97⁰ 20 2. Seite/ Nummer — Neue Mannheimer Zeitung/ Abend⸗Ausgabe Mittwoch, 15. Juni 1932 Befruchtung der Wirtſchaft unter Ausſchal⸗ tung von Experimenten. Von einem eigentlichen Arbeitsbeſchaf⸗ fung spro gramm in dem Umfang, wie die Re⸗ gierung Brüning es ankündigte, iſt aus ſolcher Ein⸗ ſtellung jedenfalls fürs Erſte abgeſehen worden. Die Notverordnung enthält nur einige Ermächtigungen für Arbeiten im Straßenbau, der Waſſerbewirtſchaf⸗ tung und Bodenverbeſſerung und weiſt, ſoweit Mit⸗ tel vorhanden ſein ſollten, auf die Notwendigkeit der Inſtandſetzung und Teilung von Wohnungen hin. Beachtlich iſt, daß auch der neue Reichsarbeits⸗ miniſter Schäffer die ſchon vom Miniſter Ste⸗ gerwald mit Eifer betriebenen Pläne für eine Ar⸗ beitsſtrecku ng fortzuführen gedenkt, wie der neue Gebieter des ſozialen Reſſorts denn auch ein unumwundenes, eindeutiges Bekenntnis zur deut⸗ ſchen Sozialpolitik abgelegt hat, die er fördern und nicht beſeitigen wolle. Zu dem neuen Etat, der nunmehr vollſtändig dem Reichsrat zugehen wird und der bekanntlich in Einnahmen und Ausgaben mit 82 Milliarden ba⸗ lanciert, wäre noch zu bemerken, daß trotz erheb⸗ licher Steuererhöhungen im verfloſſenen Jahr nur mit einem Steueraufkommen von 5,4 Milliarden gerechnet wird gegenüber 5,5 Mil⸗ liarden 1931 und 6 Milliarden 1930. Neben neuen Einſchränkungen ſind auch verſchiedene neue Ausgabenpoſten vorgeſehen, vor allen Dingen ein Betrag von 33 Millionen für die weitere Befreiung der Untertagearbeiter im Bergbau von der Arbeitsloſenverſicherung, ein neuer Zuſchuß von 25 Millionen zur Knapp⸗ ſchaftsverſicherung(70 Millionen ſtanden für dieſen Zweck von vornherein im Haushalt), 20 Millionen für den freiwilligen Arbeitsdienſt und 50 Millionen für die Siedlungen, wobei in der Hauptſache an die Vollendung ſchon begonnener Maßnahmen gedacht iſt. Die Arbeitsloſenfürſorge hätte nach den augen⸗ blicklichen Sätzen insgeſamt 3 Milliarden erfor⸗ dert. Als Deckungsmittel waren aber nur, wie ſchon angedeutet 1083 Millionen an Beiträgen, 867 Mil⸗ ltonen aus dem Reichshaushalt und 680 Millionen von den Gemeinden, zuſammen rund 2600 Millio⸗ nen vorhanden. Der Fehlbetrag von 900 Millionen iſt nun durch die erwähnten Abſtriche von 500 Mil⸗ lion und die Beſchäftigtenſteuer, von der man 400 Millionen erwartet, ausgeglichen. Zu erwähnen iſt ſchließlich noch die in der Tat großzügige Entlaſtung der Gemeinden, die im vorigen Jahr noch über eine Milliarde für ihre Wohlfahrtserwerbsloſen ſelbſt aufbringen mußten, wovon ſie indes 400 Millionen nur durch Methoden aufbringen konnten, die ſich nicht in jedem Jahr wiederholen loſſen. Ihr Anteil an den Auf⸗ wendungen für die Arbeitsloſenfürſorge iſt daher guf 680 Millionen herabgeſetzt worden. Von dem 670 Millionen betragenden Reichszuſchuß an die Gemeinden, der unter ganz beſtimmten Voraus⸗ ſetzungen und unter einem neuen Schlüſſel verteilt wird, dürfen die Länder— wohl als Folge der züngſten Beſprechungen in den Reichsratsausſchüſſen 10 v. H. abzweigen und nach eigenem Ermeſſen Leſonders notleidenden Kommunen zuführen. Raubüberfall auf eine Hamburger Bankfiliale — Hamburg, 15. Juni. Am Mittwoch iſt in der Filiale der Dresdener Bank in der Grin⸗ deallee ein Raubüberfall ausgeführt worden, bei dem den Tätern etwa 5600 Mark in die Hände gefallen ſein ſollen. Es erſchienen um 10 Uhr, während nur die Angeſtellten im Raum anweſend waren, drei Männer mit Masken vor dem Geſicht und Schußwaffen in den Händen. Die Angeſtellten wur⸗ den in die hinteren Räume zurückgedrängt, die Räuber riſſen das Geld an ſich und flüchteten un⸗ erkannt. Vier Todesurteile in Iglau — Iglau, 15. Juni. Das Geſchworenengericht verurteilte vier ehemalige Häftlinge des Kreisgefängniſſes zum Tode durch den Strang. Die Angeklagten hatten im Herbſt vergangenen Jah⸗ res bei einem Fluchtverſuch einen Gefangenenauf⸗ ſeher getötet und einen anderen verletzt. Die Slaatsidee des Nationalſozialismus Aus einem Rundfunkvortrag Gregor Straſſers Berlin, 15. Juni. Nachdem der Rundfunk allen Parteien mit Aus⸗ nahme der Kommuniſten zugänglich gemacht wor⸗ den iſt, ſprach geſtern abend der nationalſozialiſtiſche Reichstagsabgeordnete Gregor Straſſer am Mikrophon der Deutſchen Welle über„Die Staats⸗ idee des Nationalſozialismus“. Der Vor⸗ trag wurde über eine gauze Anzahl deutſcher Sender verbreitet. Gregor Straſſer ſagte u..: Der Nationalſozialis⸗ mus iſt letzten Endes nichts anderes als der politiſche Ausdruck der ſeeliſchen Nöte einer großen Epoche. Wenn wir den Nationalſozialis mus als die Forderung nach ſtaatlichen Maßnahmen zum Schutze des geſamten Volkskörpers vor Gefahren durch die feindliche Umwelt bezeichnen, ſo geben wir National⸗ ſozialiſten zu, daß der unbedingte Nationalismus der Freiheitsliebe in der dann folgenden. dynaſtiſchen Politik und ſpäter in einer reinen Wirtſchafts⸗ und Konzernpolitik verfälſcht wurde. Gegen dieſe Entwicklung und als Proteſt gegen die Maſchiniſtierung des Lebens entſtand— vollauf berechtigt— die deutſche Arbeiterbewegung, die wir anerkennen und ihren tiefſten Inhalt bejahen. Denn Wir verſtehen unter Sozialismus die ſtaat⸗ lich durchgeführten Maßnahmen zum Schutze des Einzelnen oder einer größeren Gemein⸗ ſchaft vor jeglicher Ausbeutung. Die Verſtaatlichung der Eiſenbahnen, die Kommuna⸗ liſterung der Trambahnen, der Licht⸗ und Gas⸗ werke, die Bauernbefreiung des Freiherrn von Stein, die Eingliederung des Ständeſyſtems in den Organismus des damaligen Staates, das Leiſtungs⸗ prinzip des preußiſchen Berufsoffiziers, des deut⸗ ſchen unbeſtechlichen Berufsbeamten, das alles iſt Ausdrucksform jenes ſolchen Sozialismus, wie wir ihn auffaſſen und fordern. Dieſer Gedanke eines ſtaatlich garantierten ſozialen Selbſtſchutzes hat nichts zu tun mit jenen Gedanken, welche der Marxis⸗ mus in den deutſchen Sozialismus einzuführen verſtanden hat, nichts mit Internationalismus, Faſzismus und Klaſſenkampf. Der Nationalſozialismus verwirft die Phraſe vom Individualismus, der die innere ger⸗ maniſche Freiheitsauffaſſung in eine wirt⸗ ſchaftliche innere Hemmungsloſigkeit ver⸗ fälſchte. In der nationalſozialiſtiſchen Staatsidee liegt letz⸗ ten Endes die Ablöſung der liberalen Epoche. Zur ſchärfſten Oppoſitionsparte: mußten wir deshalb werden, weil wir in der heute in Staat und Wirt⸗ ſchaft herrſchenden Weltanſchauung nicht nur eine Verfälſchung, ſondern direkte Umkehrung aller jener Forderungen ſehen mußten, welche die Erhaltung und Stärkung des deutſchen Volkes bedingen. Der Nationalſozialismus im Beſitz der Staats⸗ gewalt wird ſeine Aufgabe darin ſehen, das deutſche Volk zurückzuführen zu ſeinen echten und lebens⸗ wahren Auſchauungen und organiſchen Formen. Politik heißt für uns Dienſt am deutſchen Volke und Staatswohl. i Die Staatsform iſt für uns Nationalſozia⸗ liſten kein Problem, das einer kräftezerſtörenden. Illuſion wert iſt. Der Inhalt des Staates iſt tau⸗ ſendmal wichtiger als ſeine äußere Aufmachung. Ueber die Staatsform möge das deutſche Volk ent⸗ ſcheiden, wenn es ſich die äußere Freiheit wieder erworben hat und im Innern Arbeitsmöglichkeit und natürliches Auskommen geſichert iſt. Wir Na⸗ tionalſozialiſten wollen keine Reorganiſation, ſon⸗ dern Geſundung. N Wir Nationalſozialiſten wollen keine Juden⸗ verfolgung, aber wir fordern eine deutſche Führung ohne jüdiſchen und fremden Geiſt, ohne jüdiſche Hintermänner und ohne jüdiſche Kapitalintereſſen. Wir wollen keinen neuen Krieg. Wir ſcheuen aber auch einen Krieg dann nicht, wenn er einmal das letzte Mittel ſein ſollte, um die deutſche politiſche und ſoziale Freiheit zu verteidigen. Wir wollen keine Konfeſſionshetze und keine Verfolgung der chriſt⸗ lichen Kirchen. Wir wollen von den Seelſorgern keine Parteipolitik. Für uns iſt die Löſung der ſozialen Frage die Exiſtenzfrage der Gegenwart überhaupt, die ſofort von neuen Männern in Angriff zu nehmen iſt. Die Verfaſſung des Reiches und die Verfaſſun⸗ gen der Länder finden zu allen Zeiten unſere Ach⸗ tung. Wir verlangen aber auch von dieſen Verfaſ⸗ ſungen, daß ſie ſittlich ſind und ſittlich wirken. Unſer nächſtes Ziel iſt die Beſeitigung des Leerlaufs der deutſchen Wirtſchaft, und zwar 1. durch Ueberwindung der Arbeitsloſigkeit und Geſundung der Landwirtſchaft, 2. durch Löſung der Frage des gerechten Arbeits⸗ lohnes und 3. durch ſinngemäße Einſchaltung unſerer Geld⸗ wirtſchaft in den Rahmen der kommenden National⸗ wirtſchaft. Der Nationalſozialismus fordert nicht nur die Arbeitsdienſtpflicht, ſondern er fordert da⸗ rüber hinaus als Staatsgrundſatz die Proklamation der allgemeinen Nähr⸗ und Arbeitspflicht. In dem deutſchen Bauern ſehen wir bei der kom⸗ menden Geſtaltung unſerer Wirtſchaft mit der Ten⸗ denz zum geſchloſſenen Wirtſchaftsraum die Voraus. ſetzung unſeres wirtſchaftlichen Daſeins. Ja, wir ſehen im deutſchen Bauern den Urſprung unſerer raſcheſten Erneuerung überhaupt. Den Geiſt unſerer Rechtspflege wollen wir aus der Vorſtellung des römiſchen Rechts in die un⸗ terbrochene Kette germaniſchen Rechtsempfindens umdrehen. Die Staatsidee des Nationalſozia⸗ lis mus iſt nichts anderes als das Bekenntnis zum Leiſtungs prinzip, das Bekenntnis zum Wachs⸗ tum und das Bekenntnis zum Gemeinſchaftsgedan⸗ ken. Keine Uebertragung der Straſſerrede in Bayern, Württemberg und Baden Eine Uebertragung der Rede Gregor Straſſers auf die bayeriſchen Sender fand nicht ſtatt. Der politiſche Ueberwachungsausſchuß des Bayeri⸗ ſchen Rundfunks hat die Uebertragung abgelehnt. Ebenſo hat der politiſche Ueberwachungsausſchuß des Süddeutſchen Rundfunks die Uebertra⸗ gung der Rede auf die Sender des Süddeutſchen und badiſchen Rundfunks abgelehnt. Kultusdebalte im Badiſchen Landtag Z. Karlsruhe, 15. Juni.(Eig. Dr.) Den Beratungen zum Finanzgeſetz, dem Haupt⸗ punkt der dieswöchigen Sitzungen, geht die Exledi⸗ gung einer Anzahl von Anfragen und Geſu⸗ chen voraus, zu denen die verſchiedenen Parteien ſich ausführlich äußern. Als erſte ſteht eine Anfrage der Nationalſozialiſten zur Not der badiſchen Künſtler zur Debatte. Gefordert wird von den Nationalſozialiſten, daß alle nichtreichsdeutſchen Künſtler und Muſiker mit Ausnahme von Auslandsdeut⸗ ſchen, von Deutſchöſterreichern und Angehö⸗ rigen deutſcher Minderheiten, die in ſtaat⸗ lichen oder gemeindlichen Kunſtinſtituten oder Lehrangeſtellten angeſtellt ſind, ſofort zu entlaſſen ſeien. Für die Beſchäftigung Nichtreichsdeutſcher uſw. in Gaſt⸗ und Vergnügungsſtätten iſt die Genehmigung der Landesregierung oder der zuſtändigen Behörden erforderlich. 5 Kultusminiſter Dr. Baumgartner erwidert, daß in Baden nur wenig nichtreichsdeutſche Künſt⸗ ler und Wiſſenſchaftler Lehraufträge an ſtaatlichen Schulen haben. Die geſchmacklichen Aus ſchrei⸗ tungen in den verſchiedenen Zweigen der dar⸗ ſtellenden Kunſt, des Theaters und der Muſik ſeien in der Tat kaum mehr erträglich. Die Vorliebe der Gebildeten für dieſe Rich⸗ tung erſchwere die Zurückführung des Vol⸗ kes zu einem geſunderen Kunſtempfinden. Ablehnen müſſe er es, ſich von irgendwelchen Künſtlerkommiſſionen Vorſchriften über den Ankauf von Kunſtwerken machen zu laſſen. Er ſei verantwortlich, nicht andere, doch ſei das Mini⸗ ſterium ſtets bereit, wie bisher Künſtler gukachtlich zu hören. Leider werden jedoch alle guten Abſichten durch die geringe Summe begrenzt(27000), die für Kunſtankäufe zur Verfügung ſtehen. Abg. Menth(Dp) berichtet über einen Zen⸗ trumsantrag zur Bekämpfung der Gott⸗ loſen bewegung. Alle Redner befürworten energiſchen Kampf gegen die volksverderb⸗ lichen Auswirkungen der kommuniſtiſchen Gottloſenpropaganda der Freidenker⸗Bewe⸗ gung und der Werbung für den Austritt aus der Kirche. Die Sprecher der Oppoſition tadeln die Lauheit der Regierung, die aus ihrer engen Verbin⸗ dung mit den Sozialdemokraten ſich ergebe. Der Miniſter wehrte ſich gegen den Vorwurf, daß der Staat ſeine Pflicht auf dieſem Gebiet nicht erfülle und ſtellt mit Befriedigung feſt, daß die Vertie⸗ fung des religiöſen Gefühls. die dieſe Anfrage veranlaſſe, eine der erfreulichſten Exſchei⸗ nungen der Gegenwart ſei. Während die Herren von den marxiſtiſchen Grup⸗ pen ſprechen, kommt die Glocke des Präſiden⸗ ten nicht zur Ruhe und Dr. Waldeck ſpart nicht mit Verwarnungen. Der Zentrumsantrag wird dann mit Mehrheit angenommen. Ueber das Geſuch des Oberbürgermeiſters der Stadt Mannheim um die Erlaubnis zur Aufführung ernſthafter Darbietungen am Karfreitag entſpinnt ſich eine längere Debatte. Dr. Wolfhard(Dem.) begründet einen demokra⸗ tiſchen Antrag, der die Erlaubnis zur Aufführung des„Parſifal“ am Karfreitag und die Verordnung über weltliche Feiern der Sonn⸗ und Feiertage durch einen entſprechenden Paſſus ergänzt ſehen möchte. Redner der Deutſchnationalen und des Evangeliſchen Volksdienſtes ſprechen ſich gegen den demokrati⸗ ſchen Antrag aus. Miniſter Dr. Baumgartner beruft ſich zum Beweis dafür, daß nicht alle muſikliebenden Kreiſe Mannheims den Wunſch des Oberbürgermeiſters unterſtützen, auf eine Eingabe der Volks⸗ ſing⸗Akademie an das Miniſterium.(2) Auch die Bitte des Evangeliſchen Oberkirchen⸗ rats habe das Miniſterium zur Ablehnung des Ge⸗ ſuchs beſtimmt. Die weiteren Ausführungen des Miniſters wurzeln im Weltanſchaulichen. Abg. Dr. Waldeck(D. Vp.) iſt der Meinung, zu entſchetden habe in dieſer Angelegenheit die Bitte des Evangeliſchen Oberkirchenrats. Er perſönlich ſei je⸗ doch der Meinung, daß der„Parſifal“ ſehr wohl am „Karfreitag aufgeführt werden könne. Der Oberbürgermeiſter von Maunheim ſei der Exponent einer großen Stadt und dieſe Art der Ablehnung bedeute eine Unfreund⸗ lichkeit, die tiefe Mißſtimmung erzeugen mitſſe. Er bitte darum, daß der Ausſchußantrag eine mildere Form erhalte. i Der Miniſter verwahrt ſich gegen den Vorwurf unmotivierter Schärfe ſeiner Ablehnung. Er habe ſich nur gegen die Monopolſtellung des„Parſifal“ gewandt und die Anſicht geäußert, daß, wenn man die Aufführung des„Parſifal“ zulaſſe, Gleiches für an⸗ dere Stücke ernſten Charakters gelten müſſe. Inzwiſchen hat Dr. Waldeck einen Antrag eingebracht, der bittet, das Geſuch durch die Mittei⸗ lung der Regierung als erledigt zu ſehen. Nach er⸗ regter Debatte über die Zulaſſung dieſes Antrags und über Abſtimmungsformalitäten wird der mildere Antrag Dr. Waldecks mit großer Mehrheit angenommen. Das Zürcher Tonkünſtlerfeſt Schulmuſik, Oper, Kammermuſik Wie gewöhnlich in den letzten Jahren, ſo war auch der Zürcher Tagung ein Vortrag über eine zeit⸗ gemäße muſikaliſche Frage angegliedert. Zum erſten Male wurde dabet ein Ueberblick über den Stand der deutſchen Schulmuſikbewegung ge⸗ boten. Der Feſtrebner, Prof. Dr. Hans Joachim Moſer, Direktor des Staatlichen Inſtitutes für Kirchen⸗ und Schulmuſik, ging dabei in aller Kürze und ohne alle Beſchönigung der gegenwärtigen Lage, die noch als Uebergangszuſtand aufzufaſſen ſei, auf die wichtigſten Seiten der Frage ein. Er betonte, daß beim Schulmuſikunterricht die Perſönlichkeit des Lehrers ausſchlaggebend ſei, daß die vor einigen Jahren eingeführte neue Prüfungsordnung noch nicht durchgreifend angewandt werden konnte, ſo daß noch etwa ein Drittel der Stellen mit ungeprüften Lehrkräften beſetzt ſei; ferner hob er hervor, das Ziel der heutigen Schulmuſikerziehung entſpreche noch dem des Gründers des Staatlichen Inſtitutes, Carl Friedrich Zelters, der die Heranbildung guter Dilettanten angeſtrebt habe. Der Unterricht ſolle die Teilnahme an der wirk⸗ lichen guten Muſik erwecken, die dann dem öffent⸗ lichen Muſikleben wieder zugute kommen könne. Die übertriebene Forderung, das„ſchaffende Kind“ zu züchten, drückte Moſer mit Recht herab, indem er ſich mit dem„beſchäftigten Kinde“ begnügte, trat dagegen warm für die„Querverbindungen“ unter den einzelnen Unterrichtsfächern ein, nicht zuletzt auch deshalb, weil ſchon mancher auf Umwegen zur Tonkunſt gelangt ſei. Im Hinblick auf die Lieder⸗ auswahl für die Schule vertrat er in gemilderter Form etwa den Standpunkt der muſikaliſchen Ju⸗ gendbewegung; ſie ſolle die Brücken zwiſchen Kunſt und Leben ſchlagen. Aus verſchiedenen Gründen ſei die Uebung polyphoner Sätze zu empfehlen, wert⸗ volles Neues an die Jugend heranzubringen, die Schuloper zu fördern, von der üblichen„Geſang⸗ vereinsweis“ abzurücken. Doch hörte man gern, daß er der Anſicht ſei, die Romentil ſei gegenwärtig über alles Maß zurückgedrängt, wie er überhaupt vor Ueberſpannung von Zeitideen im Muſikunterricht warnte. Zöglinge Züricher Schulen veranſchaulichten die Ausführungen des Redners durch Proben, die vorwiegend Jödes„Muſikant“ und dem Staatlichen Jugendliederbuche(Peters) entnommen waren. Eine drollige Darſtellung des Spieles für Kinder„Wir bauen eine Stadt“ von Hindemith, machte den Ab⸗ ſchluß. 5 Am Abend desſelben Tages entbot eine Auffüh⸗ rung der„Pentheſilea“ des Schweizers Othmar Schoeck in das Züricher Stadttheater. Man erhielt von dem Werke wie ſchon bei der— bisher für Deutſchland einzigen— Dresdener Wiedergabe einen ſtarken Eindruck, ſo merkwürdig auch ſein Wechſel zwiſchen melodramatiſcher und opernartiger Form berühren mag. Die Wiedergabe war ganz auf den heroiſchen Grundcharakter der Dichtung und der Muſik angelegt und erweckte vor einem Parkett zahl⸗ reicher Fachleute alle Hochachtung. Sie unterſtand der Leitung Max Conrads(Muſik) und Haus Zim⸗ mermanns(Spiel); aus der Reihe beachtlicher Solo⸗ kräfte ſeien Maria Mülkens als Pentheſilea, Eliſa⸗ beth Delius als Oberprieſterin, Walter Wenzlawſki als Achilles und Cornelis Wijgers als Diomedes hervorgehoben. Der Chor war durch Mitglieder des Lehrergeſangvereins Zürich zu einer prachtvollen Ge⸗ ſangskörperſchaft verſtärkt. Der Erfolg für das Werk, den anweſenden Tonſetzer und die Aufführung war groß. In der Vortragsfolge der einzigen Kammer⸗ muſik des Feſtes ſtanden zwei Streichquar⸗ tette. Das von Hans Gal, das den Vormittag einleitete, war wohl als die hübſcheſte Gabe der Ver⸗ anſtaltung anzuſehen. Es war kein Quartett im üblichen Sinne, ſondern mit ſeinen fünf kurzen Sätzen, die meiſt durchaus polyphon und feinhörig geſtaltet ſind, der Gattung der„Divertimenti“ zuzu⸗ zählen. Das Wiener Koliſchquartett bewährte an dem Werke ſeine vielgerühmte Kunſt von neuem. Im Gegenſatze dazu ſtand das in freier Sonaten⸗ form geſchriebene d⸗moll⸗Quartett von Paul Kletzki. Es ſtrebt im Anſchluſſe an Brahms und Reger größere Vertiefung an, doch wiegt das muſi⸗ kaliſche Gedankenmaterial nicht ſchwer genug, und * 7 auch bei der Verarbeitung iſt der Tonſetzer nicht ſtreng genug gegen ſich ſelbſt. Es wäre ſchade, wenn dieſer an ſich zweifellos begabte Mann in dieſer Weiſe weiter arbeiten wollte. Das Züricher Streich⸗ quartett leiſtete bei dem Vortrag des Werkes ſehr wackere Arbeit. Als einen bloßen Scherz wollte der Wiener Otto Jokl wohl ſeine„Heitere Suite“ für drei Blasinſtrumente, Schlagzeug, Klavier und Geige aufgefaßt wiſſen. Ihre fünf Sätze, darunter ſogar eine Walzerfuge und ein Jazzpotpourrti, ſind Eulen⸗ ſpiegeleien, freilich nicht ſolche der koſtbaren Art Richard Straußens, ſondern durch die Vordring⸗ lichkeit der Trompete und der Poſaune, grobe und ungeſchlachte. Parodiſtiſches, Jroniſches, Groteskes ſteht im Vordergrund; von wirklichem Witz und Geiſt iſt aber leider wenig zu ſpüren. Ein Sextett tüch⸗ tiger Züricher Muſiker bemühte ſich unter Leitung Alexander Schaichets, um dieſen Jokl⸗Jux. Den Verſuch die Suitenform für den Einzel⸗ geſang von neuem zu gewinnen, machte die junge Mannheimerin Trude Rittmann, indem ſie drei Strophen von Brentano und Eichendorff hernahm und einen Koloraturſopran dazu als obli⸗ gate Stimme eines Kammerorcheſters führte, die im letzten Satze als Ausdruck eines allgemeinen Welt⸗ gefühls einfach melismatiſch vokaliſtert. Man mag im voraus wohl auf eine neuromantiſche Muſik gefaßt geweſen ſein, doch ſucht die Tonſetzerin trotz den frühromantiſchen Texten etwa beim Wiener Schönbergkreiſe Anſchluß. Gut behandelt iſt der Kammerorcheſterſatz. Lucy Siegriſt(Zürich) bekun⸗ dete beim Vortrag kleine, aber anſprechende Stimm⸗ mittel und bemerkenswerte Begabung für den Ziergeſang. n. Muſik⸗Preisausſchreiben für Salzburg. Durch die Internationalen Dirigenten⸗ und Muſikkurſe des Mozarteums in Salzburg iſt ein Wett⸗ bewerb ausgeſchrieben worden für die muſika⸗ liſche Bearbeitung des Schauſpiels Maria von Magdala“ von Paul Pawel. Das Werk, zu dem vier kurze muſikaliſche Nummern benötigt werden, kommt im Rahmen der Salzburger Feſtſpiele zur Uraufführung. Die Titelrolle des von Walter Sofka inſzenierten Werkes wird Agnes Straub über⸗ nehmen. ö Am Abend Von Richard v. Schaukal Wenn der letzte Vogel verſtummt Im Baum, i Wenn der Wald ſich vermummt Am Saum, 2 Wenn die Felder mit Silber begießt Der Mond Und das Waſſer vernehmlicher fließt Als gewohnt, a Wenn die Fledermaus lautloſen Flug Beginnt Und vertrauend der Tag in den Traum Verrinnt, Dann, ach, dehnk ſich die Seele ſo weit An den Rand, Daß ſchmerzend dein irdiſches Kleid Sich ſpannt, Daß vor Sehnen die Sohle ſich hebt Vom Grund, Daß erlöſt im Gebet erbebt Der Mund. O Eröffnung des Gerhart Hauptmann⸗Theaters in Breslau. Nach dem Umbau des Breslauer Thalia⸗ Theaters ſoll die Bühne unter dem Namen Gerhart Hauptmann⸗Theater am 3. September dieſes Jahres wieder eröffnet werden. Im Beiſein von Gerhart Hauptmann ſoll ſein Drama„Und Pippa tanzt“ als erſte Vorſtellung zur Aufführung gelangen. Gleichzeitig wird auch die Gerhart Hauptmann ⸗Aus⸗ ſtellung in Breslau eröffnet werden. O Die Miſſa Solemnis kapituliert vor dem Sol⸗ datenlied. Die Wiener Feſtwochen bringen u. a. auch Beethovens„Miſſa Solemnis“ Die Ravag, Radio Wien, hat auf ihre Anfrage bei den Sendegeſellſchaften der Erde nur aus Polen den Beſcheid erhalten, daß man dieſe Aufführung über⸗ tragen wolle. Dagegen haben ſämtliche reichs⸗ deutſchen, alle deutſch⸗ſchweizeriſchen und 8 nordamerikaniſche Sender erklärt, daß ſie das Militärkonzert„300 Jahre Sol⸗ datenlied“ übertragen. Mitt. 9 Auf die Dee werden dem Ba legenhei Die Erz ſodaß m werden ſchaft iſt den. Ni nicht abt mal die Wie eſſenten“ nis, daß Schaulei geſamme Ein Wer nich * nicht gen ben. 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143 (15.6.1932) 272. Abendblatt
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