſind dann die Abwehrmittel, die mit Rückſicht auf ihren ſpezifiſchen Charakter und ohne ihre Ver⸗ wendung zu Verteidigungszwecken zu präjudizieren am meiſten geeignet ſind, die Handlungen zum Er⸗ folg zu führen?“ Der deutſche Vorſchlag zählt ſodann im einzelnen die Waffen aus allen Rüſtungskategorien auf, die dieſem Geſichtspunkt der qualitativen Abrüſtung un⸗ terworfen werden ſollen. Dabei ſind nament⸗ lich diejenigen Waffen angeführt, die Deutſchland durch den Verſailler Ver⸗ trag verboten worden ſind. In der Ausſprache erklärten der italieniſche Delegierte Grandi, der ruſſiſche Delegierte Lunatſcharſki und der öſterreichiſche Delegierte Pflügl, daß ſie mit dem deut⸗ ſchen Vorſchlag vorbehaltlos einverſtanden ſeien. Der franzöſiſche Miniſterpräſident Herriot er⸗ klärte, daß die franzöſiſche Delegation den deutſchen Vorſchlag aufmerkſam prüfen werde unter Berück⸗ ſichtigung des grundſätzlichen Standpunktes, den Frankreich zu den hier aufgeworfenen Fragen ein⸗ nehme. Herriot übernimmt Tardieus Argumente Drahtung unſeres eigenen Vertreters = Genf, 15. Jumi. Umgeben von den Vertretern der europäiſchen Kleinſtaaten kamen geſtern nachmittag die Außen⸗ miniſter Englands, Frankreichs, Italiens und die Hauptdelegierten Nordamerikas und Deutſchlands zuſammen, um die Frage zu erörtern, ob die Ab⸗ rüſtungs konferenz leben oder ſterben ſoll. Der Konferenzvorſitzende Henderſon warf in dieſe Auseinanderſetzung das entſcheidende Stichwort, auf das ſich alle einigten. Es lautet: „Die Abrüſtung kann nur durch die Politiker gerettet werden.“ Solange die Staatsmänner nicht in der Kernfrage zu einer Verſtändigung gelangen, beſteht keine praktiſche Möglichkeit für die Fortſetzung und Durchführung der Debatte in den Aus ſchüſſen der Sachver⸗ ſtändigen. Fruchtloſes Herumreden über tech⸗ miſche Angelegenheiten führt zu nichts, wenn nicht der politiſche Unterbau vorher geſchaffen iſt. Fünf Monate iſt dieſe Tatſache bekannt und trotzdem hat man nichts getan, um die politiſchen Beſprechun⸗ gen anzukurbeln und durchzuführen. Nun ſoll es Hals über Kopf gehen. Nicht in Genf, ſondern in Lauſanne, wo Mitt⸗ woch nachmittag die erſte vertrauliche Aus⸗ ſprache zwiſchen den leitenden Staatsmän⸗ nern ſtattfinden ſoll, wird ſich das Schickſal der Abrüſtungskonferenz entſcheiden. In der geſtrigen Nachmittagſitzung aller Haupt⸗ vertreter der Abrüſtungskonferenz ließ man wieder die hinreichend bekannten Standpunkte der Haupt⸗ mächte Revue paſſieren. Es zeigte ſich, daß die innerpolitiſchen Ereigniſſe in Deutſch⸗ land, das Ausſcheiden Brünings und die Vor⸗ bereitung der Reichstagswahl durch die Regierung von Papen in keiner Weiſe eine Aende⸗ rung, geſchweige denn eine Korrektur oder Ab⸗ ſchwächung der Standpunkte zur Folge hatte. Es konnte feſtgeſtellt werden, daß Frankreich noch immer eine iſolierte Einſtellung in der Ab⸗ rüſtungsfrage einnimmt, daß England, Italien, Nordamerika und Rußland den deutſchen Rechts⸗ anſpruch auf qualitative Rüſtungsgleichheit vollauf unterſtützen, während Herriot geſtern ſeine Vorbehalte gegen die deutſche Auffaſſung auf Grund der von Tardien hier abgegebenen Erklärungen neuerdings geltend gemacht hat. Herriot erklärte zum deutſchen Vorſchlag zwar, daß er die Frage noch nicht geprüft habe, wies hernach jedoch einen ſchriftlich niedergelegten Teyt vor, der, wie erwähnt, auf die bereits gel⸗ tend gemachten Vorbehalte Frankreichs aufmerkſam machte. Damit fand die Sitzung ihren Abſchluß. Sie zeigte, daß die Tardieu⸗ Schwierigkeiten ungeſchwächt beſtehen und die Vermutung aufkom⸗ men laſſen, daß 4 Frankreich in Lauſanne auf eine politiſche Verknüpfung der Reparations⸗ mit der Ab⸗ ritſtungsfrage hinſtrebt. Der Plan, eine Kundgebung am Schluß der Lauſan⸗ ner Konferenz zu veranſtalten, beſteht bei Herriot und verbindet ſich mit dem Projekt für ein„Ent⸗ gegenkommen“ in der Reparationsfrage an Deutſchland eine Scheinlöſung des Ab⸗ rüſtungsproblems einzukaſſteren. Nur ſo wäre, ſagte,„Frankreichs Opferpolitik in der Reparations⸗ frage“ für die gegenwärtige franzöſiſche Regierung tragbar. 5 In der Donaufrage ſchwebt Herriot der Ge⸗ danke vor, die Gewährung der Stützungsanleihe von wie Herriot geſtern abend den Journaliſten 300 Millionen Schilling mit einem Appell an die europäiſchen Staaten zu verbinden, ſich wirtſchaftlich anzunähren. 3 Den Tardien⸗Plan einer Donaukonferenz ſchaltet Herriot aus. Er empfiehlt allen intereſſierten Hauptmächten, an dem wirtſchaftlichen Wiederaufbau Mitteleuropas mitzuarbeiten. Man darf annehmen, daß Herriot für dieſen Gedanken Macdonald gewonnen hat und ſich demgemäß in Lauſanne neben der Reparationskon⸗ ferenz Verhandlungen über Möglichkeiten einer zwei⸗ und mehrſeitigen Zuſammenarbeit der Großmächte in Mitteleuropa entwickeln werden.. Der Vorhang fällt alſo bis auf Weiteres in Genf. Am Donnerstag wird er in Lauſanne hochgehen, Die Delegierten der Abrüſtungskonferenz ſuchen Er⸗ holung in den Bergen oder ſie reiſen nach Lauſanne ab. Die Journaliſten eilen ihnen in die neue Kon⸗ ferenzſtadt voraus. Nalionalſozialiſten allein in der oldenburgiſchen Regierung — Oldenburg, 15. Juni. Nunmehr ſteht, wie aus einer Mitteilung der Parteileitung der NSDA p in Oldenburg hervor⸗ geht, feſt, daß die Nationalſozialiſten die oldenbur⸗ giſche Regierung allein bilden werden. Die Kan⸗ didatenfrage iſt noch nicht geregelt. Letzte Meloͤungen Wahnſinnstat einer Mutter — Colmar, 15. Juni. Die Frau des Straßen⸗ wärters Gubenaut in Oberaßheim hat in einem Anfall geiſtiger Umnachtung ihren beiden Kindern, einem neunjährigen Mädchen und einem achtfährigen Knaben, mit einer Axt furchtbare Verletzungen zugefügt und ſich dann ſelbſt in der Scheune erhängt. Als der Mann von der Arbeit heimkehrte, fand er die Frau tot und die Kinder entſetzlich zugerichtet auf. Sie dürften ſchwer⸗ lich mit dem Leben davonkommen. 5 500 Zentner Malz verbrannt — Saarlouis, 15. Juni. Geſtern nachmittag gegen fünf Uhr entſtand im Sudhaus der hieſigen Ak⸗ ttenbrauerei ein Großfeuer, das an den Malz⸗ vorräten reiche Nahrung fand. In mühevoller Ar⸗ beit wurde das Feuer mit ſieben Schlauchleitungen bekämpft. Insgeſamt wurden 500 Zentner Malz vernichtet. Der Brandſchaden beläuft ſich nach einer vorläufigen Schätzung auf etwa 750 000 Franken. Der Brauereibetrieb erleidet durch das Feuer jedoch keine Beeinträchtigung. Schwere Gewitterſtürme in Frankreich — Paris, 15. Juni. Wie Havas aus Rouen berichtet, iſt die dortige Gegend durch heftige Stürme und Gewitterregen ſchwer heimgeſucht worden. In der Ortſchaft Houleme ſteht in einem Block von 16 Häuſern das Waſſer 1,80 Meter hoch. Man be⸗ fürchtet, daß die Ernte gelitten hat. Die Nachforſchungen nach Bertram — Perth(Weſtauſtralien), 15. Juni. Die Nach⸗ forſchungen in der Luft und auf dem Lande zur Auf⸗ findung der beiden verſchollenen deutſchen Flieger ſind im Gange. Sie werden von der Drisdale⸗Mif⸗ ſionsſtation aus betrieben. Es werden Eingeborene zuſammengezogen, um den Fußſpuren, die man eut⸗ deckt hat, zu folgen. 1. — Der Im tatſächl 87 000 hat die einen! 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143 (15.6.1932) 271. Mittagsblatt
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